Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
590 
Theaterrecht 
  
schlossen werden, die außer öffentlich-rechtlichen 
Vorschriften sondergesetzliche Bestimmungen für 
die Theaterbetriebe, die Arbeitgeber und die Ar- 
beitnehmer noch nicht kannte; es liegt ein Reichs- 
theatergesetz in den beteiligten Reichsämtern be- 
reits im Entwurf vor, das neben den öffentlich- 
rechtlichen Bestimmungen auch privatrechtliche 
Normen enthalten wird. 
Ganz allmählich, aus den kleinen Ansängen jämmer- 
licher Wandertruppen des 16. Jahrhunderts, hat sich das 
deutsche Theater unter dem Schutze der Fürsten und der 
Städte zu einer Blüte entwickelt, die in keinem Lande der 
Welt erreicht worden ist. Mitte des 18. Jahrhunderts ent- 
standen die ersten stehenden Theater; den großen Hofbühnen 
folgten die landesherrlichen Bühnen der kleinen Residenzen, 
den großen Stadttheatern die Theater in kleinen und klein- 
sten Städten (sei es auch nur mit Städtebund- oder Wander- 
theater). Nicht unbeträchtlich sind die Aufwendungen für 
die Pflege unserer Schaubühnen. Die deutschen Bundes- 
fürsten geben alljährlich ungefähr 6—8 Millionen Mk. 
aus ihren Privatschatullen für ihre Theater aus. Die deut- 
schen Städte, die im letzten Jahrzehnt vielfach die früher von 
Privatunternehmern geleiteten Stadttheater in eigene Ver- 
waltung übernommen haben, werden ungefähr ebensoviel 
Millionen für die Erhaltung ihrer städtischen Bühnen opfernt. 
Genauere Zahlen sind weder bei den Städten noch bei 
den Fürsten angegeben, weil in den meisten Fällen die 
Höhe der Zuschüsse von der Höhe des Fehlbetrags abhängio 
ist. Nur für die preußischen Hoftheater ist bei der letzten 
Erhöhung der Civilliste IA! ein Betrag von 1½ Millionen 
Mark als besonderer Zuschuß für die Hoftheater eingesetzt 
worden, eine Neuerung, die von den anderen Bundes- 
staaten nicht nachgeahmt worden ist. Außerdem sind die 
vielen Millionen, die von privater Seite in Theaterunter- 
nehmungen gesteckt worden sind, zu berücksichtigen. Man 
wird dann ohne weiteres erkennen, daß die deutsche Bühne, 
die nach einer Berusszählung der letzten Jahre ca. 80 000 
Menschen beschäftigt, ein bedeutsamer Faktor unseres staat- 
lichen und wirtschaftlichen Lebens geworden ist. Was die 
deutsche Bühne als Kulturelement bedeutet, braucht an 
dieser Stelle nicht erst dargelegt zu werden. 
2. Konzessionierung: Grundlegende gesetz- 
liche Regelung in der GewO v. 21. 6. 69, nebst 
Novellen v. 15. 7. 80 und v. 6. 8. 96. 
Diese reichsgesetzliche Regelung reiht die Thea- 
terunternehmungen den konzessionspflichtigen Be- 
trieben ein. Auf die Theater der Landesherren, 
des Staates und der Gemeinden, da sie nicht 
lediglich Erwerbszwecken dienen, findet die Ge- 
werbeordnung keine Anwendung. 
I. Nach § 32 GewO bedürfen die Schauspiel- 
unternehmer zum Betriebe ihres Gewerbes der Er- 
laubnis. Diese Erlaubnis gilt nur für das bei der 
Erteilung der Erlaubnis bestimmte Unternehmen. 
Diese letzte Bestimmung setzte (durch die Novelle 
von 1896) die alte sog. Reichskonzession außer 
Kraft, auf Grund deren überall in Deutschland 
gespielt werden konnte. 
Der Entwurf eines Reichstheatergesetzes will — ohne ersicht- 
lichen Grund — diese alte Reichskonzession, deren Beseitigung 
mannigfache Mißstände im deutschen Theaterbetrieb enden 
ließ, mit geringen Abweichungen wieder aufleben lassen. 
Eine Durchbrechung des im # 32 GewO aus- 
gesprochenen Prinzipes in gewissem Sinne findet 
statt bei der Konzessionierung der Wandertruppen. 
