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Paßwesen — Patentwesen
deutschen Konsuln [MN allgemein die Befugnis,
den in ihrem Amtsbezirk sich aufhaltenden Reichs-
angehörigen Pässe auszustellen, sowie Pässe zu
visieren. Die Pässe fremder Behörden sollen
indes nur zum Eintritt in das Reichsgebiet visiert
werden. Nach ihrer „Allgemeinen Dienstinstruk-
tion“ v. 6. 6. 71 können die Konsuln Pässe auch zu
Reisen in dem Konsularbezirke und in anderen
Ländern außerhalb des Reichsgebiets ausstellen.
Die Erteilung eines Visums setzt immer voraus,
daß der Paß von der zuständigen Behörde aus-
gestellt, und daß seine Gültigkeitsdauer noch nicht
abgelaufen ist. Pässe fremder Behörden darf der
Konsul nur dann visieren, wenn sie von der Polizei-
behörde seines Amtssitzes ausgestellt oder visiert
oder mit dem Visum eines mit ihm in demselben
Lande residierenden diplomatischen oder konsu-
larischen Vertreters derjenigen Macht versehen
sind, von deren Behörden der Paß ausgestellt
ist. Auch von Ausländern soll unbeschadet
ihrer Legitimationspflicht weder beim Eintritt
noch beim Austritt über die Grenze des Reichs,
noch während ihres Aufenthalts oder ihrer Reisen
innerhalb des Reiches ein Reisepapier gefordert
werden. Für einen Paß dürfen höchstens 3 Mk.
an Gebühren erhoben werden (§ 8).
Ist die Sicherheit des Reichs oder eines Einzel-
staats oder die öffentliche Ordnung durch Krieg
oder innere Unruhen bedroht, so kann die Paß-
pflicht überhauvt oder für einen bestimmten Be-
zirk durch Kaiserliche Verordnung vorübergehend
eingeführt werden (§9). Das Reichsgesetz enthält
keine Vorschriften darüber, von welchen Behörden
die Pässe auszustellen sind. Der §6 Abs 2 überläßt
die Bestimmung hierüber im allgemeinen dem Lan-
desrecht. Die Verw Praxis hat wohl überall gleich-
mäßig die Behörden des Wohnsitzes bezw. des Auf-
enthalts hierzu bestimmt. Die Bestimmungen über
Zwangspässe und Reiserouten sowie über die Kon-
trolle neu anziehender Personen und der Frem-
den an ihrem Aufenthaltsorte sind durch das Ge-
setz (5 10) nicht berührt worden ([UMeldewesenl.
Unter einem Zwangspaß ist ein auf die
Person ausgestelltes Legitimationspapier zu ver-
stehen, das dem Inhaber unter Strafandrohung
befiehlt, sich ohne Verzug auf vorgeschriebenem
Mege nach dem Bestimmungsorte des Passes zu
begeben. Die Erteilung des Zwangspasses, der
Abweichungen von der bestimmten Reiseroute
unbedingt verbietet, auch dem Inhaber die Ver-
pflichtung auferlegt, den Paß in jedem Nacht-
quartier visieren zu lassen, ist eine besondere und
zwar mildere Form des Ausweisungsverfah-
rens Xl, die an Stelle der Anwendung des Trans-
ports durch einen Begleiter tritt und von den
verbündeten Regierungen einheitlich geregelt ist.
Der Zwangspaß stammt noch aus der Zeit der
allgemeinen Paßpflicht und war damals natürlich
erfolgreicher anzuwenden als jetzt. — Ausweisung
5 Bo I8 187, I188.
Für die für den Transport einer Leiche auszustel-
lenden Leichenpässe, soweit der Transport
auf der Eisenbahn oder auf dem Seewege in Frage
kommt, sind gleichfalls einheitliche Vorschriften von
den Landesregierungen erlassen. Bestattungs-
wesen & 1 I, Bd l S 136, 437.
