Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
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Thüringische Staaten (B. Schwarzburg) 
  
chenhoheit aus als Inhaber der Staatsgewalt 
sowie das Kirchenregiment im kirchenrechtlichen 
Sinne. Oberste Kirchenbehörde ist das Mini- 
sterium, Abteilung für Kirchen- und Schulsachen. 
Die Bearbeitung der rein geistlichen und kirchlichen 
Angelegenheiten in dieser Ministerialabteilung er- 
folgt durch ein Kollegium, den „Kirchenrat". 
Als die zunächst untergeordnete Behörde wirkt 
die in jedem Landratsamt errichtete, aus den Per- 
sonen des Landrats und des Superintendenten 
bestehende Kirchen= und Schulinspek- 
tion. Als unterste Instanz für Leitung und 
Beaufsichtigung der kirchlichen und Schulange- 
legenheiten fungieren die im Jahre 1854 einge- 
führten Kirchen= und Schulvorstände. 
Die geistlichen Jurisdiktionsverhältnisse der Katho- 
liken des Fürstentums sind besonders geregelt 
(V v. 10. 11. 71). 
VII. Das Schulwesen. Die Aussicht über 
alle öffentlichen und Privat-, Unterrichts= und Er- 
ziehungsanstalten steht dem Staate zu. Die Ge- 
meinden sind zur Unterhaltung der Volksschulen 
verpflichtet. Sie sind befugt, von den zum Besuche 
der Volksschule verpflichteten und von dieser Pflicht 
nicht entbundenen Kindern für die Gewähr des Un- 
terrichts Schulgeld zu erheben. Die Feststellung des 
Schulgeldes erfolgt im Wege des Ortsstatuts, das 
der Bestätigung der obersten Schulbehörde (Mini- 
sterium, Abt. für Kirchen- und Schulsachen) bedarf. 
VIII. Die Polizei. Die Gemeindebehör- 
den haben auf Verlangen der Regierung die Ver- 
waltung der Ortspolizei zu übernehmen. Den mit 
der Pol Verwaltung betrauten Personen und Be- 
hörden steht eine staatliche Zwangsgewalt zu, um 
ihre polizeilichen Anordnungen durchzusetzen, auch 
haben sie das Recht, polizeiliche Verordnungen 
mit Strafandrohung zu erlassen (G v. 6. 12. 92). 
Die dem Ministerium zustehende Strafandrohung 
darf den Höchstbetrag von 300 Mark oder entspre- 
chende Haft nicht überschreiten. Der Höchstbetrag 
ist für die Landratsämter 150 Mark oder Haft bis 
zu 14 Tagen und für die mit der Handhabung der 
Ortspolizei betrauten Organe 60 Mark oder Haft 
bis zu einer Woche. Pol Verordnungen des Mini- 
steriums werden, wenn es sich nicht bloß um vor- 
Übergehende Anordnungen handelt, durch die Ge- 
setsammlung, in anderen Fällen durch die Amts- 
blätter des Fürstentums veröffentlicht. Die Ver- 
kündigung der orts- und bezirkspolizeilichen Ver- 
ordnungen erfolgt durch das Amtsblatt des be- 
treffenden Landesteils. Das Ministerium ist be- 
fugt, soweit Gesetze nicht entgegenstehen, jede 
polizeiliche Vorschrift außer Kraft zu setzen. 
Literatur: Klinghammer in Maraquardsen, 
B des öffentl. Rechts III. 2. Halbband, 2. Abt., 1884, 
S 143—152; Schwart, Das Staats= und VerwRecht 
des Fürstentums Schwarzburg--Rudolstadt, 1909 mit Nach- 
trag von 1912; Sammlung der Gesetze und Verordnungen 
in Kirchen= und Schulsachen, Rudolstadt 1886, 1895. 
Gesetze werden in der seit 1840 bestehenden „Gesetz- 
sammlung"“ für das Fürstentum publiziert (G v. 15. 1. 40). 
Bordem wurden sie in den „Rudolstädtischen wöchentlichen 
Anzeigen und Nachrichten“ und später (seit 1834) außerdem 
auch in dem „wöchentlichen Frankenhäusischen Intelligenz- 
Blatt“ verössentlicht. In Krast treten die Gesetze, insofern 
in ihnen selbst nicht ein bestimmter Anfangstermin vorge- 
sehen ist, mit dem Tage der Ausgabe des betrefsenden 
Stücks der Gesetzsammlung. Schwartz. 
  
