Thüringische Staaten (A. Die sächsischen Staaten)
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niserteilung in Gewerbeangelegenheiten, entschei-
den über Streitigkeiten der Armenverbände und
haben beratende Befugnis bei allgemeinen Pol-
Maßregeln, bei Ausführung größerer Bauten usw.
Zugleich bilden sie die höhere Verwehörde in
Angelegenheiten der Sozialversicherung. Ihr Vor-
sitzender ist der Bezirksdirektor, dessen Stimme
bei Stimmengleichheit entscheidet.
Meiningen zerfällt in die vier Kreise
Meiningen, Hildburghausen, Sonneberg und
Saalfeld. An ihrer Spitze steht ein Landrat,
der zugleich Vorsitzender des Kreisausschus-
ses, des Kreisverwaltungsgerichts, des Ver-
sicherungsamts, Zivilvorsitzender der Ersatzkom-
mission, geschäftsleitendes Mitglied des Forstamts
und der Ablösungskommission ist. Unter ihm
stehen unmittelbar die Vorstände der Ortsge-
meinden.
Altenburg ist in vier VerwBezirke einge-
teilt, von denen je einer zugewiesen ist den Land-
ratsämtern in Altenburg, Ronneburg und
Roda und dem Stadtrat in Altenburg, dem die
früher vom Landratsamt Altenburg für den städti-
schen Bezirk wahrgenommenen Geschäfte der
Landesverwaltung mit wenigen Ausnahmen über-
tragen sind. Doch ist für einen Teil dieser Ge-
schafte ein landesherrlicher Kommissar bestellt,
der vor allem als höhere Verw Behörde in Ange-
legenheiten der Sozialversicherung und in Ge-
werbeangelegenheiten fungiert. Unter den Land-
räten stehen in bezug auf die allgemeine Landes-
verwaltung die Stadträte der übrigen neun
Städte sowie 47 Amtsvorsteher, denen wiederum
die Vorsteher der Landgemeinden nachgeordnet
sind.
Koburg zerfällt in fünf Verw Bezirke, von
denen einer dem Landratsamt Koburg,
die übrigen den Magistraten der Städte
Koburg, Neustadt und Rodach und dem Stadt-
rat in Königsberg i. Fr. zugewiesen sind. Unter
dem Landratsamt stehen sämtliche Landgemein-
den. In Gotha bestehen 6 Verw Bezirke unter
den drei Landratsämtern Gotha, Ohr-
druf und Waltershausen und den Stadträten
der drei Städte gleichen Namens. Die Stadträte
der übrigen vier Städte sowie die Gemeindevor-
stände der Landgemeinden unterstehen den Land-
ratsämtern. — Den Verw Behörden steht zugleich
die Entscheidung über die Verwzechtsmittel zu.
III. Eine vollkommen ausgebildete be-
sondere Verwaltungsgerichtsbarkeit)
besitzt nur Meiningen. Hier bestehen nach
dem G v. 15. 3. 97 vier Kreisverwaltungsgerichte,
ein Landesverwaltungsgericht sowie ein Ober-
verwaltungsgericht. Die Kreisverwaltungsgerichte
setzen sich zusammen aus dem Landrat als Vor-
sitzendem und zwei vom Kreisausschuß auf sechs
Jahre gewählten Beisitzern; das Landesverwal-
tungsgericht aus dem Vorstand der Ministerialab-
teilung des Inneren als Vorsitzendem und zwei
vom Herzog ernannten Beisitzern; das Oberver-
waltungsgericht aus dem Staats Min als Vorsitzen-
dem, zwei weiteren Mitgliedern des Min und zwei
vom Herzog ernannten Beisitzern. In den übrigen
Staaten entscheiden der Regel nach die VerwBe-
1) Knauth, Die Gesetzgebung über die Berwzechts-
pflege in Thüringen, 1913. Aus der Praxis des O###:
Giese, ArchöffR 1914, Heft 1. (D. 5.)
hörden. Doch ist durch Staats Vt v. 15. 12. 10
zwischen Weimar, Altenburg, den beiden Schwarz-
burg und den beiden Reuß, dem am 1. 4. 12
auch Koburg-Gotha beigetreten ist, ein gemein-
schaftliches Thüringisches Ober-
verwaltungsgericht mit dem Sitze in
Jena errichtet worden. Es hat seine Tätigkeit am
1. 10. 12 begonnen und ist zuständig für das gegen
Entscheidungen von Verwoé’#erichten oder Verw-
Behörden eingewendete Rechtsmittel der Revision.
