Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
596 Thüringische Staaten (A. Die sächsischen Staaten) 
  
Zu gleicher Zeit wurde daran gearbeitet, eine 
völlige Union zwischen den beiden Herzogtümern 
herbeizuführen. Diese Absicht konnte jedoch nicht 
durchgeführt werden. Vielmehr brachte das die 
beiden Spezialverfassungen beseitigende Grund- 
Gesetz für beide Herzogtümer v. 3. 5. 52 nur 
eine teilweise Vereinigung. Nach §&71 G# sind als 
gemeinsam anzusehen: 1. das Verhältnis der ver- 
einigten Herzogtümer zum Herzog, mit Aus- 
schluß der Bezüge des Herzogs und des herzog- 
lichen Hauses aus Staats- oder Domänenmitteln; 
2. alle Beziehungen der Herzogtümer zum deut- 
schen Staatsorganismus und zu auswärtigen 
Staaten; 3. das Staatsgrundgesetz; 4. der ge- 
meinschaftliche Landtag; 6. das Staatsministerium; 
6. der Staatsgerichtshof; 7. das Militärwesen; 
8. das Oberappellationsgericht und der durch ein 
Gesetz zu errichtende Appellhof nebst den damit 
in Verbindung stehenden Einrichtungen; 9. die 
Postsachen; 10. die Zollsachen; 11. die Staats- 
archive. Die Bestimmungen des # 71 sind zum 
Teil, vor allem infolge der Reichsgesetzgebung, 
veraltet. Nach § 72 des Grund G können auch 
andere Angelegenheiten auf Veranlassung oder 
mit Zustimmung des Herzogs durch überein- 
stimmenden Beschluß der beiden Landtage oder 
einen mit Zustimmung der Mehrheit der Ab- 
geordneten eines jeden der beiden Herzogtümer 
efaßten Beschluß des gemeinschaftlichen Landtags 
8 gemeinsam erklärt werden. # 72 hat seine 
assung durch das Abänderungs G v. 31. 1. 74 
erhalten. Andere Aenderungen brachten die G 
v. 8. 4. 79 (Staatsangehörigkeit), 15. 7. 99 (Thron- 
folge), 14. 4. 02 (Festsetzung der Finanzperiode 
auf zwei Jahre). Die Bildung des Landtags ist 
durch §#§# 143 bis 155 des Grund G wie die ihm 
beigegebene Wahlordnung und Geschäftsordnung 
geregelt. Diese Bestimmungen wurden modifi- 
ziert durch die G v. 14. 1. 67 (Aenderung eines 
Wahlbezirks), das schon erwähnte Gv. 31. 1. 74, 
das G v. 20. 5. 76, Tagegelder betreffend, das 
Gzur Sicherung der geheimen Wahl v. 9. 3. 04 
und die neue Gesch O für die Landtage v. 29. 3. 08. 
Die Rechtsverhältnisse der Domänen und die 
Rechtsverhältnisse des herzoglichen Hauses zum 
Staatsvermögen sind in Koburg durch G v. 21. 2. 
55, in Gotha durch das Teilungs G v. 19. 7. 05 
geregelt. 
II. Organe der Staaten 
#ms 3. Die Landesherren. Der Großherzog von 
Sachsen--Weimar und die drei sächsischen Herzoge 
sind in ihren Ländern Träger der Staatsgewalt, 
beschränkt lediglich durch die Verfassung. Sie sind 
unverletzlich und unterliegen keiner Verantwort- 
lichkeit. Ihre Reg Handlungen bedürfen indessen 
der Gegenzeichnung eines oder mehrerer Mitglie- 
der des Staats Min, die damit die Verantwortung 
übernehmen. Die Regierung ist in allen vier 
Staaten vererblich im Mannesstamm nach dem 
Rechte der Erstgeburt und der Lineal- 
erbfolge. Doch gilt dies nur innerhalb der 
einzelnen Fürstenhäuser. Beim Aussterben einer 
der vier Linien kommen die im Hause Wettin 
eltenden Verträge und Observanzen in Frage. 
anach erben die Speziallinien des gothaischen 
Gesamthauses untereinander. Die Häuser Gotha 
und Weimar, die albertinische und ernestinische 
  
