Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
Thüringische Staaten (C. Reuß) 
607 
  
Landesdomanialfonds betr.). Eine Zivilliste er- 
hätt der Fürst nicht. Das landesherrliche Fidei- 
ommißvermögen wird von der Fürstl. Kammer 
in Schleiz verwaltet, die Behördeneigenschaft hat 
und unmittelbar unter dem Fürsten steht. 
§5 2. Die Bolksvertretung. 
A. Aeltere Linie. Der Landtag besteht 
aus 15 Abgeordneten und 15 Stellvertretern. 
3 von ihnen ernennt der Landesherr, 2 wählen 
gewisse Großgrundbesitzer aus ihrer Mitte, 7 wäh- 
en in allgemeinen Wahlen die übrigen Wahlbe- 
rechtigten; dazu kommen die ersten und als Stell- 
vertreter die zweiten Bürgermeister von Greiz 
und Zeulenroda und 1 Abgeordneter, der nebst 
seinem Stellvertreter von den Landgemeindevor- 
stehern aus ihrer Mitte gewählt wird. Die Wahl- 
zeit beträgt 6 Jahre; alle 3 Jahre scheidet ein 
Teil der Abgeordneten aus. Die Wahlen erfolgen 
direkt und geheim unter Abgabe von Stimm- 
zetteln und nach absoluter Mehrheit der abge- 
gebenen Stimmen. Ueber die Gültigkeit der 
Wahlen entscheidet endgültig der Landtag. 
Die Abgeordneten sind nicht an Aufträge und 
Instruktionen gebunden. Sie erhalten Tagegelder. 
Der Landtag regelt den Geschäftsgang durch eine 
Geschäftsordnung und wählt einen Vorsitzenden 
nebst Stellvertreter aus seiner Mitte, einen Schrift- 
führer aus den inländischen Rechtskundigen. Die 
Verhandlungen sind in der Regel öffentlich. Be- 
ratungsfähig ist der Landtag wenn 8, beschluß- 
fähig wenn 10 Abgeordnete anwesend sind; es 
entscheidet einfache Stimmenmehrheit, abgesehen 
vonden in der Verfassung vorgesehenen besonderen 
ällen. 
Der Landtag bewilligt die Ausschreibung und 
Erhebung der Landesabgaben und genehmigt den 
Etat und die Aufnahme neuer Staatsschulden. 
Seine Zustimmung ist für den Erlaß von Gesetzen 
erforderlich. Er hat das Recht der Beschwerde 
gegen Staatsdiener (nicht des Gesetzesvorschlags). 
Während der Landtag nicht versammelt ist, er- 
ledigt der Vorsitzende des letzten Landtags oder 
sein Vertreter diejenigen Landtagsgeschäfte, für 
die nicht die Mitwirkung des Plenums vorge- 
schrieben ist (Verf v. 28. 3. 67, Nachtrags Gv. 
18. 5. 13, das im Herbst 1914 in Kraft treten wird). 
B8. Jüngere Linie. Nach dem Landtags- 
wahl G v. 8. 1. 13 besteht der Landtag aus dem 
Fürstl. Besitzer des Reuß-Köstritzer Paragiums, 
3 Abgeordneten der Hoöchstbesteuerten (über 
7500 Mk. Einkommen) und 17 Abgeordneten der 
übrigen Wähler. Die Wahlzeit beträgt 4 Jahre. 
Die Höchstbesteuerten haben nur je 1 Stimme. 
Für die übrigen Wähler ist je nach Einkommen- 
höhe, Grundbesitzumfang, Alter, Bildung ein 
Pluralwahlrecht mit 1—5 Stimmen eingeführt. 
Die 3 Abgeordneten der Höchstbesteuerten wer- 
den in direkter Wahl einheitlich von sämtlichen 
Wahlberechtigten gewählt. Die Wahl der übri- 
gen Abgeordneten geschieht einzeln und direkt 
in 17 Wahlkreisen. Alle Wahlen erfolgen öffent- 
lich durch Abgabe von Stimmzetteln in gestem- 
pelten Umschlägen und nach absoluter Mehrheit 
der abgegebenen Stimmen. Ueber die Gültig- 
keit der Wahlen entscheidet endgültig der Landtag. 