In Koburg-Gotha tritt das Oberverwaltungs-
gericht mit dem 1. 7. 13 an die Stelle des durch
Gv. 14. 11. 99 eingerichteten Verwaltungsgerichts-
hofs, dem jedoch die anhängigen Sachen belassen
werden. Die Kosten des Oberverwaltungsgerichts
werden, soweit sie nicht durch eigene Einnahmen
gedeckt werden, durch zur Hälfte nach der Bevöl-
kerungszahl, zur Hälfte nach der Zahl der an-
hängig gewordenen Sachen bemessene Zuschüsse
der beteiligten Staaten aufgebracht.
88. Justizverwaltung und Justizorganisation.
Die gesamte Justizverwaltung liegt den Justiz-
abteilungen der Ministerien ob, denen zugleich die
Oberaufsicht über die Gerichte zusteht. — Für
sämtliche thüringische Staaten,
also außer den vier sächsischen die beiden Schwarz-
burg und die beiden Reuß, sowie für die preu-
ßhischen Kreise Schmalkalden, Schleusingen und
Ziegenrück besteht ein gemeinschaftliches Thü-
ringisches Oberlandesgericht in Jena,
errichtet auf Grund der Vt v. 19. 2. 77 und
(Beitritt Preußens) v. 23. 4. 78. Die Verträge
sind am 27. 11. 03 so erneuert worden, daß vor
dem 1. 10. 1929 eine Kündigung von keinem
Staate ausgesprochen werden kann.
Beim Oberlandesgericht bestehen für die thü-
ringischen Staaten gemeinsame Prüfungskom-
missionen zur Abnahme der ersten und zweiten
juristischen Staatsprüfung.
Unter dem Oberlandesgericht Jena stehen acht
Landgerichte,. von denen fünf, nämlich
Weimar, Eisenach, Meiningen, Altenburg und
Gotha, zu den sächsischen Staaten gehören. Die
anderen drei sind Rudolstadt, Gera und Greiz.
Von den Landgerichten bilden Gera, Meiningen
und Rudolstadt folgende Gemeinschaften:
Zum Bezirk des Landgerichts Gera gehört der wei-
marische Verw Bezirk Neustadt a. d. Orla mit drei
Amtsgerichten; in den Bezirk des Landesgerichts
Meiningen fallen außer den meiningischen Kreisen
Meiningen, Hildburghausen und Sonneberg das
Herzogtum Koburg und die preußischen Kreise
Schmalkalden und Schleusingen; dem Land-
gericht Rudolstadt sind zugewiesen außer Schwarz-
burg-Rudolstadt der meiningische Kreis Saalfeld
und der preußische Kreis Ziegenrück.
Bezüglich der Schwurgerichtsbarkeit
ist Thüringen gemäß den Verträgen, welche die
zum Oberlandesgericht Jena vereinigten Staaten
am 11. 11. 78, 30. 3. 89 und 25. 2. 98 abge-
schlossen haben, in vier Bezirke eingeteilt. Der
erste hat seinen Sitz in Gera und umfaßt die Land-
gerichtsbezirke Gera, Altenburg und Greiz; der
zweite mit dem Sitz in Meiningen umfaßt den
Bezirk des dortigen Landgerichts; zu dem dritten
mit dem Sitz abwechselnd in Gotha und Eisenach
gehören die Bezirke dieser beiden Landgerichte;
den vierten bilden, ebenfalls mit abwechselndem
Sitz, die Landgerichte Weimar und Rudolstadt.