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Staatsanwaltschaft
minister oder Oberstaatsanwalt ernannt). Teil-
weise werden sie derart aus den Richtern genom-
men, daß ihnen ihre Richterstellung offen bleibt
(Mecklenburg, Oldenburg, Braunschweig, Schaum-
burg-Lippe), was für alle Reichsanwälte durch
GV 150, für viele St. landesrechtlich verboten
ist, da sie ausdrücklich als nicht-richterliche Beamte
bezeichnet werden Amtsanwälte können zugleich
Richter sein, GVG 5 152. Nicht immer ist der
Beruf Lebensberuf, oft wechseln die Beamten
zwischen St. und Gericht (was mit Unrecht be-
klagt wird). Der Beruf gilt vielfach als Bevor-
zugung: jedenfalls verlangt er besondere Energie
und Tüchtigkeit. — Besondere St. Beamte für
Behandlung der Taten Jugendlicher sieht unser
Recht nicht vor, teilweise aber die Praxis.
#& 4. Die Zuständigkeit (örtliche und sachliche)
der St. bestimmt sich nach dem Gericht, für das
sie eingerichtet ist. Jedoch schlägt das Devolutions-
und Substitutionsrecht ändernd ein, und jede St.
ist für alle Handlungen in ihrem Sprengel zu-
ständig, auch wenn die Verfolgung als ganzes
nicht in denselben fällt: GVG I 144. Bei Streit
entscheidet der Oberbeamte, zwischen mehreren
Bundesstaaten der Oberreichsanwalt.
Eine Rechtshilfepflicht (M innerhalb
der St. ist reichsrechtlich nicht geregelt; daher
muß zwischen den Staaten die Anweisung des
Justizministers aushelfen, innerhalb des Staates
ist staatsrechtliche Regelung möglich. Die Amts-
gerichte sind durch § 160 St P zur Rechtshilfe
nach Prüfung der rechtlichen Zulässigkeit ver-
pflichtet — die Polizei nach § 159 PO —, andere
öffentliche Behörden nur zur Auskunft, St PO #159.
— Amtsrichter und Untersuchungsrichter sind bei
Gefahr im Verzug vorläufig „Notstaatsanwälte“,
St PO s 163, 189.
5. Besondere Gestaltungen.
a) Für das Forst= und Feldstrafverfahren sind
landesrechtlich gemäß 8 3 ES z. St P die Funk-
tionen der St. teilweise Forstbeamten übertragen,
besonders in Bayern und Baden. Die Mitwir-
kung der St. ist nicht immer nötig.
b) Im Konsulargerichtswesen (NI ist die Auf-
gabe der St. dem Konsul selbst übertragen
(Kons GG v. 7. 4. 00 é ¾ 15, 55, 56). In den
Schutzgebieten [Mist gemäß Schutzgeb G 1886/1900
9l36, V betr. die Rechtsverhältnisse in den deut-
schen Schutzgebieten v. 9. 10. 00 5 bei Verbre-
chen und Vergehen die Mitwirkung einer St.
von der Hauptverhandlung ab vorgesehen. Die
St. werden aus den Beamten des Schutzgebiets
oder anderen geeigneten Personen genommen
und stehen unter Aufsicht und Leitung des sie
ernennenden Beamten.
c) In den Elbzoll- und Rheinschiff-
fahrtsgerichten #wirkt die St. des Ge-
richtes mit, das als solches Gericht landesrechtlich
bestimmt ist.
i4) Anderswo sind mehrfach Aufgaben der St.
besonderen Behörden übertragen: Beispiel im
Börsen G 1908 5. 74, Staats-Kommissar.
6#6. Die Aufgaben der Staatsanwaltschaft im
Strafprozeß. Jeder St. Beamte vertritt die
Behörde nach außen selbständig; seine Handlung
ist rechtsverbindlich trotz etwaiger Befehlswidrig-
keit. Nach innen ist die St. stark zentralisiert,
besonders in Preußen, während in Bayern,
einzelnen Beamten se
Sachsen, Bürttemberg, Baden und Hessen die
bständiger arbeiten.
