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Staatsfinanzen
3. In Württemberg legt nach Vu zz 111,
112 und nach 8 181 in der neuen Fassung vom
16. 7. 06 der Fin Min den Hauptetat zuerst der
Zweiten Kammer vor. Die Erste Kammer kann
Abänderungen vornehmen, doch beschließt dann
die Zweite Kammer endgültig. Lehnt dann die
Erste Kammer den Etat im ganzen ab, so wer-
den die Stimmen beider Kammern durchgezählt,
und wird darnach die Mehrheit bestimmt. Bei
Anleihegenehmigung sind beide Kammern gleich-
berechtigt.
4. Aehnliche Rechte wie in Bayern haben die
Landstände im Königreich Sachsen (5s 98, 100
Vu). Bei Differenzen der beiden Kammern
siehe § 131 Vu.
5. Auch in Baden liegt das Schwergewicht der
ständischen Mitwirkung in der Steuerbewilligung,
der Voranschlag für die übrigen Einnahmen und
die Ausgaben ist nur Motiv für die Steuerforde-
rung. Bei Verzögerung des Finanzgesetzes dürfen
die alten Abgaben noch 6 Monate forterhoben
werden (§ 62 Vl). S. auch den jeweiligen a 13
des FinanzG. Ohne Finanzgesetz dürfen keine
Steuern erhoben werden.
6. In Hessenl# wird nach G v. 3. 6. 11 das
Finanzgesetz alljährlich erlassen und zuerst der
2. Kammer vorgelegt. Es finden dann gleich-
zeitige Verhandlungen in beiden Kammern statt,
ehe die 1. Kammer sich zu entscheiden hat, ob
sie das Finanzgesetz in der Form wie es die
2. Kammer verabschieden will, en bloo annehmen
will oder nicht. Verweigert sie dies, so findet
Plenarsitzung beider Kammern statt, wobei absolute
Stimmenmehrheit entscheidet. Bei Anleihen über
200 000 Mk. muß in der Regel eine besondere
Gesetzesvorlage gemacht werden. Das Finanzge-
setz enthält nur die Festsetzung der Höhe der
Steuern, die Statuierung der Erhebung gewisser
indirekter Steuern und den Satz: Sämtliche
Staatsausgaben sollen auf die verschiedenen Verw-
Zweige so verwendet werden, wie die Bedürf-
nisse von den Ständen bewilligt worden sind.
III. In Elsaß-Lothringen ist jetzt maß-
gebend §& 5 des R über die Verfassung Elsaß-
Lothringens vom 31. 5. 1911 (RGl 225). Auch
hier geht der Etat zuerst an die Zweite Kam-
mer und wird von der Ersten Kammer im ganzen
angenommen oder abgelehnt. Steuern und Ab-
gaben müssen durch Etat oder Gesetz angeordnet
werden. (Besonderheit: 95, Abs 4, Satz 2 a. a. O.)
§5 7. Das Staatebudget als Norm für die Ver-
waltung. Komptabilitätsgesetz.
I. Der Etat ist kein Organisationsgesetz, nur
ein Wirtschaftsplan in Gesetzesform.
Er setzt also eine gesetzlich feststehende Organi-
sation als Grundlage voraus. Das Budget bildet
den Kredit der Regierung, worüber diese nach
den budgetmäßigen Normen verfügen kann. So
ergeben sich die Kredite für bestimmte größere
Zwecke (stellenweise zu Unrecht „Dotationen" ge-
nannt) und die Spezialkredite der einzelnen Mini-
sterien usw., über welche diese nach dem Etat,
unter Verantwortlichkeit des betr. Min, verfü-
gen, weiter die Kredite der einzelnen Verw Zweige
usw. Die Votierung des Budgets ist in den
neucren Verf Staaten immer mehr eine spezielle
geworden, bis auf Rapitel, Titel usw. Die beson-
dere Votierung eines Titels durch die Volksver-
tretung hat zur Folge, daß der festgestellte Betrag
nicht mehr einseitig von der Regierung abgeändert
werden kann. Um eine aus dieser eingehenden
Spezialisierung leicht folgende allzugroße Be-
schränkung der Regierung bei der in stetem Fluß
begriffenen Gestaltung der Verhältnisse zu ver-
meiden, ist man vielfach dazu übergegangen, für
gewisse Verwaltungszweige Pauschsummen zu ge-
währen, auch Uebertragungen (virements)
bei einzelnen Titeln innerhalb eines Spezialetats
u gestatten, was dann unter den Titeln be-
sonders bemerkt werden muß.
