Thüringische Staaten (B. Schwarzburg)
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gliedern, 6 Abgeordneten der Höchstbesteuerten
und 6 aus allgemeinen Wahlen hervorgegangenen
Abgeordneten: Wahl G v. 14. 1. 56, geändert
13. 4. 81, 19. 4. 04, 27. 2. 11 und 2. 4. 12. Von
den 6 Abgeordneten der Höchstbesteuerten werden.
in der Ober-- wie der Unterherrschaft je 3 Abge-
ordnete durch die 150 Höchstbesteuerten als Wahl-
berechtigte in unmittelbarer Wahl und einer
Wahlhandlung gewählt. Die 6 Abgeordneten aus
allgemeinen Wahlen werden von den Wahl-
männern der 6 Wahlbezirke, die Wahlmänner von
den Urwählern in Urwahlbezirken gewählt. Die
Wahlen erfolgen geheim durch Abgabe von
Stimmzetteln auf eine Legislaturperiode von
4 Jahren (Etatperiode je vom 1. April laufend).
Der aus dem Landtagspräsidenten und zwei von
dem Landtage aus seiner Mitte zu wählenden
Mitgliedern bestehende Landtagsausschuß
hat die Erhebung und Verwendung der Staats-
einkünfte jährlich nachzuprüfen. Er bleibt nach
Ablauf der Wahlperiode oder nach Auflösung des
Landtags so lange in Wirksamkeit, bis ein neuer
Ausschuß gewählt ist.
Nach dem G v. 2. 3. 121) erhalten die an den
Verhandlungen teilnehmenden Abgeordneten an
Taggeldern 7,50 Mk. die am Orte der Versamm-
lung wohnenden, 15 Mk. die auswärtigen, außer-
dem Reiseentschädigung, der Präsident 10 bezw.
20 Mk. täglich.
IV. Behörden. AVerwaltung. Unter
dem Fürsten werden die Reg Geschäfte durch
ein Ministerium geleitet. Das Min bildet
ein aus 3 stimmführenden Mitgliedern bestehendes
dem Landtage verantwortliches Kollegium: #12
des Gov. 8. 7. 57, G v. 17. 3. 50 und V v. 16. B. 50.
Die Geschäfte werden in 5 Fachabteilungen be-
handelt. Unter der Abteilung des Innern stehen
als Behörden der allgemeinen Landesverwaltung
der Landrat zu Sondershausen für den Kreis
der Unterherrschaft und der Landrat zu Gehren
für den Kreis der Oberherrschaft sowie die kollegial,
mit nicht besoldeten Stadträten neben dem Bür-
ermeister besetzten Magistrate der kreis-
greden Städte Sondershausen und Arnstadt. Unter
den Landräten stehen abgesehen von den klreis-
freien Städten, die Gemeindebehörden.
Unter dem Min Finanzabteilung steht das Ober-
1 orstamt in Sondershausen als nächstvorge-
etzte Dienstbehörde der Oberförster.
B. Justizpflege. Amtsgerichte sind
fünf errichtet; zufolge des mit Preußen geschlosse-
nen Staats V7# v. 7. 10. 78 ist das Oberlandes-
Kericht Naumburg und das Landgericht
rrfurt als gemeinschaftliches Gericht für das
Fürstentum mitbestellt. Das Institut der No-
tare war bereits durch G v. 9. 1. 72 einge-
führt, jetzt Notariats O v. 29. 7. 99, Notariats-
kosten G, s. Bek v. 12. 1. 00.
C. Durch Gv. 13. 5. 12 sind 2 Bezirks-
verwaltungsgerichte (in Sondershau-
sen für den Kreis der Unterherrschaft und die
Stadt Sondershausen, in Gehren für den Kreis
der Oberherrschaft und die Stadt Arnstadt) und
ein Landesverwaltungsgericht in
Sondershausen errichtet; ZustG v. 3. 10. 12.
Oberste Instanz ist das mit 4 anderen Thür.