1) Woikowsky -Biedau, Die Theater in Preußen; 
Tetzlaff, Aufwendungen für Theaterorchester (Z. d. preuß. 
Statistischen Landesamts 1896, 1905). D. H. 
  
Hier wird eine Konzession gleich für eine ganze 
Anzahl von Unternehmungen, etwa in einer gan- 
zen Provinz oder in einer großen Anzahl von 
Städten, erteilt. 
Die Erlaubnis aus § 32 Gew0O darf gemäß 
5*40 GewO weder auf Zeit noch widerruflich er- 
teilt werden. 
Die Genehmigung ist gemäß § 32 GewO Abs 2 
zu versagen, wenn der Nachsuchende nicht den 
Besitz der zu dem Unternehmen nötigen Mittel 
nachzuweisen vermag oder wenn die konzessions- 
erteilende Behörde auf Grund von Tatsachen die 
Ueberzeugung gewinnt, daß der Nachsuchende 
nicht die zu dem beabsichtigten Gewerbebetrieb 
erforderliche Zuverlässigkeit insbesondere in sitt- 
licher, artistischer und finanzieller Hinsicht besitzt. 
Bei der Fülle und verschiedenen Art der Unter- 
nehmungen ist in diesen gesetzlichen Vorschriften — 
die erst seit der Novelle von 1880 auch die finanzielle 
und künstlerische Zuverlässigkeit berücksichtigen — 
eine genügende Gewähr für den sicheren Bestand 
aller Bühnenunternehmungen nicht gegeben. 
II. Einen vollkommenen Schutz gegen Zusam- 
menbrüche wird es natürlich trotz aller erdenklichen 
Vorsichtsmaßregeln niemals geben, denn der Er- 
folg ist gerade beim Theaterbetrieb von Impondera- 
bilien abhängig. Einen gewissen Schutz gewährt 
die Stellung der Kaution, die von den mei- 
sten Konzessionsbehörden gefordert wird und die 
lediglich für die Gagen des künstlerischen und tech- 
nischen Personales haftet. Diese Kaution wird 
bei der Konzessionsbehörde hinterlegt. Die For- 
derung einer Kaution, die allgemein erhoben 
wird und im Interesse der Bühnenmitglieder 
auch durchaus zu begrüßen ist, ist gesetzlich nicht 
begründet (der RIT hatte s. Z. ausdrücklich einen 
Antrag, der die Stellung einer der Höhe der 
Monatsgagen gleichkommenden Kaution verlangte, 
abgelehnt.) Trotzdem ist die Kaution wohl in 
allen Fällen von dem Unternehmer gestellt 
worden. Um dem Unternehmen nicht zuviel 
Betriebskapital zu entziehen, wird man die Höhe 
auf eine Monatsgage beschränken können. Schwie- 
rigkeiten erwuchsen nur später bei der Befriedigung 
aus dieser Kaution, deren rechtlicher Charakter 
durchaus nicht feststeht. Die Urteile höchstinstanz- 
licher Gerichte haben einmal die Vorschriften be- 
treffend die Sicherheitsleistung (Ss 232 a f BG), 
dann wieder die Bestimmungen betr. Verträge 
zugunsten Dritter (Iös 328 ff BGB), vielfach auch 
öffentlich-rechtliche Vorschriften zur Anwendung 
gebracht. 
Alle diese Zweifel sind jetzt durch die im Entwurf vorge- 
lehenen Rechtssätze über die Kaution beseitigt, die, in An- 
lehnung an die Kautionsbestimmungen des Auswande- 
rungsgesetzes I71 v. 9. 6. 97, ber Kaution einen öffei tlich- 
rechtlichen Charakter geben. Auch über den Zeitpunkt der 
Berwendung der Kaution durch die Behörde finden sich 
genaue Vorschriften. 
Eine weitere Sicherheit bei der Erteilung der 
Konzession schaffen sich die Behörden heute noch 
durch Einholung von Gutachten bei den beiden 
großen Verbänden der Theaterbetriebe, dem 
„Deutschen Bühnen-Verein“, dem Verband der 
Bühnenleiter, gegründet 1846, und der „Genossen- 
schaft deutscher Bühnenangehöriger“, der Organi- 
sation der Arbeitnehmer, gegründet 1871 (unten 
# 7). Durch ein Reskript des RK v. 14. 3. 04 
sind die Bundesstaaten bezw. die Landeszentral-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.