604
Thüringische Staaten (B. Schwarzburg)
chenhoheit aus als Inhaber der Staatsgewalt
sowie das Kirchenregiment im kirchenrechtlichen
Sinne. Oberste Kirchenbehörde ist das Mini-
sterium, Abteilung für Kirchen- und Schulsachen.
Die Bearbeitung der rein geistlichen und kirchlichen
Angelegenheiten in dieser Ministerialabteilung er-
folgt durch ein Kollegium, den „Kirchenrat".
Als die zunächst untergeordnete Behörde wirkt
die in jedem Landratsamt errichtete, aus den Per-
sonen des Landrats und des Superintendenten
bestehende Kirchen= und Schulinspek-
tion. Als unterste Instanz für Leitung und
Beaufsichtigung der kirchlichen und Schulange-
legenheiten fungieren die im Jahre 1854 einge-
führten Kirchen= und Schulvorstände.
Die geistlichen Jurisdiktionsverhältnisse der Katho-
liken des Fürstentums sind besonders geregelt
(V v. 10. 11. 71).
VII. Das Schulwesen. Die Aussicht über
alle öffentlichen und Privat-, Unterrichts= und Er-
ziehungsanstalten steht dem Staate zu. Die Ge-
meinden sind zur Unterhaltung der Volksschulen
verpflichtet. Sie sind befugt, von den zum Besuche
der Volksschule verpflichteten und von dieser Pflicht
nicht entbundenen Kindern für die Gewähr des Un-
terrichts Schulgeld zu erheben. Die Feststellung des
Schulgeldes erfolgt im Wege des Ortsstatuts, das
der Bestätigung der obersten Schulbehörde (Mini-
sterium, Abt. für Kirchen- und Schulsachen) bedarf.
VIII. Die Polizei. Die Gemeindebehör-
den haben auf Verlangen der Regierung die Ver-
waltung der Ortspolizei zu übernehmen. Den mit
der Pol Verwaltung betrauten Personen und Be-
hörden steht eine staatliche Zwangsgewalt zu, um
ihre polizeilichen Anordnungen durchzusetzen, auch
haben sie das Recht, polizeiliche Verordnungen
mit Strafandrohung zu erlassen (G v. 6. 12. 92).
Die dem Ministerium zustehende Strafandrohung
darf den Höchstbetrag von 300 Mark oder entspre-
chende Haft nicht überschreiten. Der Höchstbetrag
ist für die Landratsämter 150 Mark oder Haft bis
zu 14 Tagen und für die mit der Handhabung der
Ortspolizei betrauten Organe 60 Mark oder Haft
bis zu einer Woche. Pol Verordnungen des Mini-
steriums werden, wenn es sich nicht bloß um vor-
Übergehende Anordnungen handelt, durch die Ge-
setsammlung, in anderen Fällen durch die Amts-
blätter des Fürstentums veröffentlicht. Die Ver-
kündigung der orts- und bezirkspolizeilichen Ver-
ordnungen erfolgt durch das Amtsblatt des be-
treffenden Landesteils. Das Ministerium ist be-
fugt, soweit Gesetze nicht entgegenstehen, jede
polizeiliche Vorschrift außer Kraft zu setzen.
Literatur: Klinghammer in Maraquardsen,
B des öffentl. Rechts III. 2. Halbband, 2. Abt., 1884,
S 143—152; Schwart, Das Staats= und VerwRecht
des Fürstentums Schwarzburg--Rudolstadt, 1909 mit Nach-
trag von 1912; Sammlung der Gesetze und Verordnungen
in Kirchen= und Schulsachen, Rudolstadt 1886, 1895.
Gesetze werden in der seit 1840 bestehenden „Gesetz-
sammlung"“ für das Fürstentum publiziert (G v. 15. 1. 40).
Bordem wurden sie in den „Rudolstädtischen wöchentlichen
Anzeigen und Nachrichten“ und später (seit 1834) außerdem
auch in dem „wöchentlichen Frankenhäusischen Intelligenz-
Blatt“ verössentlicht. In Krast treten die Gesetze, insofern
in ihnen selbst nicht ein bestimmter Anfangstermin vorge-
sehen ist, mit dem Tage der Ausgabe des betrefsenden
Stücks der Gesetzsammlung. Schwartz.
