Thüringische Staaten (A. Die sächsischen Staaten)
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Grund G normierten Angelegenheiten (Staats-
dienst, Veränderungen in der Behördenorganisa-
tion) zu einem gemeinschaftlichen Landtage zu-
sammen.
Wahlsystem. In Koburg-Gotha werden
sämtliche Abgeordnete mittels allgemeiner und
gleicher, geheimer, indirekter Wahl gewählt. —
In den anderen Staaten geht, bei direktem Wahl-
verfahren, nur ein Teil der Abgeordneten: in
Weimar 23, in Meiningen 16, in Altenburg 21
und zwar 9 für die Städte, 12 für das platte
Land, aus allgemeinen Wahlen hervor, die in
Weimar und Meiningen „gleich“ sind, während
Altenburg ein Klassenwahlrecht nach preußischem
Muster eingeführt hat.
Von dem Reste werden in Weimar je 5, in Mei-
ningen je 4 durch die höchstbesteuerten Grundbe-
sitter und die übrigen Höchstbesteuerten gewählt.
Altenburg läßt die in Betracht kommenden 9 Ab-
geordneten von den Höchstbesteuerten — je 1 auf
500 Seelen der Bevölkerung — ohne Rückficht
auf die Art ihres Besitzes wählen.
In Weimar wird schließlich noch je 1 Abgeord-
neter von der Handels-, Handwerks-, Arbeits-
und Landwirtschaftskammer sowie vom Senate
der Universität Jena gewählt.
Die Wahl erfolgt in Weimar und Altenburg
auf 3, in Meiningen auf 6, in Koburg-Gotha auf
4 Jahre.
Aktiv wahlberechtigt sind durchweg die
Staatsbürger, die das 25. Lebensjahr zurückgelegt
haben und nicht bescholten oder sonst zur Wahl
unfähig sind. Zum Teil ist (Altenburg, Koburg-
Gotha) Zahlung einer direkten Staatssteuer, mit
der der Wähler nicht im Rückstande sein darf, und
eine gewisse Dauer des Aufenthalts im Wahlkreis
(6 Monate in Altenburg) Voraussetzung.
Wählbar ist im wesentlichen, wer wählen
kann. In Weimar und Koburg-Gotha ist jedoch
Zurücklegung des 30. Lebensjahres Bedingung
der Wählbarkeit, in Meiningen und Altenburg
wird eine gewisse Dauer der Zugehörigkeit zum
Staatsverband (in Meiningen 1, in Altenburg
3 Jahre) gefordert. “—
I. Die Zuständigkeit der Landtage er-
streckt sich auf Mitwirkung bei der Finanzverwal-
tung und bei der Gesetzgebung. In letzterer Be-
ziehung steht den Landesvertretungen überall das
Recht der Initiative zu, nachdem auch in Alten-
burg diese im Grundgesetz nicht zugestandene Be-
fugnis durch die spätere Gesetzgebung (vgl. § 2)
gewährt ist. Auch haben sie das Recht, Staats-
diener und insbesondere Mitglieder der Mini-
sterien wegen verfassungswidriger Handlungen zu
belangen (§ 5). Bemerkenswert sind die Bestim-
mungen der weimarischen Geschäftsordnung, daß
ein Abgeordneter, der durch unbegründetes Nicht-
erscheinen die Konstituierung oder die Tätigkeit
des Landtags aufhält, alle daraus dem Lande
entstehenden Kosten zu tragen hat, und ferner,
daß ein Abgeordneter, der die Pflicht zur Geheim-
haltung von Ausschußverhandlungen verletzt, mit
Verweis oder selbst mit Ausschluß aus dem Land-
t9e bestraft werden kann.
u Der Landesherr hat das Recht, den Landtag
zu vertagen und aufzulösen. Doch darf in
Weimar die Vertagung nur auf 30 Tage und nur
einmal während einer Tagung erfolgen. Nach
einer Auflösung müssen in Meiningen die Neu-
wahlen sofort, in Koburg-Gotha binnen 2 Wochen
ausgeschrieben, der neue Landtag hier auch binnen
6 Monaten eröffnet werden. In Weimar gilt der
alte Landtag als wiederhergestellt, wenn nicht die
Anordnung der Neuwahlen binnen 3 Monaten
erfolgt.
