Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
532 
Steuerverwaltung (direkte Steuern) 
  
gewählten Laien mitgliedern (sog. Beru- 
fungskommissionen). 
In Preußen finden wir solche Kommissio- 
nen in der Berufungsinstanz bei der Einkommen- 
und Ergänzungssteuer, nicht aber bei der Ge- 
werbesteuer, Grund= und Gebäudesteuer, wo die 
Regierung Berufungsinstanz ist. In Sachsen 
bestehen bei Einkommen- und Ergänzungssteuer 
Berufungskommissionen. Ebenso in Bayern 
(s. die Gesetze von 1899 a 51, 51 und 23), in 
Württemberg bei der Einkommensteuer 
(a 60 G v. 8. 8. 03), nicht aber (in der Regel) bei 
der Kapitalsteuer (a 19 G v. 5. 8. 03). Auch bei 
den direkten Steuern in Baden entscheidet 
lediglich die Steuerdirektion (5 27 G v. 6. S. 00). 
Dagegen hat Hessen wiederum als Berufungs- 
instanz für Einkommen= und Ergänzungssteuern 
eine „Landeskommission“ (E v. 12. 8. 99 a 28 
bezw. 42). Ebenso hat Elsaß-Lothringen 
Berufungskommissionen, 5 29 G v. 8. 6. 96 (Ge- 
werbesteuer), 524 G v. 13. 7. 01 (Kapitalsteuer) 
5 19 G v. 13. 7. 01 (Lohn= und Besoldungs- 
steuer). Bayern hat Berufungskommissionen bei 
der Einkommensteuer, a 55 ff G von 1910, Ge- 
werbe= und Kapitalrentensteuer, a 22 bezw. 18. 
Bei der Grund= und Haussteuer entscheidet ein 
Kompromißgericht von Sachverständigen, Taxa- 
toren, 3 103 bezw. F 26. 
Die Zusammensetzung der Berufungs- 
kommissionen ist in den einzelnen Ländern ver- 
schiedenartig geregelt; der Vorsitzende ist stets 
ein höherer Regierungsbeamter, die Mitglieder 
werden zum Teil vom Staate ernannt, zum Teil 
von den Provinzial-, Bezirks= oder Landesaus- 
schüssen oder ztagen gewählt. Die Befugnisse bei 
der Beweiserhebung sind ähnlich denen der Ver- 
anlagungskommissionen. 
III. In neuerer Zeit wird namentlich bei 
Einkommen-, Vermögenssteuern, öfters auch bei 
Gewerbesteuern, dagegen nicht bei Grund= und 
Gebäudesteuern den Steuerpflichtigen in letzter 
Instanz noch das Rechtsmittel der Revision 
(Beschwerde) vor der höchsten verwal- 
tungsrichterlichen Instanz gegeben, wo- 
bei ebenfalls das Berufungsrecht im öffentlichen 
Interesse von der Steuerbehörde bezw. dem Vor- 
sitzenden der Berufungskommission ausgeübt wer- 
den kann. In der Regel werden dann an den betr. 
Oberverwaltungsgerichten besondere Steuerse- 
nate gebildet. Das Recht der Revisionseinlegung 
(nurx zulässig bei Rechtsverletzung und wesentlichen 
Mängeln des Verfahrens) findet sich z. B. in 
Preußen bei der Einkommen---, Ergänzungs- 
und Gewerbesteuer, während bei Grund= und Ge- 
bäudesteuer der Finanzminister letzte Instanz ist. 
Sachsen hat die „Anfechtungsklage“ bei 
Einkommen= und Ergänzungssteuer beim Ober- 
verwaltungsgericht, während in Württem- 
berg bei der Einkommensteuer (a 62 G v. 8. 8. 
03), bei der Kapitalsteuer (a 19 Gv. 8. 8. 03) und 
bei den Realsteuern in letzter Instanz der Finanz- 
minister entscheidet (a 57, 99 usw. G v. 8. 8. 03). 
In Baden tritt wiederum der Verw erichts- 
hof ein (Gv. 6. 8. 00 §+ 28), in Hessen eben- 
falls (Gesetze v. 12. 8.99 a 32 bezw. 44) bei Einkom- 
men= und Ergänzungssteuer, dagegen der Finanz- 
minister bei der Gewerbesteuer (a 27 G v. 8. 7. 84). 