Literatur: L. v. Stein, Die Lehre von der
inneren Verwaltung, Teil I. S 245—271; HV der Verw-
Lehre's, (1888), 143: Loening (1880), 266; Wachter,
Reichsgesetz über das Paßwesen, 1893; von Conta,
Die Ausweisung aus dem Deutschen Reich und aus dem
Staate und den Gemeinden in Preußen, (1900, 18; Ge-
setze und Verordnungen über Heimats- und Staatsbürger-
recht (Kortkampfsche Ausgabe), 121;: Rehm, Paßwesen im
Hwb. Staat' 6, 1011: A. Seéec, le passeport en France,
these, Paris 1907. Oartmann.
Patentwesen
4 1. Allgemeines. 1 2. Begriff. 1 3. Geltungsbereich,
Voraussetzungen, Wirkungen. 1 4. Rechtsnatur der Patent-
erteilung. # 5. Arten der Patente, Dauer, Gebühren. ##6. Pa-
tentamt. # 7. Verfahren. 1 8. Gericht und Patentamt.
3 9. Potentanwälte. 1 10. Internationales.
1#6#. — Patent; P##— Patentamt.)
51. Allgemeines, Geschichtliches. Der Nutzen
eines zweckmäßigen PSchutzes steht heute außer
Zweifel: er fördert die heimische Technik und
Industrie, indem er den Erfinder zur Preisgabe
seiner Erfindung an die Gesamtheit durch Gewäh-
rung eines — in den verschiedenen Ländern in-
haltlich und zeitlich verschiedenen — Ausschlie-
ßhungsrechts anspornt.
Erst nach schweren und langen Kämpfen konnte
das erste deutsche Re# v. 25. 5. 77 in Kraft treten.
Ihm folgte unter dem 7. 4. 91 ein neues PGesetz;
es hat einige, hauptsächlich die Organisation des
Pbetreffende, Aenderungen gebracht, die an
den Grundlagen des materiellen Rechts nicht
rüttelten. Der ungeahnte Aufsschwung der Tech-
nik, die ungeheure Entwicklung unseres Wirt-
schaftslebens, sowie die hohe Blüte, zu der Wissen-
schaft und Rechtsprechung das PRecht geführt
haben, machen eine neue Reform des Péesetzes
notwendig; sie wird namentlich eine Verein-
fachung und Beschleunigung des Verfahrens
bezwecken, auch der weiteren Vergrößerung des
Amts, die die Gefahr der Schwerfälligkeit in sich
birgt, entgegenzuwirken suchen; an dem ma-
teriellen Recht werden auch jetzt nur die notwendig-
sten Aenderungen vorgenommen werden. Ein
entsprechender Gesetzentwurf wird demnächst der
Oeffentlichkeit übergeben werden 1). — Die bisher
wichtigste materielle Aenderung von besonderer
wirtschaftlicher Bedeutung hat das G v. 6. 6. 11
gebracht, das den für eine hochentwickelte Indu-
strie lästigen Ausführungszwang beseitigt, die sog.
Zwangslizenz einführt, und die Zurücknahme eines
Punur noch zuläßt, wenn die Erfindung ausschlicß-
lich oder hauptsächlich außerhalb des Deutschen
Reiches oder der Schutzgebiete ausgeführt wird.
Die Zahl der Anmeldungen betrug 1878 an-
nähernd 6000, 1890 schon fast 12 000, 1900 fast 22 000,
1910 über 45 000; die geringe Abnahme des Jahres 1911
um 250 = 0,6 % , hat nicht angehalten; denn die Zahl
der Anmeldungen stieg 1912 wieder um 886 oder 2,0 0%.
Die Zahl der Patenterteilungen belief sich 1878
1) Ist während der Korrektur dieses Areiikels geschehen.
Der Entwurf eines Patenigesetzes, eines Gebrauchsmuster-
gesehes und eines Warenzeichengesetzes (abgedruckt im nicht-
amtlichen Teile des Reichsanzeigers vom 11. 7. 13 Nr. 1602)
ist von dem Reichskanzler den Einzelstaaien mit dem Er-
suchen um Prüfung mitgeteilt worden. [D. H.]