Linie beerben sich gegenseitig. Beim Aussterben 
des ganzen wettinischen Hauses würde die zuerst 
im Jahre 1373 abgeschlossene Erbverbrüderung 
mit Hessen wirksam werden. Die Volljährigkeit 
tritt in Weimar kraft kaiserlichen Privilegs v. 
6. 7. 1775 mit dem 18. Jahr ein. Die Prinzen 
der herzoglichen sächsischen Linien werden mit 
dem 21. Jahr volljährig, doch können in Meiningen 
und Altenburg die Prinzen durch den regierensen 
Herzog, der Herzog selbst durch den ältesten 
regierenden Herrn des Gesamthauses Sachsen 
schon nach Zurücklegung des 18. Lebensjahres für 
volljährig erklärt werden. Ist der Thronfolger 
unmündig oder sonst zur Uebernahme der Regie- 
rung unfähig, so tritt eine Regentschaft 
ein; auch kann bei Abwesenheit des Landesherrn 
vorübergehend der volljährige Thronfolger, ein 
anderer Prinz oder aber das Staats Min mit der 
Staatsregierung beauftragt werden. 8 9 des 
koburg-gothaischen Grund G in der Fassung, die er 
durch das G v. 15. 7. 99 erhalten hat, trifft für den 
Fallbesondere Bestimmungen, daß die Thronfolge 
auf Mitglieder eines ausländischen Fürstenhauses, 
der englischen Königsfamilie, übergeht. In solchem 
Fall kann zwar der König von England oder der 
englische Thronfolger die Regierung in Koburg- 
Gotha antreten, er muß sie aber durch einen 
Statthalter führen lassen, bis sie von einem 
anderen sukzessionsfähigen Prinzen des englischen 
Zweiges übernommen werden kann. 
Eine Zivilliste, in Form einer aus allge- 
meinen Staatsmitteln fließenden Geldrente, be- 
zieht keiner der thüringischen Landesherren. Die 
Rente von 1 020 000 Mk., die dem Großherzog 
von Weimar zusteht, ist auf die dem Fürstenhause 
gehörigen, aber vom Staate verwalteten Domänen 
radiziert. In Meiningen ist nach Erledigung des 
dortigen Domänenstreites das Verhält- 
nis so geordnet, daß der Herzog zunächst aus den 
Erträgnissen der Domänen, über deren staatsrecht- 
liche Eigenschaft im übrigen eine Entscheidung nicht 
getroffen ist, vorweg eine Rente von 230 000 
rheinischen Gulden = 394 285,71 Mk. bezieht. 
Der nach Abzug dieser Rente und der Verw Kosten 
sich ergebende Ueberschuß fällt zur Hälfte (etati- 
siert mit 503015 Mk.) dem Staate, zur Hälfte 
dem Landesherrn zu. 
Die Halbteilung des Reinertrags der durch das 
Gv. 21.2. 1855 vollständig dem herzoglichen Hause 
zugesprochenen Domänen findet sich auch in 
Koburg. 
In Altenburg und Gotha dagegen ist eine reale 
Teilung des Grundeigentums unter Wegfall je- 
der Rentenzahlung aus dem an den Staat über- 
wiesenen Teile vereinbart und durchgeführt. In 
Altenburg hat das herzogliche Haus ½ des Do- 
mänenguts erhalten. In Gotha sind dem herzog- 
lich gothaischen Gesamthaus von den auf 
1 494 629,54 Mk. Reinertrag geschätzten Domänen 
Grundstücke mit einem Ertrag von 854 634,46 Mk., 
der Rest dem Staate zugewiesen. (Ueber die Do- 
mänengesetze vgl. § 2.) 
#§ 4. Die Landtage. In allen vier Staaten be- 
steht nur je eine Kammer. 
I. Die Zahl der Abgeordneten be- 
trägt in Weimar 38, in Meiningen 24, in Alten- 
burg 30, in Koburg 11 und Gotha 19. 
Die Landtage von Koburg und Gotha treten für 
die gemeinsamen sowie die weiteren in §3 111 des
	        
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