Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
484. 
Staatsfinanzen 
  
Jeder Etat hat 2 Hauptabschnitte: das Ein- 
nahme- und Ausgabebudget. Gewöhnlich 
sind die einzelnen Abteilungen nach Ministerialres- 
sorts geschieden und enthalten so viel Spezialetats, 
als es Elementarverwaltungen gibt (z. B. hat das 
Finanz Min in Preußen 4 Spezialetats — Allg. 
Finanzverwaltung, Finanz Min, direkte Steuern 
indirekte Steuern). Die Einteilung des Einnah- 
mebudgets richtet sich nach der Verschieden- 
heit der Quellen der Einnahmen, getrennt nach 
ordentlichen (Ertrag aus Domänen, Gebühren, 
Steuern usw.) und einmaligen und außerordent- 
lichen Einnahmen (Erlös aus Veräußerungen von 
Staatseigentum, Anleihen usw.). — Der Inhalt 
des Ausgabebudgets zerfällt mit Rücksicht 
auf die Zwecke der Ausgaben in Betriebs- und 
Erhebungskosten, Tilgung und Verzinsung der 
Staatsschuld, Pensionen, Bedürfnisse der einzelnen 
Ministerialressorts usw.; wobei auch hier ordent- 
liche laufende und einmalige sowie außerordent- 
liche Ausgaben unterschieden zu werden pflegen. 
Manche Staaten, z. B. Reich, Bayern, Baden, 
Hamburg (aber nicht z. B. Preußen, Hessen, auch 
Sachsen nicht regelmäßig) haben einen beson- 
deren außerordentlichen Etat, der 
nur die außerordentlichen Einnahmen und Aus- 
gaben Htbält. (Vgl. O. Schwarz, Form Fin Verw, 
8 3. Der Meichsetat. Die Reichsverfassung 
enthält über die Form keine Bestimmungen; die 
übliche Form des Budgets beruht lediglich auf 
der Praxis. Der Reichshaushaltsetat besteht aus 
zwei Hauptabteilungen: Ausgabe und Einnahme. 
Der Einnahmeetat ist ein Bruttoetat, 
wenn auch die Einkünfte aus Zöllen und Ver- 
brauchssteuern, Stempelsteuern usw. nur mit dem- 
jenigen Betrag angesetzt werden, welcher der 
Rcichskasse nach Abzug der den Einzelstaaten für 
deren Erhebung und Verwaltung zu leistenden 
Vergütungen als Reineinnahme bleibt. Außer den 
Abschnitten: Einnahmen aus Zöllen # und Ver- 
brauchssteuern, Stempelsteuern J (neuerdings Erb- 
schaftssteuern] und Besitzsteuern, Wehrbeitrags) 
enthält das Einnahmebudget besondere Abschnitte 
für Post-, Telegraphen= und Eisenbahnverwal- 
tung, Einnahmen aus dem Bankwesen, Münz- 
wesen, Zinsen. In einem besonderen Abschnitte 
sind die außerordentlichen Zuschüsse aus speziellen 
Fonds des Reichs aufgeführt, sowie die Matri- 
kularbeiträge mit dem anschlagsmäßigen Netto- 
betrage, den jeder Bundesstaat zu zahlen hat. 
Die Ausgaben und Einnahmen sind in den ein- 
zelnen Abschnitten in Kapitel und Titel (im 
Schutzgebietsetat kommen auch noch sog. „Po- 
sitionen“ vor, s. darüber O. Schwarz, Form Fin- 
Verw, S 72, 73) zusammengefaßt. 
Der Ausgabeetat des Reiches zerfällt 
in 2 Teile: a) fortdauernde Ausgaben, b) ein- 
malige Ausgaben, und letztere wieder (seit 1889) 
in einmalige Ausgaben des ordentlichen und des 
außerordentlichen Etats. 
Was den Svezial-Etat der Verwaltung des 
Reichsheeres betrifft, so ist der Geldbetrag für 
das bayerische Kontingent im Reichsbudget in 
einer Pausch-Summet) ausgeworfen, während 
  