Neben diesem Rechte sachlicher Uebertragung
der Fonds kommt auch eine zeitliche Ueber-
tragung öfters vor. In Preußen und im
Reiche sind die einzelnen Fonds allerdings im
allgemeinen zeitlich nicht ins nächste Jahr
Übertragbar. Eine Ausnahme machen nur die
Baufonds, meist auch die Fonds des Extraordi-
nariums, sowie solche Fonds, bei denen die Ueber-
tragbarkeit in die folgenden Jahre ausdrück-
lich im Etat zugelassen ist. (Aehnlich Sach-
sen nach G v. 1904 SK 8 und 9).
In den Staaten mit mehrjähriger
Finanzperiode (oben & 1 IV) wird aber
die freiere Geschäftsführung der Regierung sehr
dadurch erleichtert, daß in der Regel Ausgaben
oder die Verwendung von Einnahmen von einem
Jahre derselben Periode zeitlich in das andere
ohne weitere Ermächtigung übertragen werden
können. Nur darf hierbei die für die gesamte Fi-
nanzperiode ausgesetzte Summe nicht überschritten
werden, und eine solche Uebertragung nicht von dem
letzten Jahre einer Finanzperiode auf das erste Jahr
der neuen erfolgen. In Bayern und Sach-
sen ist man hierbei unbeschränkter, während in
Württemberg und Baden eine größere
Reserve herrscht. In Hessen bestimmt a 4 G
v. 14. 6. 79: Die im voraus nach Art, Größe
und Zeit bestimmten Ausgaben sind von einer
Finanzperiode in die andere nicht übertragbar.
Dagegen können die für bauliche Zwecke und
für einmalige Ausgaben bewilligten Fonds sowie
nach besonderer durch den Hauptvoranschlag ge-
troffener Bestimmung übertragbaren Fonds,
sofern sie innerhalb derselben Finanzperiode gar
nicht oder nur teilweise zur Verwendung gelangen,
ganz oder zum Teil in das Rechnungswesen der
folgenden Finanzperiode übertragen werden. Er-
leidet ihre Verwendung eine weitere Verzögerung,
so sind sie in eine spätere Finanzperiode nur dann
zu übertragen, wenn hierzu die Zustimmung der
Stände ausdrücklich erfolgt ist.
II. Die zahlreichen, sonstigen bei Ausfüh-
rung eines Budgets in Betracht kommen-
den Fragen sind teils öffentlich-rechtlicher und
politischer, teils finanzwirtschaftlicher Natur und
beziehen sich auf das Zahlungs-, Rechnungs= und
Buchhaltungswesen, auf die Kontrolle, die Abwei-
chungen zwischen Voranschlag und Rechnung, auf
den Abschluß früherer Jahre und die endgültige Re-
gelung der Abschlußergebnisse durch nachträgliche
Genehmigung usw. Hierüber enthalten die Vl
nur spärliche Vorschriften, die einzelnen Grundsätze
finden sich in Gesetzen, Instruktionen, Erlassen
der Behörden usw. Für das Reich suchte 1874/75
die Reichsregierung die Lücke durch Vorlage
eines Gesetzentwurfes „über die Verwaltung der
Einnahmen und Ausgaben des Reichs“ auszu-
füllen. Eine Nachbildung des leider gescheiterten