Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
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Tarifvertrag 
  
überall gleichmäßigen Lohn zu erreichen und um die tarif- 
treuen Arbeitgeber vor der nicht selten schlecht zahlenden 
Konkurrenz zu schützen, festgelegt ist, daß der Arbeiter nur 
bei taristreuen Arbeitgebern tätig sein und diese nur tarif- 
treue Arbeiter beschäftigen dürfen. Beim „ausschließlichen 
BVerbandsverkehr“ wird von den Vertragsparteien abge- 
macht, daß nur die Mitalieder der im Vertrage stehenden 
Organisationen in ein Arbeitsverhältnis miteinander zu 
treten haben. Beide Verkehrsarten bewirken, daß regel- 
mäßig die Organisationen des T. an Mitalieder zunehmen. 
Ein einseitiger Zwang zugunsten ganz bestimmter Organi- 
sationen, namentlich unter Ausschluß Unorganisierter, 
mittelst der T. sollte von den Parteien nicht ausgeübt wer- 
den. Manchmal sind in einem Gewerbe drei oder vier Ar- 
beitervereine vorhanden. Ueberdies ist auch heute die große 
Mehrheit der deutschen Arbeiter nicht organisiert. 
Ein anderes ist es, ob man die Organisationen der Ar- 
beitgeber und Arbeiter gesetbzlich zu hindern hat, bei 
Tarifvertragsabschlüssen den Verbandsverkehr unter sich 
einzuführe:. Bei Zulassung des ausschließlichen Berbands- 
verkehrs würde notwendig werden, durch Gesetz anzuord- 
nen, aus welchen Gründen und in welcher Weise der Ein- 
tritt in den Verband verwehrt und der Ausschluß aus 
demselben zu gestatten ist. 
8 4. Vertragsparteien. 
Man teilt ab: Firmentarife, Orts-(Lokal-)Tarife 
und für größere Bezirke National-(General-)Tarife. 
I. Arbeitgeber können unter 4 Formen 
Vertragspartei sein: 1. ein Arbeitgeber, 2. meh- 
rere Arbeitgeber, 3. ein oder mehrere Arbeit- 
geber zusammen mit einem oder mehreren Ar- 
beitgeberverbänden, 4. ein Arbeitgeberverband 
oder mehrere derartige Verbände. Zur Form 1 
sind auch zu rechnen juristische Personen wie 
Aktiengesellschaften und Organisationen mit ju- 
ristischer Persönlichkeit (Beispiel: Verein der 
Berliner Baugeschäfte). Was die Form 2: 
„mehrere Arbeitgeber“ anlangt, so sind letztere 
regelmäßig nicht organisiert und treten nur be- 
hufs Vertragsschlusses zusammen (Beispiel siehe 
RArb Bl III, 1085). Ein Beispiel zur Ziffer 3 
liefert RArb Bl II, 426 und 629 ff. Der Fall 4 
kommt am häufigsten vor, wie es überhaupt Regel 
ist, daß T. auf beiden Seiten von Verbänden ab- 
geschlossen werden. Da kann es sich dann ereig- 
nen, daß je nach der Organisation der Parteien 
die Verantwortung derselben für die Erfüllung 
der T. eine ungleiche ist. In dem ersten T. für 
das Berliner Rohrlegergewerbe hatten sich zwei 
Innungen und zwei sonstige Arbeitgeberverbände 
beteiligt. Für Innungen kam wesentlich die 
Gewd in Betracht. Die beiden anderen Verbände 
waren in erster Linie nach dem B# zu beurteilen. 
Die Ansicht übrigens, nach welcher beim Zu- 
standekommen eines T. auf beiden Seiten nur 
vertragschließende Gesamtheiten fungieren können, 
wird besonders von Rundstein, „Die T. und die 
moderne Rechtswissenschaft“ 34 ff gründlichst wi- 
derlegt. 
II. Dem I. ist es eigentümlich, daß auf Seite 
der Arbeiter stets eine Mehrheit vorhanden 
ist. Es lassen sich folgende Formen der Arbeiter- 
beteiligung feststellen (Schall, Das Privatrecht 
der Arbeits I., S. 22, 23): 1. die Arbeiter schlie- 
ßen ab als einzelne (RArb Bl I, 495, Firmentarif): 
2. die Vereinigung der Arbeiter, wie sie sich auf 
Grund gemeinsamer Beratungen usw. gebildet 
hat, ist Kontrahentin (RArb BI III, 711, Firmen- 
tarif); 3. a) Arbeiterausschüsse, Fabrikausschüsse, 
  
