Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

Staatsverträge 
  
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in den Freundschaftsvertrag Preußens mit der 
Türkei v. 22. 3. 1761 (1890); in den Handels- 
vertrag der Hansestädte mit Zanzibar (1859, 1869, 
1871 durch Notenwechsel; Nachr. f. Handel und 
Industrie 1911, Nr. 78). Indessen ist dies keines- 
wegs durchweg geschehen (vgl. z. B. die Zusatz- 
konvention zum Frankfurter Frieden v. 11. 12. 71 
à 18). Das Reich tritt also nicht ohne weiteres 
in Verträge der Einzelstaaten ein. Doch kann der 
Eintritt auch stillschweigend erfolgen (wie es z. B. 
für die Genfer Konvention geschehen ist), wobei 
es der unzweideutigen Billigung seitens des 
andern Vertragsstaates bedarf. Die Frage ist 
1913 bei der Aufstellung eines neuen Zolltarifs 
in den V. St. v. Amerika praktisch geworden; 
man wird mit der deutschen Regierung annehmen 
müssen, daß das Reich ohne Widerspruch der 
V. St. bis dahin nach den Abmachungen aus 
dem St V mit Preußen v. 1. 5. 1828 ( Handels- 
verträge Band II, 362] verfahren war. 
Zum letzten Punkte Fürst Bismarck im Reichstage 
10. 2. 85 (StBer 1198), Frhr. v. Marschall 15. 2. 94, 3. ö. 97 
(St#er 122, 5706), Graf Posadowsky 15. 1. 03, 23. 2. 06. 
3. Verträge für Elsaß-Lothringen 
sind Reichsverträge (bes. über Rheinschiffahrt und 
Fischerei, aber auch Uebernahme Ausgewiesener 
mit Oesterreich). Diese Erkenntuis wird durch 
ihre der der Einzelstaaten entsprechende Form, 
die sich wie von selbst einstellt, verwischt. 
III. Die deutschen Kolonien werden als 
Teile des Reiches durch die für den auswärtigen 
Dienst des Reiches bestimmten Organe vertreten 
(ausdrücklich z. B. in dem Abk. über das Verbot 
der Nachtarbeit der gewerblichen Arbeiterinnen 
v. 26. 9. 06 a 11). Das nötigt aber nicht, sie in 
Abmachungen mit dem Auslande sachlich in glei- 
cher Weise wie das Mutterland zu behandeln. 
Vielmehr war der Umstand, daß sie Gebiete mit 
gesonderter Wirtschaft und zum Teil gesondertem 
Rechte sind, dafür bestimmend, daß auf sie die 
St V des Reiches nicht ohne weiteres Anwendung 
finden. Das ist nur dann der Fall, wenn der Ver- 
trag koloniales Gebiet betrifft (Abgrenzungsver- 
träge, Kongoakte, Brüsseler Antisklavereiakte) oder 
wenn die Geltung ausdrücklich bedungen ist, sei es 
beim Abschluß oder nachträglich („Beitritt“ für 
die Kolonien). Diese Rücksicht wird in wachsendem 
MAaße genommen; z. B. Berner Urheberrechts Vt 
v. 13. 11. 08 a 26, Abk. über den Verkehr mit 
Kraftfahrzeugen v. 11. 10. 090 a 11. Soweit hier- 
durch den Bedürfnissen nicht Rechnung getragen 
wird, müssen andererseits St V allein für die 
Schutzgebiete (oder das einzelne Schutzgebiet) ab- 
geschlossen werden. Das ist für die Auslieferung [JT! 
erfolgt bald durch Umformung der für das Mutter- 
land abgeschlossenen Verträge (mit England v. 
5. 5. 94, 30. 1. 11, 17. 8. 11; den Niederlanden 
v. 21. 9. 97, 28. 7. 13), bald durch Sondervertrag 
(Kongostaat v. 25. 7. 90). Inwieweit der Kaiser 
für die die Kolonien betreffenden St V an die 
Zustimmung von BR und RIX gebunden ist, 
hängt von dem Gegenstande des Vertrages ab. 
Unterfällt dieser an sich der Regelung durch den 
Kaiser, insbesondere kraft der Uebertragung 
durch § 1 Schutzgeb G, so schließt entsprechende 
Anwendung von a 11 RV eine Mitwirkung von 
BR und RT aus. Um Zweifel abzuschneiden, 
ist jedoch für Erwerb und Abtretung von Schutz- 
gebiet (außer bloßer Grenzberichtigung) durch 
  