II Schwarzburg-Sondershausen 
Bundesrat 1 Stimme, Reichstag 1 Abgeordneter, 
Größe 862,11 qkm; 89 917 Einwohner (1910); 
auf 1 qkm 104,3 Einwohner — Staatshaushalt 
1912 bis 1915 (vierjährige Finanzperiode) jähr- 
lich 3 415 598 Mk. 
I. Das Staatsgebiet zerfällt in die 
Unterherrschaft mit der Residenz Sondershausen 
519,14 qkm mit 41 380 Einwohnern und die 
Oberherrschaft mit der 2. Residenz Arnstadt, 
342,96 qkm mit 48 537 Einwohnern. 
II. Staatsoberhaupt. Der Fürst ver- 
einigt in sich alle Rechte der obersten Staats- 
gewalt innerhalb der Schranken des Grundge- 
setzes von 1857 und der Reichsverfassung. So- 
lange die Verwaltung des im fsideikommissarischen 
Privateigentum des fürstlichen Hauses stehenden 
Kammergutes (außer Schlössern und Fischereien 
23 Domänen mit 7492 ha und 13 Forstreviere 
mit 17 235 ha) mit Ausschluß der dem Fürsten 
vorbehaltenen Bestandteile der Landesverwaltung 
überlassen bleibt, erhält der Fürst aus den Ein- 
künften des Kammerguts eine Domänenrente von 
jährlich 500 000 Mk., nach dem Aussterben der 
jetzt regierenden Linie des Fürsten Günther im 
Mannesstamme 400 000 Mk. und von den Ueber- 
schüssen über 862 000 Mk. noch /8. Auf der Do- 
mänenrente ruht die Verpflichtung, sämtliche Be- 
dürfnisse des Fürsten, des fürstlichen Hauses und 
Hofes mit Einschluß der Kosten einer Regent- 
schaft zu bestreiten und für die in Sondershausen 
zu erhaltende Hofkapelle jährlich mindestens 
36 000 Mk. aufzuwenden. Der Fürst kann jeder- 
zeit mit Einhaltung einer einjährigen Aufkün- 
digungsfrist das Kammergut in eigene Verwal- 
tung zurücknehmen. Alsdann ist aber aus den 
Einkünften zu den Kosten der Landesverwaltung 
eine Jahresrente von 300 000 Mk., nach dem Aus- 
sterben der jetzt regierenden Linie des Fürsten 
Günther im Mannesstamme von 400 000 Mk., 
an die Karl-Günther-Stiftung abzuführen. 
III. Verfassung. Landtag. 
Infolge Zusicherung der deutschen Bundesakte 
wurde das erste Landesgrundgesetz 1841 erlas- 
sen, dem ein zweites mit demokratisch-monar- 
chischer Regierungsform 1849 und sodann das 
jetzt noch gültige G v. 8. 7. 57 folgte, geändert 
durch Gv. 2. 8. 66, 13. 5. 79, 14. 6. 81, 14. 8. 96, 
19. 8. 96, 15. 8. 01, 27. 2. 11 und 5. 3. 12. Der 
Fürst ist bei dem Erlasse von Gesetzen, bei dem 
Abschluß von Staatsverträgen, die dem Staate 
Lasten oder den Staatsangehörigen Verpflichtun- 
gen auferlegen sowie für die Feststellung des 
Staatshaushaltsetats und die Einführung, Er- 
höhung oder Verminderung von Steuern an die 
Mitwirkung des Landtages gebunden, der über- 
dies das Recht hat, über Mängel in Verwaltung 
und Rechtspflege Beschwerde zu führen und 
Anträge, auch Gesetzesanträge, im Interesse der 
Landeswohlfahrt zu stellen. Eine Veräußerung 
des Kammerguts kann — mit gewissen Aus- 
nahmen — nur mit Zustimmung des Landtags. 
geschehen. 
Der Landtag besteht aus einer Kammer 
mit höchstens 18 Mitgliedern, nämlich höchstens 
6 auf Lebenszeit vom Fürsten ernannten Mit-
	        
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