I. Im Strafprozeß hat die St. wesentlich die
Strafverfolgung, Vorbereitung, Erhebung und
Vertretung der öffentlichen Klage als Partei;
sie hat keine richterlichen Zwangsrechte (Beschlag-
nahme . Durchsuchung oder Verhaftung ),
kein Eidesrecht, ihre Erhebungen haben nicht die
Beweiskraft richterlicher Erhebungen; sie wirkt
nicht bei Beratungen mit lentgegen früher!1.
II. Grundsätze hierfür:
1. Das Kagmonopol.: nur in Ausnahme-
fällen kann ein Privater klagen (Beleidigung,
Antrags-Körperverletzung, Urheberrechtsverlet-
zung, unlauterer Wettbewerb, — erweitert durch
Entw 1908/1911) oder eine Finanzbehörde, St O
# #414, 464. Die Polizei kann nie selbst klagen.
2. Die Legalität. Nach St PO l 152 ist
die St. „soweit nicht gesetzlich ein anderes bestimmt
ist, verpflichtet wegen aller gerichtlich strafbaren
und verfolgbaren Handlungen einzuschreiten,
sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vor-
liegen.“ Opportunitätserwägungen wegen Ge-
ringfügigkeit der Tat oder Person des Täters und
dergl. sind also ausgeschlossen, u. U. sogar strafbar
(StB 346), allerdings infolge des Befehls-
rechts des Min doch tatsächlich möglich, obwohl
die Legalität auch das Min bindet.' Immerhin muß
die St. die materiell- und prozeßrechtliche Durch-
führbarkeit, sowie die Beweiswahrscheinlichkeit
prüfen. — Dieser wichtige, viel umstrittene, we-
sentlich verwaltungsrechtliche Grundsatz ist zwar
notwendig, da das Strafrecht nicht nach politischem
und sozialem Gutdünken geübt werden darf, aber
er ist in St PO seit Entw III entgegen der früheren
Theorie und Praxis überspannt.
Ausnahmen gelten heute:
a) bei Privatklagedelikten St PO 5s 414,
b) bei Auslandstaten StGB K 4,
J) vielfach, aber nicht durchgängig im sog.
objektiven Verfahren, St PO §# 477,
ld) nach dem Entw Jugendgerichts G 1913 é 3,
wenn Erziehungs= und Besserungsmaßregeln einer
Bestrafung vorzuziehen sind, — ähnlich nach § 13.
Auch sah Entw 1908—1911 weitere ziemlich
äußerliche Beschränkungen vor.]
Die Legalität ist bei uns nicht — wie in Oester-
reich — durch sog. subsidiäre Privat= (oder Po-
pular-) Klage gesichert (Vorschlag Gneists), son-
dern sehr abgeschwächt und nicht ausreichend nur
durch die Beschwerde des verletzten Anzeigers
gegen die Einstellung an das Gericht, das dann
die Klage befehlen, aber nicht erzwingen kann,
St PO §# 170 ff.
3. Die Objektivität. Die St. muß
selbstverständlich auch die Entlastungsmomente auf-
suchen und beachten, StPO # 158 II; übertrie-
bene Gesetzeswächterschaft ist es, daß sie auch
selbständig zugunsten des Beschuldigten Rechts-
mittel einlegen kann, St PO 5+ 338 II.
III. Im einzelnen. Der St. liegt ob:
a) Die Vorbereitung der öffentlichen
Klage, das sog. Ermittlungsverfahren, womöglich
selbsttätig sowie mit Hilfe der Polizei und des
Amtsrichters. Hier ist die St. völlig Herrin des
Verfahrens, im Gegensatz zur gerichtlichen Vor-
untersuchung.
b) Freie Entschließung, ob das Verfahren
widerruflich! — einzustellen sei (Beschwerde