Staaten (Weimar, Altenburg, Gotha und Rudol-
1) Hiernach ändert sich die Angabe in Band I S24.
stadt) gemeinsam gebildete Oberverwal-
tungsgericht in Jena, Staats Vt v. 15. 12.
1910 1).
D. Mit dem Fürstentum Rudolstadt gemein-
same Behörden sind das Oberversiche-
rungsamt, zu dessen Bezirk 7 Versicherungs-
ämter gehören, das Erbschafts= und Zu-
wachssteueramt und die Gewerbein-
spektion, sämtlich mit dem Sitze in Arnstadt.
V. Selbstverwaltungskörper. Der
Kreis der Unter- und der Oberherrschaft wer-
den je von einem Landrat verwaltet. Ihm zur
Seite steht ein aus 15 Mitgliedern bestehender
Kreisausschuß, der die Befugnis hat,
Kreissteuern in Gestalt von Zuschlägen auf die
direkten Staatssteuern und Anleihen zu be-
schließen, Kr O v. 6. 4. 12, Ausf. V v. 4. 9. 12. —
Das Staatsgebiet zerfällt in Gemeindebe-
zirke und selbständige Guts- (Schloß-, Do-
mänen-, Forst= und Ritterguts-) Bezirke. Die
Gemeinden sind Körperschaften des öffentlichen
Rechts und haben unter gesetzlich geordneter
Oberaufsicht des Staates die selbständige Ver-
waltung ihrer Angelegenheiten: Gem O v. 1. 6. 12.
Die Gemeinden können Zweckverbände bilden.
Das Bürgerrecht wird durch Anstellung als Be-
amter oder durch ein= bezw. zweijährigen Aufent-
halt erworben. Weiblichen Personen kann das
Bürgerrecht auf Antrag vom Gemeinderate ver-
liehen werden. Die Bürger wählen in direkter
geheimer Wahl in 3 nach Steuerklassen gebildeten
Abteilungen den Gemeinderat, dieser auf wenig-
stens 12 Jahre durch Stimmzettel den Bürger-
meister. Ausf. B zur GemO v. 25. 9. 12.
VI. Die Kirche. Durch # 4 des Landes-
grund G v. 8. 7. 57 ist die evangelisch-lutherische
Kirche als Landeskirche erklärt; in ihr übt der
Fürst die bischöflichen Rechte aus. Durch Gv.
9. 12. 65 (geändert 3. 12. 93) ist das Mini-
sterium Abteilung für Kirchen-
und Schulsachen als oberste Kirchenbe-
hörde bestimmt; ihm ist eine kollegiale Behörde,
der Kirchenrat, beigeordnet. Für die bei-
den Kreise einschließlich der kreisfreien Städte ist
je eine aus dem Landrate und dem Superinten-
denten bestehende Kirchenin spektion ge-
bildet. Als unterste Instanz fungiert in jeder Ge-
meinde ein Kirchen vorstand. — Durch
Gv. 21. 7. 05 sind die römisch-katholi-
schen Pfarrgemeinden in Sondershausen und
Arnstadt — die eigene Kirchen erbaut haben —
als Körperschaften des öffentlichen Rechts aner-
kannt. Die Juden bilden je in der Unter= und
Oberherrschaft eine Synagogengemeinde, G’v.
3. 1. 60 mit Nachtrag v. 1. 7. 84, Regl v. 12. 9. 60
und 4. 8. 84. In Arnstadt ist eine Synagoge er-
richtet. (Im Jahre 1910: 1732 Katholiken und 215
Juden neben 87 836 Evangelischen.)
VII. Das Schulwesen. Volksschul G v.
31. 5. 12. Die Volksschule ist eine unter
der Aufsicht des Staates stehende, von der Ge-
meinde zu unterhaltende Gemeindeanstalt. Durch
Ortsgesetz, das der Bestätigung der Landesschul-
behörde (Min Abt. f. Kirchen= und Schulsachen)
bedarf, kann Schulgeld erhoben werden. Acht-
1) Bal. Bauer, Gesetze über die Berwaltungsgerichts-
barkeit im Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen (er-
läutert), 1913; auch oben S 599 1. (D. H.)