Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

Staatsverträge 
  
tretung); bei den andern nur um eine Zusammen- 
fassung übereinstimmender Einzelrechtsverhält- 
nisse. Gesteigertes Kollektivinteresse führt zu 
„Unionen“" der Staaten mit besonderen Gemein- 
schaftsorganen [ Verwaltungsgemeinschaften]. 
Die Richtung geht ersichtlich auf Kollektivver- 
träge, sei es nach der Zahl der Teilnehmer schon 
bei Abschluß oder infolge späteren Beitritts. 
Häufig ist solcher Beitritt von vornherein in Aus- 
sicht genommen, der Vertrag ist „offen“ (con- 
vention ouverte uu%a fermée), bald schlecht- 
hin oft binnen bemessener Frist, bald nur in be- 
schränktem Maße, etwa für solche Staaten, die 
an den Vorverhandlungen bereits teilgenommen 
hatten (z. B. a 10 Haager Abk. zur Regelung 
des Geltungsbereichs der Gesetze auf dem Gebiete 
der Eheschließung v. 12. 6. 02). Die Teilnahme 
an einem Kollektivvertrage schließt für die Regel 
ihm nicht entgegenstehende Sonderverträ- 
ge zwischen einzelnen Kontrahenten nicht aus 
(z. B. a 20 Berner Uebereinkunft zum Schutze 
von Werken der Literatur und Kunst v. 13. 11. 08) 
oder „engere Vereine“ (z. B. nach dem 
Weltpostvertrage). 
IV. Nach dem räumlichen Bereiche 
lassen sich heut StV unterscheiden, die lediglich 
das Mutterland betreffen oder auch die 
Kolonien einschließen oder die lediglich für 
die Kolonien bestimmt sind (vgl. unten § 4). Das 
kommt in entsprechender Weise für den Beitritt 
in Frage (z. B. der neue Abs. 4 von a 16 des 
Funkentelegraphen Vt3 v. 5. 7. 12). 
V. Unterscheidungen aus der Form unten #31I. 
# 3. Der Abschluß den Staatsvertrages (Ver- 
tretung, Form, Sprache, Ratifikation). 
I. Vertragsteil ist der Staat (Signatarstaat), 
vertreten durch das hierzu befugte staatliche Or- 
gan. Ueber die Befugnis bestimmt das eigene 
staatliche Recht. Nach der Entwicklung, die dieses 
unter der Einwirkung der konstitutionellen Doktrin 
genommen hat, spricht eine Vermutung dafür, 
daß dem Inhaber der vollziehenden Gewalt die 
Vertretungsmacht zukäme; englisch-amerikanische 
Rechtssprache redet geradezu von seiner treaty 
making power. In den deutschen monarchischen 
Einzelstaaten ist es der Landesherr, im Reiche 
allerdings nicht der Bundesrat, sondern der Raiser. 
Ein Verhandeln und Ausfertigen von St V durch 
diese Gewaltenträger ist aber außer Uebung ge- 
kommen (späte Fälle: die heilige Allianz, Friede 
von Villafranca). Praktisch wird ein Vertreter 
des Auswärtigen Dienstes ermächtigt, der Minister, 
ein Gesandter (auch ad hoc), dem u. U. weitere 
Bevollmächtigte aus den Sachkundigen des be- 
troffenen Verw Zweiges mit verschieden begrenz- 
tem Umfange der Vertretungsmacht beigegeben 
sind. Die Vollmachten teilen sich die Unterhändler 
gegenseitig zur Prüfung mit. In der Sache rich- 
tet sich ihr Verhalten nach der ihnen erteilten 
Anweisung (Instruktion); widerrechtliches Mit- 
teilen oder vorsätzliches Zuwiderhandeln steht 
unter der Strafdrohung des § 353 a St B. 
Ueber den Beitritt anderer Staaten vgl. oben 
5J 2III. Die Unterscheidung zwischen „Akzession“ 
(Eintritt als Hauptpartei) und „Adhäsion" (Bei- 
tritt nur für Einzelpunkte) ist praktisch belanglos. 
Eine Uebertragung der Abschluß- 
befugnis ist anerkannt (Form häufig Noten- 
wechsel; vgl. II). Nach gemeinem Völkerrecht be- 
  
