Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
  
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Staatsfinanzen 
  
und seitdem hat man die Tilgung dieser Schuld 
anz unterlassen. Erst neuerdings hat ein gewisser 
#omschwung eingesetzt, s. G, betr. Bildung eines 
Ausgleichs= und Tilgungsfonds der Eisenbahn- 
verwaltung, v. 13. 8. 10 (Schanz im Finrch 
29, 642 und 30, 638 ff über die bayerische Schulden- 
politik). — Bayern tilgte 1912 (Vierteljahrshefte 
der Reichsstatistik) nach dem Etat 1,18 Mk. pro 
Kopf und 0,360 der fundierten Staatsschuld. 
IV. Sachsen hat seit jeher schärfere Til- 
gungsgrundsätze zur Durchführung gebracht. Es 
tilgte 1912 nicht weniger wie 2,46 Mk. pro Kopf 
und 1,4°% der fundierten St. In Sachsen gilt für 
den größten Teil der St. Anleihen noch die plan- 
mäßige, vertragliche Tilgungspflicht gegenüber den 
Gläubigern. Nur für die seit 1876 geschaffene un- 
kündbare Rente, die etwa ½ der Gesamtschuld aus- 
macht, besteht kein Tilgungszwang, doch wird hier 
jährlich freiwillig ½% der Schuldsumme als Til- 
ngsbetrag in den Etat gesetzt. An Stelle des 
ückkaufs können bei hohem Kursstand der Rente 
verstärkte Tilgungen anderer St. treten. G v. 
8. 6. 10. 
V. Württemberg tilgte 1912 1,71 Mk. 
pro Kopf und 0,7% der fundierten Schuld. Auch 
Württemberg hatte, wie die anderen Staaten, ur- 
sprünglich seinen Tilgungsfonds (Statuten v. 
1816, 1817, 1820 und v. 22. 2. 37). Ein G v. 
4. 9. 53 bestimmte dagegen, daß für die Jahres- 
tilgungsquote nicht mehr der alte Tilgungsfonds, 
sondern die Summe der für die einzelnen Schul- 
den vertraglich vorgesehenen Tilgungsbeträge 
maßgebend sein sollte. Seit dem Jahre 1881 
(G v. 20. 3.) hörte man aber auf, für die ausge- 
gebenen Anleihen derartige vertragliche Tilgungen 
vorzusehen und begnügte sich mit der Festsetzung 
des Schlußtermins der Heimzahlung (1950). Seit 
1885 kehrte man aber auf Drängen des Landtags 
wieder zu der vertraglichen Tilgungspflicht zurück. 
Durch G v. 18. 5. 03 ist in Württemberg nach 
preuß. Vorbild die gesetzliche Tilgungspflicht ein- 
geführt (6% der Schuld am Anfange des Rech- 
nungsjahres und ½ etwaiger Rechnungsüber- 
schüsse. a 1 und 2). 
VI. In Baden, woman seit den 40er Jahren 
eine allgemeine und eine Eisenbahnschuld unter- 
scheidet, hat es immer nur gesetzlich oder vertrags- 
mäßig rückzahlbare Schulden gegeben (G v. 12. 2. 
56; ferner 10. 9. 42 — Eisenbahnschuldentilgungs- 
kasse). Die Tilgungsbeträge sind deshalb hier auch 
immer ziemlich hohe gewesen, wenngleich sie in 
der ersten Hälfte der 80er Jahre zum Teil nicht 
aus laufenden, sondern aus Anlcihemitteln ent- 
nommen werden mußten. — Baden tilgte 1912 
5,32 Mk. pro Kopf und 20% der fundierten Schuld. 
VII. Hessen tilgte 1912 nur 1,38 Mk. pro 
Kopf und 0,4% der fundierten Schuld. Das alte 
St. TilgungsG v. 29. 6. 1821 wurde hier durch 
Gv. 31. 3. 97 aufgehoben, welches in a 8 bestimmt, 
daß die zur Verzinsung und Tilgung der 
St. erforderlichen Mittel, soweit hierüber nicht in 
den einzelnen Anleihegesetzen oder durch beson- 
dere Vereinbarung mit den Ständen anderweitiges 
bestimmt wird, jeweilig im Hauptvoranschlag fest- 
gestellt und zu diesem Zwecke der Hauptstaatskasse 
(seit V v. 12. 9. 00 der St. Kasse) überwiesen wer- 
den. Neuerdings istldurch G v. 17. 7. 12 (Reg Bl 
440) für die bis zum 1. 4. 13 begebene Gesamt- 
  