## 5. Die Staatsbehörden. Die Organisation
der höheren Staatsbehörden beruht in Weimar
auf G v. 5. 3.50 und V v. 8. 4. 71 und 18. 4. 1901,
in Meiningen auf Edikt v. 21. 1. 1829 (früheres
Landes Min), V v. 14. 9. 48 und G v. 11. 3. 98;
in Altenburg auf G v. 14. 3. 66 und 24. B. 69;
in Koburg-Gotha auf G v. 17. 12. 57 und 18.7. 99.
I. Oberste Instanz in allen Staatsverwaltungs-
angelegenheiten ist durchweg das Staats-
ministerium. An seiner Spitze steht der
Staat Min, der zugleich Chef eines oder mehrerer
Departements ist. Ihm unterstehen einzelne Be-
hörden, so in Meiningen das Revisionsbureau,
unmittelbar. Die übrigen Departements werden
von Staatsräten geleitet, die als Einzelbeamte
fungieren.
Das Gesam #Min tritt nur in besonderen, allge-
mein durch Gesetz bestimmten oder ihm jedesmal
vom Landesherrn oder Staats Min zugewiesenen
Fällen zur Beratung zusammen. In Meiningen
und Altenburg ist das Gesamt Min auch Beschluß-
behörde über Rekurse gegen Verfügungen der
Ressortchefs, soweit nicht in Meiningen das Ober-
verwaltungsgericht zuständig ist, und andere
VerwzRechtsmittel. In Altenburg sind ihm die
Landes-(Landrenten-) Bank und die Generalkom-
mission unmittelbar unterstellt. In Koburg-Gotha
zerfältt das Min in zwei Abteilungen, von denen
ie gothaische die gemeinsamen Angelegenheiten
mitbearbeitet.
In Weimar bestehen 4 Departements: des
Großherzoglichen Hauses, des Kultus und Unter-
richts; der Justiz; des Inneren und Aeußeren;
der Finanzen. Meiningen hat 5 Departe-
ments: des Herzoglichen Hauses und des Aeuße-
ren; des Inneren; der Justiz; des Kultus und
Unterrichts; der Finanzen. Altenburg 4: des
Herzoglichen Hauses, des Aeußeren, des Kultus
und Unterrichts; der Justiz; des Inneren; der
Finanzen. Gotha 4: des Herzoglichen Hauses
und des Aeußeren; des Inneren; der Justiz, des
Kultus und Unterrichtes; der Finanzen.
Die Mitglieder der Ministerien tragen neben
der allgemeinen straf= und privatrechtlichen eine
konstitutionelle Verantwortlichkeit. In sämtlichen
Staaten haben nach den Grundgesetzen die Land-
tage das Recht, sie wegen Verfassungsverletzung
und (in Weimar) unzweckmäßiger Regierungs-
handlungen zur Verantwortung zu ziehen. In
Weimar steht dem Landtage Beschwerde beim
Großherzog oder Klage beim Staatsgerichtshof
zu. Dieser Gerichtshof setzt sich aus dem Präsi-
denten des Oberlandesgerichts in Jena und 12
zur Hälfte vom Großherzog, zur Hälfte vom Land-
tag zu wählenden Räten zusammen. Bei Un-
zweckmäßigkeit ist nur die Beschwerde gegeben.
Das Klageverfahren vor dem Staatsgerichtshof
ist durch ein besonderes G v. 22. 10. 50 geregelt.
In den drei Herzogtümern ist, nach vorgängiger
fruchtloser Beschwerde beim Landesherrn, die
Klage zulässig, zu deren Entscheidung (entweder
durch einen Strafsenat oder durch das Plenum)
das Oberlandesgericht in Jena berufen ist.