b) Gesellenausschüsse vertreten die Arbeiler beim 
Vertragsschluß. c) Verbände schließen den T. 
Zu a) kommen stets Firmentarife in Frage, zu 
b) siehe Vertrag der Steinsetzer (Rärb Bl II, 424), 
zu c) siehe RArb Bl III, 435 und 1088 (Firmen- 
tarife, Ortstarife). Verbandstheorie: Siehe wei- 
ter unten § 6 und Oertmann in Poseners Rechts- 
lexikon 2, 607. Die T. des deutschen Baugewerbes 
und des deutschen Malergewerbes (s. das Eini- 
gungsamt 1. Jahrgang) sind Generaltarife. In 
einigen Fällen haben, wie bemerkenswert, bei 
Lohnbewegungen Vereine der Zwischenmeister 
(also eigentlich Arbeitgeber) sich mit den Gewerk- 
schaften zusammengetan, um gemeinsam einen 
T. mit den Großunternehmern zu verabreden 
Koalition!. 
III. Der Verbandstag der Gewerbe- und Kauf- 
mannsgerichte (1908) hat sich mit der Frage der 
Vollmachten der Parteivertreter beim Abschluß 
der T. beschäftigt (GK G XIII, 375 und XIV, 
38 ff, Soz. Praxis XVII, 1225). 
Anfangs ihrer Tätigkeit sind von den Einigungs- 
ämtern nur bescheidene Anforderungen an die 
Vollmachten der Parteivertreter erhoben worden. 
Gewöhnlich werden die Verträge von den Par- 
teien dennoch peinlich gehalten. Hier und da 
kommen allerdings auch Tarifbrüche vor. Einige 
Beispiele bei v. Schulz, 29. DFT 2, 246 ff. 
§5. Form und Zustandekommen des Bertra- 
ges. Wenn man davon absieht, daß es wenige 
Fälle rein mündlicher Vertragsschließung gibt, 
werden die T. schriftlich fixiert, nicht nur „weil die 
Bedingungen manchmal ins Detaillierte gehen 
oder weil z. B. die Festsetzung der Lohnsätze 
(hauptsächlich bei den Akkordtarifen) die Berück- 
sichtigung zahlreicher Modalitäten erfordert, son- 
dern namentlich um als Beweis der eingegangenen 
Verpflichtung zu dienen. Darauf deutet die regel- 
mäßig geforderte Unterschrift der Beteiligten oder 
ihrer Vertreter hin“ (Rundstein). Die Absichten 
der Parteien erhellen auch daraus, daß diese fast 
immer bei persönlicher Ueberreichung von T. 
den Gewerbegerichtsvorsitzenden darum ersuchen, 
er und der Gerichtsschreiber sollten den Vertrag 
ebenfalls unterzeichnen. Lotmar verlangt, daß 
kein T. gültig sein sollte, wenn er nicht vor dem 
Einigungsamt erläutert oder durch dessen Ver- 
mittlung abgeschlossen worden ist. 
Die T. werden von den Arbeitgebern und Ar- 
beitern meist ohne Vermittlung dritter Personen 
in unmittelbaren Verhandlungen vereinbart. 
Manchmal sind von den Parteien angesehene 
Männer (Staatsbeamte, Kommunalbeamte usw.) 
aufgefordert worden, die Leitung der Verhand- 
lungen und die Vermittlung zu übernehmen. 
Alsdann haben die Parteien Gelegenheit, vor den 
Gewerbe= und Kaufmannsgerichten JI als 
Einigungsämtern ihre Interessenstreitigkeiten zu 
erledigen. 
Neben den Einigungsämtern der Gewerbege- 
richte können Innungseinigungsämter (§ 74 
GGG) bestehen. Innungesmitglieder dürfen die- 
selben aurufen, falls ausschließlich In- 
nungsmitglieder und deren Arbeiter bei der Strei- 
tigkeit bezw. bei der Schaffung des T. beteiligt 
sind. Durch das HausarbeitsG## v. 20. 12. 11 
(oben Band II S 939) 519 Ziffer 5 ist endlich 
den Fachausschüssen die Verpflichtung 
auferlegt, den Abschluß von T. zu fördern.
	        
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