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Steuerverwaltung (direkte Steuern)
gewählten Laien mitgliedern (sog. Beru-
fungskommissionen).
In Preußen finden wir solche Kommissio-
nen in der Berufungsinstanz bei der Einkommen-
und Ergänzungssteuer, nicht aber bei der Ge-
werbesteuer, Grund= und Gebäudesteuer, wo die
Regierung Berufungsinstanz ist. In Sachsen
bestehen bei Einkommen- und Ergänzungssteuer
Berufungskommissionen. Ebenso in Bayern
(s. die Gesetze von 1899 a 51, 51 und 23), in
Württemberg bei der Einkommensteuer
(a 60 G v. 8. 8. 03), nicht aber (in der Regel) bei
der Kapitalsteuer (a 19 G v. 5. 8. 03). Auch bei
den direkten Steuern in Baden entscheidet
lediglich die Steuerdirektion (5 27 G v. 6. S. 00).
Dagegen hat Hessen wiederum als Berufungs-
instanz für Einkommen= und Ergänzungssteuern
eine „Landeskommission“ (E v. 12. 8. 99 a 28
bezw. 42). Ebenso hat Elsaß-Lothringen
Berufungskommissionen, 5 29 G v. 8. 6. 96 (Ge-
werbesteuer), 524 G v. 13. 7. 01 (Kapitalsteuer)
5 19 G v. 13. 7. 01 (Lohn= und Besoldungs-
steuer). Bayern hat Berufungskommissionen bei
der Einkommensteuer, a 55 ff G von 1910, Ge-
werbe= und Kapitalrentensteuer, a 22 bezw. 18.
Bei der Grund= und Haussteuer entscheidet ein
Kompromißgericht von Sachverständigen, Taxa-
toren, 3 103 bezw. F 26.
Die Zusammensetzung der Berufungs-
kommissionen ist in den einzelnen Ländern ver-
schiedenartig geregelt; der Vorsitzende ist stets
ein höherer Regierungsbeamter, die Mitglieder
werden zum Teil vom Staate ernannt, zum Teil
von den Provinzial-, Bezirks= oder Landesaus-
schüssen oder ztagen gewählt. Die Befugnisse bei
der Beweiserhebung sind ähnlich denen der Ver-
anlagungskommissionen.
III. In neuerer Zeit wird namentlich bei
Einkommen-, Vermögenssteuern, öfters auch bei
Gewerbesteuern, dagegen nicht bei Grund= und
Gebäudesteuern den Steuerpflichtigen in letzter
Instanz noch das Rechtsmittel der Revision
(Beschwerde) vor der höchsten verwal-
tungsrichterlichen Instanz gegeben, wo-
bei ebenfalls das Berufungsrecht im öffentlichen
Interesse von der Steuerbehörde bezw. dem Vor-
sitzenden der Berufungskommission ausgeübt wer-
den kann. In der Regel werden dann an den betr.
Oberverwaltungsgerichten besondere Steuerse-
nate gebildet. Das Recht der Revisionseinlegung
(nurx zulässig bei Rechtsverletzung und wesentlichen
Mängeln des Verfahrens) findet sich z. B. in
Preußen bei der Einkommen---, Ergänzungs-
und Gewerbesteuer, während bei Grund= und Ge-
bäudesteuer der Finanzminister letzte Instanz ist.
Sachsen hat die „Anfechtungsklage“ bei
Einkommen= und Ergänzungssteuer beim Ober-
verwaltungsgericht, während in Württem-
berg bei der Einkommensteuer (a 62 G v. 8. 8.
03), bei der Kapitalsteuer (a 19 Gv. 8. 8. 03) und
bei den Realsteuern in letzter Instanz der Finanz-
minister entscheidet (a 57, 99 usw. G v. 8. 8. 03).
In Baden tritt wiederum der Verw erichts-
hof ein (Gv. 6. 8. 00 §+ 28), in Hessen eben-
falls (Gesetze v. 12. 8.99 a 32 bezw. 44) bei Einkom-
men= und Ergänzungssteuer, dagegen der Finanz-
minister bei der Gewerbesteuer (a 27 G v. 8. 7. 84).