In Elsaß-Lothringen ist die letzte In- 
stanz bei der Gewerbesteuer die Berufungskom- 
  
mission (G v. 8. 6. 96 5+ 29). Ebenso bei der 
Kapital- und Lohn- und Besoldungssteuer (Ge- 
setze v. 13. 7. 01 535 24 bezw. 19). 
II. stenererhebung 
Die Steuererhebung ist der nächste in der Hand 
der steuerlichen Behörden ruhende Akt bei den 
Besteuerungsvorgängen, der in der Regel sogleich 
nach der Steuerfestsetzung und nicht erst nach Ein- 
legung und Erledigung der Rechtsmittel eintritt. 
§s 6. Das Verfahren im allgemeinen. Bei der 
Steuererhebung sind Laienmitglieder nicht mehr 
beteiligt. Sie ruht vielmehr lediglich bei beruf- 
lichen Behörden, die bald staatliche, bald gemeind- 
liche Behörden sind, wobei letztere im Auftrage 
des Staates handeln. 
I. Der erste Akt ist die Auf= bezw. Feststellung 
der Steuerrollen (Heberollen). Sie wer- 
den nach den Veranlagungsergebnissen, wie sie 
sich in den namentlichen Nachweisungen, Steuer- 
listen usf. zusammengestellt finden, angefertigt. 
In die Heberolle werden aber nur Name, Wohnort, 
usw. der Steuerpflichtigen und das Steuersoll 
aufgenommen. Die Rolle wird von der höheren 
Steuerbehörde bescheinigt und eventuell für voll- 
streckbar erklärt. Sie bildet erst die Grundlage 
und die Anweisung für die Steuerkassen zur 
Steuereinziehung. 
II. Die Steuererhebung selbst findet entwe- 
der durch staatliche Unterbehörden 
(Steuerkassen, Rentämter) oder durch Ver- 
mittlung der Gemeinden statt. Letzteres 
ist neuerdings der Fall bei sämtlichen direkten 
Steuern in Preußen (G v. 14. 7. 93 wegen 
Aufhebung direkter Staatssteuern). Als Gegen- 
leistung für die damals erfolgte Ueberweisung der 
Grund-, Gebäude= und Gewerbesteuern an die 
Gemeinde sind durch jenes Gesetz (s. auch B v. 
22. 1. 94) diesen nicht nur die ihnen bis dahin 
zustehenden Vergütungen von 2%½% der eingezoge- 
nen Gewerbe= und Einkommensteuern entzogen, 
sondern es ist ihnen auch ollgemein die Verpflich- 
tung unentgeltlicher Elementarerhebung und Ab- 
führung sämtlicher direkten Staatssteuern an 
die Staatskassen — außer Eisenbahnabgaben — 
übertragen worden. 
In Bayern hat grundsätzlich jeder Steuer- 
pflichtige die Steuer beim Rentamte einzuzahlen. 
Es hat sich jedoch im Laufe der Zeit vielfach die 
(übrigens geduldete und beförderte) Einrichtung 
ausgebildet, daß die Steuern von sog. Steuer- 
vorgehern eingehoben und von diesen im ganzen 
an das Rentamt abgeliefert werden, wobei jedoch 
zu beachten ist, daß bis zu dieser Ablieferung der 
Pflichtige haftet. Das für zweckmäßig befundene 
Verfahren gemeindeweiser Perzeption kann übri- 
gens gleichfalls beibehalten werden. Die Ge- 
meinden sind im übrigen an der Einziehung 
nicht beteiligt. Der Staat erhebt sogar seiner- 
seits die Kreisumlagen mit der Staatssteuer. 
In anderen Staaten liegt wie in Preußen die 
Steuererhebung vielfach den Gemeinden ob, doch 
werden hier meistens Gebühren vergütet (z. B. 
Eink StG in Sachsen v. 24. 7. 00 #+ 78, Ergänz- 
St Gv. 2. 7.02 § 48). In Württemberg Gv. 
S. S. 03 a 76, 82, a 11 G v. 8. 8. 03 betr. Grund-, 
Gebäude= und Gewerbesteuer. Dagegen wird die 
Kapitalsteuer von den Staatsbehörden eingezogen
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.