  
die Novelle zu § 1 Schutzgeb G v. 16. 7. 12 ein 
Reichsgesetz vorgeschrieben. 
v. Hoffmann, Einführung in d. d. Kolonialrecht, 
1911, 1 21; Fleischmann, Auslieferung und Nacheile 
nach deutschem Kolonialrecht, 190056; Mathies in 3 für 
Kolonialrecht, 1914, S 6—13. Abdruck der Verträge in 
den Sammelwerken 1 „Schutzgebiete“ (Literatur). 
z 6. Der Anteil der Volksvertretung am Zu- 
standekommen der StV ist in den deutschen 
Staaten in den Einzelheiten verschieden geregelt. 
Die anknüpfenden Fragen sind lebhaft bestritten. 
Keine ausdrücklichen Bestimmungen enthalten 
u. a. die Verfassungen in Bayern, Sachsen, 
Baden und Hessen. Grundsätzlich wird man dann 
als Triebfeder ansehen müssen (wie es die Ver- 
fassung von Oldenburg a 6 formuliert), daß der 
Landtag St V zustimmen muß, „wenn sie einen 
Gegenstand betreffen, über welchen ohne Zustim- 
mung des Landtags von der Staatsregierung ver- 
fassungsmäßig Anordnungen gültig nicht getroffen 
werden können“ (in Oldenburg daneben zu Han- 
dels- und Schiffahrtsverträgen und solchen St V, 
die einzelnen Staatsbürgern besondere Lasten 
auferlegen; ähnlich Koburg-Gotha § 128, Reuß 
j. L. § 70). Es lassen sich im übrigen zwei Haupt- 
richtungen erkennen, denen die Staaten folgen: 
das englische System (Braunschweig Landschafts O 
88 6, 7), das dem Parlamente einen förmlichen 
Anteil versagt — im Gegensatze zu dem in der 
französischen Revolution (Konstitution 1791) ge- 
gründeten, von Belgien übernommenen System 
der Anlehnung an den Vorgang der Gesetzgebung 
(stark ausgeprägt in der Verfassung von Koburg- 
Gotha 5 128 und Hamburg a 22, 62). Dem letzteren 
System hat sich die Verfassung in Preußen (vgl. 
auch Württemberg § 85, Oldenburg, Koburg- 
Gotha, Anhalt § 19, Reuß j. L. § 70; mit Preu- 
ßen übereinstimmend Schwarzburg-Sondershau- 
sen § 42, Waldeck § 11, Schaumburg-Lippe a 9) 
angeschlossen; der preuß. Verfassung wiederum 
die Reichsverfassung. 
I. Inhalt und Umfang der Be- 
teiligung. 
In Preußen (a 48 Vll) hat der König „das 
Recht Krieg zu erklären und Frieden zu schließen, 
auch andere Verträge mit fremden Regierungen 
zu errichten“. Nur die letzteren „bedürfen zu ihrer 
Gültigkeit der Zustimmung der Kammern, so- 
ferne es Handelsverträge sind, oder wenn dadurch 
dem Staate Lasten oder einzelnen Staatsbürgern 
Verpflichtungen auferlegt werden.“ Die Fassung 
ist in sich unklar und hat namentlich in der Kon- 
fliktszeit zu recht weitgehender Auslegung Anlaß 
gegeben. Nach den Ausführungen von Gneist 
und E. Meier (die durch Unger ihre Bedeutung 
nicht verloren haben) wird man darunter nur 
solche Lasten des Staates begreifen dürfen, die 
Gegenstand eines Finanzgesetzes oder einer Bud- 
getbewilligung sind und unter den „Verpflichtun- 
gen“ nur solche, zu deren Auflegung ein Gesetz 
erforderlich ist. 
In der Praxis, die sich zwischen 1850 und 1870 gebildet 
hat, ist (nach der von E. Meier S 235 vorgenommenen 
Prüfung der Landtagsverhandlungen) „nur der weit kleinste 
Teil der abgeschlossenen St V dem Landtage zur verfassungs- 
mäßigen Genehmigung unterbreitet“, vor allem nicht: die 
Verträge über Auslieserung, Aufnahme von Ausgewiesenen, 
Verpflegung Hilfsbedürftiger, Uebernahme der Gerichtsbar- 
keit in höchster Instanz, Besorgung der Auseinandersetzungs-
	        
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