Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
(III. Staatshaushalt) 
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heit des Etats in den deutschen Staats- 
haushalten aber noch nicht überall durch- 
geführt. Gegenwärtig werden mehrfach noch 
sog. Sonderetats für besondere Zwecke 
neben dem Hauptetat geführt. Im letzteren 
erscheinen dann etwa nur einzelne Einnahme- 
und Ausgabeposten aus den oder für die Sonder- 
etats oder nur die Ueberschüsse und Defizite der- 
selben, oder diese Etats stehen völlig getrennt 
neben dem Hauptetat, mit eigener Vermögens- 
vermehrung aus Ueberschüssen und Vermögens- 
verminderung aus Defiziten. 
Solche Einrichtungen hat man z. B. in Fällen ge- 
troffen, wo man aus besonderen Gründen gewisse Fonds 
mit ihrem VBermögen, ihren Einnahmen und Ausgaben ge- 
trennt vom allgemeinen Staatsfiskus halten wollte. Wich- 
tige Beispiele sind die Staatsschuldentilgungskassen, die 
in einigen Staaten bestehenden Sonderetats für die Staats- 
eisenbahnen, besonders für die Bauverwaltung (im Unter- 
schied von der zum Hauptetat gestellten Betriebsverwal- 
tung) und für die Eisenbahnschuld. In einzelnen Fällen 
bestehen auch für gewisse Staatsgewerbe (Bergwerke, 
Fabriken) Sonderetats, die nur mit ihrem Ueberschuß 
oder Defizit im Hauptetat erscheinen. Haben die Staats- 
institute besondere juristische Perfsönlichkeit, 
wie z. B. die Reichsbank I71, die preußische Seehand- 
lung I71, Universitäten 171, so ist es keine Durchbrechung 
des Prinzips der Etatseinheit, wenn nur die Ueberschüsse 
oder Zuschüsse im Etat erscheinen, da nur die letzteren 
Staats einnahmen bezw. zausgaben sind. Ferner sind 
in verschiedenen Staaten für besondere vorüber- 
gehende Aufgaben Spezialfonds geschaffen worden, 
für welche dann zeitweise Spezialetats geführt werden, 
5. B. für Abwickelung von Kriegskosten, für Durchführung 
von Reformen auf einem Verw Gebiete, zu Besoldungs- 
verbesserungen usw. Beispiele aus der Praxis waren bezw. 
sind noch: im Deutschen Reiche die aus der französischen 
Kriegsentschädigung gebildeten Fonds (Reichs-Invaliden-, 
Reichs-Festungsbaufonds usw.), in Baden das Budget der 
ausgeschiedenen Berw Zweige (die Verkehrsanstalten mit 
der Eisenbahnbau= und Eisenbahn-Schuldentilgungskasse 
umfassend) und die Grundstocksverwaltung, in Bayern 
der Fonds der Staatsschuldentilgungsanstalt und die Grund- 
rentenablösungskasse usw. 
Einheitliche Etats haben heute: Reich, 
Preußen, Bayern, Hessen, Anhalt, beide Schwarz- 
burg, Waldeck, die beiden Reuß, Schaumburg- 
Lippe, Lippe, Elsaß-Lothringen (ohne Budget: 
Mecklenburg--Schwerin und Mecklenburg-Strelitz). 
Mehr als einen Etat haben: Sach- 
sen, Württemberg, Baden, Großherzogtum Sach- 
sen, Oldenburg, Braunschweig, Sachsen-Meinin- 
en, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Koburg-Gotha, 
Übeck, Bremen, Hamburg. 
Die lleineren Staaten haben 2, 3, 4 (Braun- 
*8 5 (Koburg-Gotha) und 9 Etats (Olden- 
urg). 
III. In der älteren Zeit waren alle Budgets 
Nettobudgets. Man betrachtete den St. 
wie einen großen, aus mehreren Geschäftsführun- 
gen bestehenden Privathaushalt, in welchen jede 
Geschäftsführung nur die erübrigten Ueber- 
schüsse zur Bestreitung des Gesamtaufwandes 
abliefert. In einzelnen Mittelstaaten ist das Netto- 
budget noch ganz oder teilweise in Uebung (z. B. 