  
— – — — 
steht sie für den Truppenbefehlshaber bei Kriegs- 
verträgen geringerer Bedeutung (Waffenruhe, 
Auswechslung von Gefangenen); nach besonderer, 
unter Umständen gesetzlicher, Ermächtigung bei ein- 
zelnen VerwAbkommen, z. B. für den Reichskanz- 
ler mit Zustimmung des BR nach § 157 Reichs- 
versicherungsordnung; in Sachsen weitgehende 
Ermächtigung für die einzelnen Ministerien (O. 
Mayer 187). Auch die Vertretung eines Staates 
durch einen andern ist mitunter am Platze; vgl. 
unten # 4 (Eisenbahnverträge); eingeschränkt ist 
diese Möglichkeit z. B. beim Weltpostvertrage. 
Die Vorbereitung der Unterhandlungen 
liegt bei den an dem Gegenstande beteiligten 
Ministerien, letztlich bei dem des Auswärtigen (l. 
Die Beschaffung des Stoffs und nicht selten An- 
regung wie Antrieb für den Abschluß der St B 
liegt in nicht unbeträchtlichem Maße bei den pri- 
vaten Interessenten, die sich durch Zusammen- 
schluß in Vereinigungen den Einfluß sichern und 
bald mehr, bald weniger auch amtlich als ein 
Beirat gewürdigt werden, z. B. der wirtsch. Aus- 
schuß [J Handelsverträge), für den Seeverkehr 
(comité maritime international), für den Arbeiter- 
schutz [J Arbeiter Band 11, Friedensgesellschaften 
oder interparlamentarische Konferenzen — in vor- 
derer Reihe die großen Vereinigungen für die 
Fortbildung des internationalen Rechts (IUnstitut 
de droit international seit 1873, International 
law association seit 1873, denen sich Gesellschaften 
mit territorialem Wirkungskreise, namentlich für 
Amerika, anreihen). 
Zuweilen läßt sich diese Stufenfolge beobachten: 
Verhandlungen der privaten Interessenten; Teil- 
nahme von Vertretern der Behörden an den 
Verhandlungen; technische Konferenz von Ver- 
tretern der Staaten zur Vorbereitung; diploma- 
tische Konferenz zur Abfassung des Vertrages. 
1I. Ausdrucksmittel ist heut die 
Schriftform. Ein stillschweigendes Abkom- 
men würde zwar nicht der Wirkung entbehren, 
man wird heut aber kaum in andern Fällen als 
bei einer Verlängerung des StV oder bei einem 
Uebergange des Vertrages auf den staatlichen 
Rechtsnachfolger von einer Formulierung ab- 
sehen. Eine mündliche Vereinbarung wäre nicht 
unwirksam; praktisch aber nur als Provisorium. 
1. Seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts 
bedient man sich an Stelle des Latein der fran- 
zösischen Sprache, indes nicht ohne Wider- 
spruch oder Vorbehalt (a 120 Wiener Kongreßakte, 
doch schon Rastatter Friede 1714, Sep Art 2). In 
der Levante herrschte noch während des 18. Jahr- 
hunderts das Italienisch (vgl. den noch gültigen 
Freundschaftsvertrag zwischen Preußen und der 
Türkei von 1761), im Verkehre mit ostasiatischen 
Staaten überwiegt das Englisch. Grundsätzlich be- 
dienen sich jedoch in der Gegenwart die Staaten der 
eigenen Landessprache, so daß bei Verschiedenheit 
der Landessprachen der Vertrag in mehrfachem 
Texte ausgefertigt wird. Um hiermit verbundene 
Schwierigkeiten für die Auslegung wegzuräumen, 
hat man gelegentlich auch schon einen Zwischentert 
mit einer dritten Sprache als den im Zweifel maß- 
gebenden Wortlaut aufsgestellt. Ein bloß fran- 
zösischer Text wird aus begreiflichem Grunde 
dann vermieden, wo für den Gegenkontrahenten 
Französisch die Landessprache ist. (Der Frankfurter 
Friede 1871 ist jedoch bloß französisch abgefaßt.)
	        
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