zunehmende Eisenbahnschuld eine gesetzliche Til- 
gung aus den Reineinnahmen der Eisenbahnver- 
waltung eingeführt in Höhe von ½% des Nenn- 
betrags der Eisenbahnschuld und ½/% des Nenn- 
betrags der sonstigen Schulden nach dem jeweili- 
gen Stand zu Beginn des Etatjahres unter Hin- 
zurechnung der ersparten Zinsen. Die vom I. 4. 
13 zu anderen als Eisenbahnzwecken aufzuneh- 
menden Schulden werden aus bereiten Etats- 
mitteln aufgebracht und betragen 1°% für wer- 
bende und 2% für nicht werbende Schulden. 
VIII. In Elsaß---Lothringen beträgt 
die regelmäßige Schuldentilgung der (verhältnis- 
mäßig geringen) St. 1% (G v. 24. 3. 81 5 10; val. 
auch G v. 19. 6. O1). Für die Tilgung der Kanal- 
anleihe von 1892 sind sogar 4% vorgeschrieben 
(Gv. 26. 5. 92, 30. 3. 96, V v. 1I. 4. 96 u. 31. 3. 08). 
6#6. Mitwirkung der Organe der Gesetzgebung 
und Berwaltung. Nach deutschem Staatsrecht er- 
fordert jede Aufnahme von Staatsanlehen die 
Ermächtigung der gesetzgebenden Faktoren des 
Staates: BRund KT, Regierung und Landtag; 
in den freien Städten: Senat und Bürgerschaft. 
1. Preußen (über das Reich s. § 8). a 103 
der Vu v. 31. 1. 50 bestimmt: „Die Aufnahme 
von Anleihen für die Staatskasse findet nur auf 
Grund eines Gesetzes statt. Dasselbe gilt von der 
Uebernahme von Garantien zu Lasten des Staa- 
tes.“ Da a 103 Vl auf den Weg der formellen 
Gesetzgebung verweist, ist die Aufnahme von 
Staatsanlehen durch eine außerordentliche Ver- 
ordnung (Notverordnung) ausgeschlossen. Be- 
merkenswert ist, daß die preußischen Anleihen in 
der Regel nur durch die Rechnung, nicht durch den 
Etat gehen (5 2 Ziff. 3 des Kompt.G v. 1898). 
2. Bayern. Tit. VII 88 11—13 der Vu 
(1818) bestimmt: Zu jeder neuen St., wodurch 
die zur Zeit bestehende Schuldenmasse im Kapital- 
betrage oder in der jährlichen Verzinsung ver- 
größert wird, ist die Zustimmung der Stände er- 
forderlich.. Den Ständen wird der Schul- 
dentilgungsplan vorgelegt; ohne ihre Zustim- 
mung kann an dem Plane nichts geändert wer- 
den. Eine weitere Regelung des St. Wesens 
bezweckten die G v. 22. 7. 1819, 11. 9. 1825, 
28. 12. 31, endlich v. 25. 7. 50, wodurch die 
Einheitlichkeit der St. in dem Sinne, daß sie „auf 
allen Kreisen" des Königreichs „gleich haften“, 
allmählich durchgeführt wurde. Neben der „All- 
gemeinen Schuld“ existiert aber eine allerdings 
auch auf dem ganzen Lande ruhende Eisenbahn- 
schuld, ferner eine Grundrentenablösungs= und 
eine Landeskulturrentenschuld. In Bayern be- 
steht im Gegensatz zu Preußen bei außerordentli- 
chen Fällen das Notanleiherecht (Tit. VII 5 15 
der Vl; vglI. Seydel, Bayer. Staatsrecht). 
3. Sachsen. Zustimmung der Ständekam- 
mern ist nötig zur Aufnahme von Anleihen, miit 
Ausnahme des Notbedarfs, und nachträglich auch 
zu Notanleihen. 
4. Württemberg. Das revidierte St.= 
Statut v. 22. 2. 37 bezeichnet als St. diejenigen 
Passivkapitalien, welche ein erworbenes Recht auf 
die St. Zahlungskasse haben oder durch gemein- 
schaftliche Verabschiedung zwischen Regierung und 
Ständen auf die Staatskasse übernommen wer- 
den. Hiermit ist ausgesprochen, daß ohne Mit- 
wirkung der Stände keine Anleihe ausgenommen 
  
schuld und für die von diesem Tage an neu auf= werden kann, was auch bezüglich der Aufnahme
	        
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