II Schwarzburg-Sondershausen
Bundesrat 1 Stimme, Reichstag 1 Abgeordneter,
Größe 862,11 qkm; 89 917 Einwohner (1910);
auf 1 qkm 104,3 Einwohner — Staatshaushalt
1912 bis 1915 (vierjährige Finanzperiode) jähr-
lich 3 415 598 Mk.
I. Das Staatsgebiet zerfällt in die
Unterherrschaft mit der Residenz Sondershausen
519,14 qkm mit 41 380 Einwohnern und die
Oberherrschaft mit der 2. Residenz Arnstadt,
342,96 qkm mit 48 537 Einwohnern.
II. Staatsoberhaupt. Der Fürst ver-
einigt in sich alle Rechte der obersten Staats-
gewalt innerhalb der Schranken des Grundge-
setzes von 1857 und der Reichsverfassung. So-
lange die Verwaltung des im fsideikommissarischen
Privateigentum des fürstlichen Hauses stehenden
Kammergutes (außer Schlössern und Fischereien
23 Domänen mit 7492 ha und 13 Forstreviere
mit 17 235 ha) mit Ausschluß der dem Fürsten
vorbehaltenen Bestandteile der Landesverwaltung
überlassen bleibt, erhält der Fürst aus den Ein-
künften des Kammerguts eine Domänenrente von
jährlich 500 000 Mk., nach dem Aussterben der
jetzt regierenden Linie des Fürsten Günther im
Mannesstamme 400 000 Mk. und von den Ueber-
schüssen über 862 000 Mk. noch /8. Auf der Do-
mänenrente ruht die Verpflichtung, sämtliche Be-
dürfnisse des Fürsten, des fürstlichen Hauses und
Hofes mit Einschluß der Kosten einer Regent-
schaft zu bestreiten und für die in Sondershausen
zu erhaltende Hofkapelle jährlich mindestens
36 000 Mk. aufzuwenden. Der Fürst kann jeder-
zeit mit Einhaltung einer einjährigen Aufkün-
digungsfrist das Kammergut in eigene Verwal-
tung zurücknehmen. Alsdann ist aber aus den
Einkünften zu den Kosten der Landesverwaltung
eine Jahresrente von 300 000 Mk., nach dem Aus-
sterben der jetzt regierenden Linie des Fürsten
Günther im Mannesstamme von 400 000 Mk.,
an die Karl-Günther-Stiftung abzuführen.
III. Verfassung. Landtag.
Infolge Zusicherung der deutschen Bundesakte
wurde das erste Landesgrundgesetz 1841 erlas-
sen, dem ein zweites mit demokratisch-monar-
chischer Regierungsform 1849 und sodann das
jetzt noch gültige G v. 8. 7. 57 folgte, geändert
durch Gv. 2. 8. 66, 13. 5. 79, 14. 6. 81, 14. 8. 96,
19. 8. 96, 15. 8. 01, 27. 2. 11 und 5. 3. 12. Der
Fürst ist bei dem Erlasse von Gesetzen, bei dem
Abschluß von Staatsverträgen, die dem Staate
Lasten oder den Staatsangehörigen Verpflichtun-
gen auferlegen sowie für die Feststellung des
Staatshaushaltsetats und die Einführung, Er-
höhung oder Verminderung von Steuern an die
Mitwirkung des Landtages gebunden, der über-
dies das Recht hat, über Mängel in Verwaltung
und Rechtspflege Beschwerde zu führen und
Anträge, auch Gesetzesanträge, im Interesse der
Landeswohlfahrt zu stellen. Eine Veräußerung
des Kammerguts kann — mit gewissen Aus-
nahmen — nur mit Zustimmung des Landtags.
geschehen.
Der Landtag besteht aus einer Kammer
mit höchstens 18 Mitgliedern, nämlich höchstens
6 auf Lebenszeit vom Fürsten ernannten Mit-