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Theaterrecht
schlossen werden, die außer öffentlich-rechtlichen
Vorschriften sondergesetzliche Bestimmungen für
die Theaterbetriebe, die Arbeitgeber und die Ar-
beitnehmer noch nicht kannte; es liegt ein Reichs-
theatergesetz in den beteiligten Reichsämtern be-
reits im Entwurf vor, das neben den öffentlich-
rechtlichen Bestimmungen auch privatrechtliche
Normen enthalten wird.
Ganz allmählich, aus den kleinen Ansängen jämmer-
licher Wandertruppen des 16. Jahrhunderts, hat sich das
deutsche Theater unter dem Schutze der Fürsten und der
Städte zu einer Blüte entwickelt, die in keinem Lande der
Welt erreicht worden ist. Mitte des 18. Jahrhunderts ent-
standen die ersten stehenden Theater; den großen Hofbühnen
folgten die landesherrlichen Bühnen der kleinen Residenzen,
den großen Stadttheatern die Theater in kleinen und klein-
sten Städten (sei es auch nur mit Städtebund- oder Wander-
theater). Nicht unbeträchtlich sind die Aufwendungen für
die Pflege unserer Schaubühnen. Die deutschen Bundes-
fürsten geben alljährlich ungefähr 6—8 Millionen Mk.
aus ihren Privatschatullen für ihre Theater aus. Die deut-
schen Städte, die im letzten Jahrzehnt vielfach die früher von
Privatunternehmern geleiteten Stadttheater in eigene Ver-
waltung übernommen haben, werden ungefähr ebensoviel
Millionen für die Erhaltung ihrer städtischen Bühnen opfernt.
Genauere Zahlen sind weder bei den Städten noch bei
den Fürsten angegeben, weil in den meisten Fällen die
Höhe der Zuschüsse von der Höhe des Fehlbetrags abhängio
ist. Nur für die preußischen Hoftheater ist bei der letzten
Erhöhung der Civilliste IA! ein Betrag von 1½ Millionen
Mark als besonderer Zuschuß für die Hoftheater eingesetzt
worden, eine Neuerung, die von den anderen Bundes-
staaten nicht nachgeahmt worden ist. Außerdem sind die
vielen Millionen, die von privater Seite in Theaterunter-
nehmungen gesteckt worden sind, zu berücksichtigen. Man
wird dann ohne weiteres erkennen, daß die deutsche Bühne,
die nach einer Berusszählung der letzten Jahre ca. 80 000
Menschen beschäftigt, ein bedeutsamer Faktor unseres staat-
lichen und wirtschaftlichen Lebens geworden ist. Was die
deutsche Bühne als Kulturelement bedeutet, braucht an
dieser Stelle nicht erst dargelegt zu werden.
2. Konzessionierung: Grundlegende gesetz-
liche Regelung in der GewO v. 21. 6. 69, nebst
Novellen v. 15. 7. 80 und v. 6. 8. 96.
Diese reichsgesetzliche Regelung reiht die Thea-
terunternehmungen den konzessionspflichtigen Be-
trieben ein. Auf die Theater der Landesherren,
des Staates und der Gemeinden, da sie nicht
lediglich Erwerbszwecken dienen, findet die Ge-
werbeordnung keine Anwendung.
I. Nach § 32 GewO bedürfen die Schauspiel-
unternehmer zum Betriebe ihres Gewerbes der Er-
laubnis. Diese Erlaubnis gilt nur für das bei der
Erteilung der Erlaubnis bestimmte Unternehmen.
Diese letzte Bestimmung setzte (durch die Novelle
von 1896) die alte sog. Reichskonzession außer
Kraft, auf Grund deren überall in Deutschland
gespielt werden konnte.
Der Entwurf eines Reichstheatergesetzes will — ohne ersicht-
lichen Grund — diese alte Reichskonzession, deren Beseitigung
mannigfache Mißstände im deutschen Theaterbetrieb enden
ließ, mit geringen Abweichungen wieder aufleben lassen.
Eine Durchbrechung des im # 32 GewO aus-
gesprochenen Prinzipes in gewissem Sinne findet
statt bei der Konzessionierung der Wandertruppen.