  
1) In dem neuerdings eingerichteten Spesrialetat der 
  
dessen Verausgabung im Einzelnen durch von 
Bayern aufgestellte Spezialetats geregelt wird. 
Für die übrigen Kontingente steht die Aufstel- 
lung der Spezialetats dem Reiche zu, und bei den 
Staaten mit eigener Militärverwaltung (Preußen, 
Sachsen, Württemberg) werden im Reichshaus- 
halte die Ausgaben bei den einzelnen Titeln in 
vertikalen Parallelkolonnen aufgeführt. 
Das Reichshaushaltsetatgesetz enthält das Etats- 
gesetz selbst und den dadurch festgestellten, dem 
Gesetze als Anlage beigefügten Reichshaushalts- 
etat. 
Eine besondere Beilage zum Reichshaushalts- 
etat bildet der Besoldungs= und Pensionsetat des 
Reichsbankdirektoriums. 
Das Etatsjahr beginnt am 1. April und 
schließt mit dem 31. März jeden Jahres (Rö v. 
26. 2. 76). 
§s 4. Der preußische Stat. Auch über dessen 
Form fehlen gesetzliche Bestimmungen. Nach dem 
Bruttosystem werden alle Einnahmen und 
ebenso die Ausgaben im vollen Betrage nachge- 
wiesen. Im Budget nicht berücksichtigte außeror- 
dentliche Einnahmen werden jederzeit der General= 
staatskasse als Einnahmen, über welche seitens der 
einzelnen Verwaltungen nicht disponiert werden 
darf, zugeführt; nach dem Grundsatze, daß keine 
Verwaltung über Staatsmittel verfügen darf, 
die ihr nicht durch den Etat überwiesen worden 
sind (Zentralisation aller Einnahmen 5& 16 des 
Kompt G.). Die Einrichtung des Budgets ist eine 
solche, daß den (Brutto)-Einnahmen bei den 
Ausgaben die Erhebungs= und Verwaltungskosten 
sowie die Betriebskosten gegenübergestellt wer- 
den, woraus sich die Nettoerträgnisse leicht ab- 
leiten lassen. Neuerdings ist (seit 1897) die Ein- 
richtung getroffen, daß dem Hauptetat noch ein 
sog. Nettoetat vorgedruckt wird, welcher das 
wirkliche Reinergebnis der Hauptverwaltungs- 
zweige angibt, allerdings nur in den großen Ab- 
schlußzahlen (auf 2 Seiten). 
Die Etatsentwürfe zerfallen in die Abschnitte: 
„Einnahme“ und „Ausgabe“, die letzteren in die 
Unterabschnitte: „dauernde Ausgaben“ und „Ein- 
malige und außerordentliche Ausgaben“, wor- 
unter aber nicht aus Anleihen zu deckende Aus- 
gaben zu verstehen sind, die in der Regel über- 
haupt nicht im Etat, sondern nur in der Rechnung 
erscheinen (vgl. Schwarz, Form Fin Verw, 11, 22). 
Die Einnahmen und Ausgaben sind nach den 
einzelnen Verw Ministerien gesondert aufgeführt, 
bei den dauernden Ausgaben sind hierbei wieder- 
um voneinander gesondert: a) Betriebs-, Erhe- 
bungs- und Verw Kosten der einzelnen Einnahme- 
zweige, b) Dotationen (d. i. Zuschuß zur Kron. 
fideikommißrente, Staatsschuld und Ausgaben für 
beide Häuser des Landtags) und allgemeine Fi- 
nanzverwaltung (Beiträge zu den Ausgaben des 
Deutschen Reichs, Apanagen, Renten, Abfin- 
dungen, Zuschüsse usw.), c) Verwaltungs-Aus- 
gaben. 
Außerdem sind diesem zur Grundlage des St.= 
Etats dienenden Hauptfinanzetat in 2 Bänden 
Anlagen die Spezial-Etats der einzelnen Zentral- 
behörden und der von diesen ressortierenden ein- 
zelnen Verwaltungen und Institute nebst um- 
fassenden, neuerdings etwas eingeschränkten An- 
Allaem Fin Berw. Naheres darüber in „Verwaltung und lagen und Erläuterungen beigegeben. 
Statistik“ Avrilheft 1912 S 90. 
Etatsjahr: vom I. April bis 31. März.
	        
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