Sachsen). Ueber das Reich s. u. 5 3. Da dieses 
System keine genaue Einsicht in die gesamte 
Finanzgebarung gewährt, auch den Einfluß der 
  
Volksvertretung beschränkt, so kam allmählich, na- 
mentlich in den großen Staaten, die Praxis auf, 
daß die Gesamt einnahmen und -Ausgaben in 
dem Etat darzustellen seien und die Ausgaben auch 
die Kosten der Erhebung der Einnahmen und der 
Verwaltung der Einnahmezweige zu umfassen 
haben. Gegenwärtig sind die Staatsbudgets über- 
wiegend Bruttoetats. Daneben werden 
stellenweise (z. B. Preußen unten 8 4) noch ge- 
wisse kurze Nettoübersichten dem Bruttoetat bei- 
gegeben (vgl. O. Schwarz, Form. Fin. Verw. 
S. ff. 7 
IV. Die Vorbereitung und Einrrich- 
tung des Staatsbudgets ist Sache 
der Finanzverwaltung [II, unter entsprechen- 
der Mitwirkung der einzelnen Verwzweige (Res- 
sortminister). Die Vorbereitung beginnt zweck- 
mäßig einige Monate vor dem neuen Fi- 
nanzjahr (bald das Kalenderjahr mit dem 
1. Januar, bald das Rechnungsjahr mit dem 1. 
April als Anfangstermin). In den größeren Staa- 
ten ist die einjährige Finanzperiode Praxis 
geworden. Längere als einjährige Finanzperioden 
haben das Mißliche, daß wegen geänderter Ver- 
hältnisse die Innehaltung des Budgets schwerer, 
die Notwendigkeit von Nachtragsetats größer wird. 
Aber sie bieten auch Gelegenheit zu einer sorgfäl- 
tigeren Vorbereitung und besseren parlamentari- 
schen Beratung des Etats und bringen eine größere 
Stabilität in die Finanzverhältnisse und dadurch 
in die gesamte Verwaltung (unten 371). Mehr- 
jährige Finanzperioden finden sich in Deutsch- 
land noch in der Mehrzahl der Staaten: Bayern, 
Sachsen, Württemberg, Baden, Braunschweig, 
Sachsen-Koburg-Gotha haben 2jährige, S.-Wei- 
mar, Altenburg, Meiningen, Schwarzburg-Rudol- 
stadt, Waldeck, die beiden Reuß 3jährige, Schwarz- 
burg-Sondershausen 4 jährige Finanzperiode. 
5#2. Form und „Filiation“ des Budgets. Je- 
des Staatsbudget enthält eine summarische Ueber- 
sicht der voraussichtlichen Staatseinnahmen und 
der Staatsausgaben für die bestimmte Finanz- 
periode, nach Maßgabe der auf die Ergebnisse der 
vorhergehenden Jahre gegründeten Erfahrungen. 
Nach der inneren Form zerfällt das Budget in 
horizontaler Hinsicht in die Hauptab- 
teilungen oder Ruvi#uken (Abschnitte, Sek- 
tionen), während in vertikaler Richtung zu 
unterscheiden sind: Kapitel, Titel, Paragraphen, 
Gegenstand des Etatspostens, Summe des Etats- 
postens, Bemerkungen, usw. 
Aus der Notwendigkeit des Anschlusses der Etati- 
sierung an die organischen Einrichtungen der Ver- 
waltung ergibt sich, daß für jeden abge- 
schlossenen VerwZweig ein beson- 
derer Etat (Einzel- oder Spezialetat) aufge- 
stellt wird, welcher, die in diesem Verw Zweige ver- 
einigten Gegenstände zusammenfassend, im Ge- 
samtbudget eine Abteilung mit einem oder meh- 
reren Kapiteln bildet. Aus der gegenscitigen 
Beeinflussung dieser Einzeletats ergibt sich, 
daß die Etatisierung zunächst mit Aufstellung der 
Einzeletats zu beginnen hat und sodann durch 
deren Zusammensetzung stufenweise bis zur Auf- 
stellung des gesamten Staatsbudgets vorschreitet. 
Diese Einzel- oder Spezialetats sind gewisser- 
maßen Teile des Hauptetats und daher we- 
sentlich verschieden von den in §& 1 unter II be- 
handelten Sonderetats. 
31“
	        
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