Die Abgeordneten sind nicht an Aufträge und 
Instruktionen gebunden. Sie erhalten eine tägliche 
Auslösung. Der Landtag regelt den Geschäfts- 
gang durch eine Geschäftsordnung und wählt 
  
einen Präsidenten, einen Vizepräsidenten und 
einen Schriftführer aus seiner Mitte. Die Ver- 
handlungen sind in der Regel öffentlich. Minde- 
stens ein Mitglied oder ein Beauftragter des Min 
muß an ihnen teilnehmen. Beschlußfähig ist der 
Landtag bei Anwesenheit von /# aller Abgeord- 
neten. Beschlüsse (auch bei Verf Aenderungen) 
kommen durch einfache Mehrheit zustande. Der 
Landtag wählt drei Ausschüsse (1. für 
Petitionen, 2. für die Finanzen, 3. fürs Justiz- 
wesen). Gewisse Befugnisse, namentlich Rech- 
nungsabnahme, zwischen zwei ordentlichen Land- 
tagen hat der aus dem letzten Landtagspräsidenten 
und 2 Abgeordneten bestehende Landtags- 
ausschusß. 
Der Landtag bewilligt neue Steuern und ge- 
nehmigt den Etat, die Aufnahme neuer Staats- 
schulden, die Ausgabe von Kassenscheinen und die 
Veräußerung von Staatsgrundstücken im Werte 
von mehr als 1000 Mk. Er überwacht das gesamte 
Staatsvermögen. Jhm ist jährlich über Verwen- 
dung der Staatseinnahmen Rechnung zu legen. 
Für den Erlaß von Gesetzen bedarf der Landesherr 
der Zustimmung des Landtags. Dieser hat das 
Recht des Gesetzesvorschlags, der Beschwerde 
gegen Behörden, der Adresse, der Ministeranklage. 
8 3. Behörden und Beamte. 
A. Aeltere Linie. 
1. Behörden. Oberste Staatsverwaltungs- 
behörde ist die Landesregierung in 
Greiz (Kollegialbehörde ohne Ressorteinteilung), 
oberste Kirchen= und Schulbehörde das Konsi- 
storium daselbst (Kollegialbehörde). Die An- 
gelegenheiten des fürstlichen Hauses verwaltet 
das Geheime Kabinett. Unter der Lan- 
desregierung stehen das Landesbauamt, 
das Straßenbauamt, die Fabrikin- 
spektion (Gewerbeinspektor), 3 Physici, 
der Landestierarzt, das Kataster- 
amt, die Landrentenbank, deren Vor- 
stand zugleich derjenige des Rechnungsamts 
ist, das Steueramt. 
Für das ganze Staatsgebiet besteht ein Land- 
ratsamt in Greiz als Landespolizeibehörde 
und als Aufsichtsbehörde der Landgemeinden. 
Sein Vorstand (Landrat) übt die Aufsicht über 
den Landarmenverband und enischei- 
det in Armenstreitsachen in 1. Instanz; 2. Instanz 
ist das Heimatsamt. Der Amtsrichter in 
Burgk ist von der Landesregierung mit der Wahr- 
nehmung einzelner landratsamtlicher Geschäfte 
beauftragt. Der Landesausschuß (Land- 
rat als Vorsitzender, ein Vertreter der F. Kammer 
# 1 A, der erste Bürgermeister von Greiz und 6 
auf 4 Jahre gewählte Vertreter der Gemeinden 
und exkommunalisierten Rittergüter) ist erste In- 
stanz in allen Sachen, für die reichs= und landes- 
rechtlich Instanzenzug nach §§ 20, 21 der GewO 
vorgeschrieben ist. Die Aufsicht über die Städte 
führt die Aufsichtsbehörde über städ- 
tische Gemeindeverwaltung (Vor- 
stand, 2 Mitglieder, 2 Stellvertreter). 
Die Gemeinden (2 Städte, 73 Landgemeinden) 
sind juristische Personen und haben die selbständige 
Verwaltung unter Aufsicht des Staates. Ihre 
Organe sind die Gemeindeversamm- 
lung, der Gemeinderat und der Ge- 
meindevorstand (Gemeindevorsteher und 
Stellvertreter).
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.