In Elsaß-Lothringen ist die letzte In-
stanz bei der Gewerbesteuer die Berufungskom-
mission (G v. 8. 6. 96 5+ 29). Ebenso bei der
Kapital- und Lohn- und Besoldungssteuer (Ge-
setze v. 13. 7. 01 535 24 bezw. 19).
II. stenererhebung
Die Steuererhebung ist der nächste in der Hand
der steuerlichen Behörden ruhende Akt bei den
Besteuerungsvorgängen, der in der Regel sogleich
nach der Steuerfestsetzung und nicht erst nach Ein-
legung und Erledigung der Rechtsmittel eintritt.
§s 6. Das Verfahren im allgemeinen. Bei der
Steuererhebung sind Laienmitglieder nicht mehr
beteiligt. Sie ruht vielmehr lediglich bei beruf-
lichen Behörden, die bald staatliche, bald gemeind-
liche Behörden sind, wobei letztere im Auftrage
des Staates handeln.
I. Der erste Akt ist die Auf= bezw. Feststellung
der Steuerrollen (Heberollen). Sie wer-
den nach den Veranlagungsergebnissen, wie sie
sich in den namentlichen Nachweisungen, Steuer-
listen usf. zusammengestellt finden, angefertigt.
In die Heberolle werden aber nur Name, Wohnort,
usw. der Steuerpflichtigen und das Steuersoll
aufgenommen. Die Rolle wird von der höheren
Steuerbehörde bescheinigt und eventuell für voll-
streckbar erklärt. Sie bildet erst die Grundlage
und die Anweisung für die Steuerkassen zur
Steuereinziehung.
II. Die Steuererhebung selbst findet entwe-
der durch staatliche Unterbehörden
(Steuerkassen, Rentämter) oder durch Ver-
mittlung der Gemeinden statt. Letzteres
ist neuerdings der Fall bei sämtlichen direkten
Steuern in Preußen (G v. 14. 7. 93 wegen
Aufhebung direkter Staatssteuern). Als Gegen-
leistung für die damals erfolgte Ueberweisung der
Grund-, Gebäude= und Gewerbesteuern an die
Gemeinde sind durch jenes Gesetz (s. auch B v.
22. 1. 94) diesen nicht nur die ihnen bis dahin
zustehenden Vergütungen von 2%½% der eingezoge-
nen Gewerbe= und Einkommensteuern entzogen,
sondern es ist ihnen auch ollgemein die Verpflich-
tung unentgeltlicher Elementarerhebung und Ab-
führung sämtlicher direkten Staatssteuern an
die Staatskassen — außer Eisenbahnabgaben —
übertragen worden.
In Bayern hat grundsätzlich jeder Steuer-
pflichtige die Steuer beim Rentamte einzuzahlen.
Es hat sich jedoch im Laufe der Zeit vielfach die
(übrigens geduldete und beförderte) Einrichtung
ausgebildet, daß die Steuern von sog. Steuer-
vorgehern eingehoben und von diesen im ganzen
an das Rentamt abgeliefert werden, wobei jedoch
zu beachten ist, daß bis zu dieser Ablieferung der
Pflichtige haftet. Das für zweckmäßig befundene
Verfahren gemeindeweiser Perzeption kann übri-
gens gleichfalls beibehalten werden. Die Ge-
meinden sind im übrigen an der Einziehung
nicht beteiligt. Der Staat erhebt sogar seiner-
seits die Kreisumlagen mit der Staatssteuer.
In anderen Staaten liegt wie in Preußen die
Steuererhebung vielfach den Gemeinden ob, doch
werden hier meistens Gebühren vergütet (z. B.
Eink StG in Sachsen v. 24. 7. 00 #+ 78, Ergänz-
St Gv. 2. 7.02 § 48). In Württemberg Gv.
S. S. 03 a 76, 82, a 11 G v. 8. 8. 03 betr. Grund-,
Gebäude= und Gewerbesteuer. Dagegen wird die
Kapitalsteuer von den Staatsbehörden eingezogen