1) Woikowsky -Biedau, Die Theater in Preußen;
Tetzlaff, Aufwendungen für Theaterorchester (Z. d. preuß.
Statistischen Landesamts 1896, 1905). D. H.
Hier wird eine Konzession gleich für eine ganze
Anzahl von Unternehmungen, etwa in einer gan-
zen Provinz oder in einer großen Anzahl von
Städten, erteilt.
Die Erlaubnis aus § 32 Gew0O darf gemäß
5*40 GewO weder auf Zeit noch widerruflich er-
teilt werden.
Die Genehmigung ist gemäß § 32 GewO Abs 2
zu versagen, wenn der Nachsuchende nicht den
Besitz der zu dem Unternehmen nötigen Mittel
nachzuweisen vermag oder wenn die konzessions-
erteilende Behörde auf Grund von Tatsachen die
Ueberzeugung gewinnt, daß der Nachsuchende
nicht die zu dem beabsichtigten Gewerbebetrieb
erforderliche Zuverlässigkeit insbesondere in sitt-
licher, artistischer und finanzieller Hinsicht besitzt.
Bei der Fülle und verschiedenen Art der Unter-
nehmungen ist in diesen gesetzlichen Vorschriften —
die erst seit der Novelle von 1880 auch die finanzielle
und künstlerische Zuverlässigkeit berücksichtigen —
eine genügende Gewähr für den sicheren Bestand
aller Bühnenunternehmungen nicht gegeben.
II. Einen vollkommenen Schutz gegen Zusam-
menbrüche wird es natürlich trotz aller erdenklichen
Vorsichtsmaßregeln niemals geben, denn der Er-
folg ist gerade beim Theaterbetrieb von Impondera-
bilien abhängig. Einen gewissen Schutz gewährt
die Stellung der Kaution, die von den mei-
sten Konzessionsbehörden gefordert wird und die
lediglich für die Gagen des künstlerischen und tech-
nischen Personales haftet. Diese Kaution wird
bei der Konzessionsbehörde hinterlegt. Die For-
derung einer Kaution, die allgemein erhoben
wird und im Interesse der Bühnenmitglieder
auch durchaus zu begrüßen ist, ist gesetzlich nicht
begründet (der RIT hatte s. Z. ausdrücklich einen
Antrag, der die Stellung einer der Höhe der
Monatsgagen gleichkommenden Kaution verlangte,
abgelehnt.) Trotzdem ist die Kaution wohl in
allen Fällen von dem Unternehmer gestellt
worden. Um dem Unternehmen nicht zuviel
Betriebskapital zu entziehen, wird man die Höhe
auf eine Monatsgage beschränken können. Schwie-
rigkeiten erwuchsen nur später bei der Befriedigung
aus dieser Kaution, deren rechtlicher Charakter
durchaus nicht feststeht. Die Urteile höchstinstanz-
licher Gerichte haben einmal die Vorschriften be-
treffend die Sicherheitsleistung (Ss 232 a f BG),
dann wieder die Bestimmungen betr. Verträge
zugunsten Dritter (Iös 328 ff BGB), vielfach auch
öffentlich-rechtliche Vorschriften zur Anwendung
gebracht.
Alle diese Zweifel sind jetzt durch die im Entwurf vorge-
lehenen Rechtssätze über die Kaution beseitigt, die, in An-
lehnung an die Kautionsbestimmungen des Auswande-
rungsgesetzes I71 v. 9. 6. 97, ber Kaution einen öffei tlich-
rechtlichen Charakter geben. Auch über den Zeitpunkt der
Berwendung der Kaution durch die Behörde finden sich
genaue Vorschriften.
Eine weitere Sicherheit bei der Erteilung der
Konzession schaffen sich die Behörden heute noch
durch Einholung von Gutachten bei den beiden
großen Verbänden der Theaterbetriebe, dem
„Deutschen Bühnen-Verein“, dem Verband der
Bühnenleiter, gegründet 1846, und der „Genossen-
schaft deutscher Bühnenangehöriger“, der Organi-
sation der Arbeitnehmer, gegründet 1871 (unten
# 7). Durch ein Reskript des RK v. 14. 3. 04
sind die Bundesstaaten bezw. die Landeszentral-