Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
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Unterrichtswesen (höheres) 
  
se 2, S.-Meiningen, Reuß 1. L. und Waldeck je 10.— Val. 
das „Statistische Jahrbuch“ (seit 1880, Leipzig, Teubner). 
II. Die Gesamtzahl der Schuler betrug 
232700, wovon auf je 100000 Einwohner in 
Preußen 580, in Bayern 585, in Lübeck 1260, in 
Bremen 1350 kommen. Auf je 1 Schule entfielen 
in Preußen 47 600, in Sachsen 50 560, in Würt- 
temberg 35 830, in Hamburg 53 640 Einwohner. 
Die Gesamtzahl der Oberlehrer einschließlich 
Direktoren betrug 16 330. 
Der Andrang zu den höheren Knabenschulen 
ist in den letzten Jahrzehnten stark gestiegen: in 
Hessen kamen auf je 100 000 Einwohner 1890: 
770, 1910: 920 Schüler; in Preußen wuchs von 
1900—1910 die Einwohnerzahl um 16,5%, die 
Schülerzahl um 40% ; die entsprechenden Ziffern 
für Baden sind 14,5 und 40% (nach Luley). 
Die Gymnasiasten überwiegen nur in Preußen, 
Bayern und Elsaß-Lothringen. Ihre Zahl ist von 
1902/1912 (45,35% ) um fast 110° gesunken, die der 
Realschüler auf 54,65% gestiegen, wovon 23,15% 
auf die realgymnasialen Anstalten entfallen. 
Die Verteilung der höheren Schulen, die sich 
für Preußen aus der amtlichen Wandkarte der 
höheren Schulen, für einzelne Großstädte aus den 
den lokalen Schulführern (vgl. u. a. W. Münch, 
Unterr. und Erziehungswesen Groß-Berlins, Ber- 
lin 1912) beigegebenen Stadtplänen ersehen läßt, 
zeigt neben einem z. T. zu weit gehenden Vor- 
handensein von höheren Schulen vielfach noch ein 
durch die historische Entwicklung erklärliches ein- 
seitiges Ueberwiegen der Gymnasien, namentlich 
in kleineren Orten; der Frankfurter Lehrplan 
(s. u.) ist berufen, hierin den nötigen Wandel im 
Sinne gleicher Berücksichtigung der verschiedenen 
Bildungsbedürfnisse zu schaffen. 
III. Besonderheiten: 
1. In Berlin sind dem besseren Anschluß der Volks- 
schulen an das höhere Unterrichtswesen zu dienen 
bestimmt die sog. Bertramrealschulen (vgl. Fr. Jo- 
nas, H. Bertram, Berlin 1911), die den fremdsprach- 
lichen Unterricht einem auch sonst oft geäußerten 
Wunsche entsprechend, erst mit IV beginnen lassen. 
2. Wo, wie in Preußen, das Mittelschulwesen (# 
im Sinn der Neuordnung von 1910 kräftig ent- 
wickelt ist, kann eine erhebliche Entlastung der höhe- 
ren Schulen von zu ihrem Besuch ungeeigneten 
Schülern eintreten; ebenso können kleine Orte die 
Kosten einer höheren Schule dann oft ganz sparen, 
wobei ihnen neuere MinErlasse betr. engeren 
Anschluß der Mittel- an die höheren Schulen sehr 
erleichternd zu Hilfe kommen. Der Frankfurter 
Lehrplan ermöglicht den Mittelschülern auch den 
Eintritt in Klasse U. III des Gymnasiums und 
Realgymnasiums. 
3. Die Realanstalten sind vielfach aus 
gewerblichen Fachschulen hervorgegangen; Bayern 
hat seine Gewerbeschulen 1877 zu Realschulen, 
seine Industrieschulen 1907 zu Oberrealschulen 
umgestaltet. Die kaufmännischen Bildungsele- 
mente treten infolge dieser Entwicklung im höheren 
Unterrichtswesen leider fast überalt stark in den 
Hintergrund; in einigen preußischen Städten sind, 
um diesem Uebelstande zu begegnen, Handels- 
realschulen gegründet worden, deren weitere Ver- 
breitung und Ausgestaltung zu Handelsoberreal- 
schulen sehr zweckmäßig wäre. 
4. Demwürttembergischen Schulwesen 
eigentümlich sind zahlreiche Lateinschulen und 
  
Realschulen ohne Oberklassen in kleineren Orten, 
denen sich als weiterer Bestandteil des höheren 
Unterrichtswesens noch 2 achtklassige Bürgerschu- 
len in Stuttgart und 21 Elementarschulen als 2—3-= 
stufige Vorschulen zugesellen. 
5. Um Orten mit nur 1 höheren Schule entge- 
genzukommen, ist in mehreren Bundesstaaten ein 
System von sog. „Ersatzunterricht“ zu- 
gelalsen, das namentlich für einzelne Schüler an 
ie Stelle des Griechischen das Englische treten zu 
lassen gestattet und in dem Unterbau der Real- 
schulen in ähnlicher Weise das Lateinische statt des 
Französischen Platz greifen läßt. Neuerdings ist 
in Preußen und anderwärts der Versuch mit 
einem System der sog. „Bewegungsfreiheit“ auf 
der Oberstufe gemacht worden, das den Schülern 
erlaubt, je nach ihrer Neigung und Befähigung 
den Schwerpunkt des Unterrichts auf die eine oder 
die andere Gruppe der Unterrichtsfächer zu legen 
an die Stelle des sonst streng durchgeführten 
Klassensysteims wird dabei vielleicht das Fachsystem 
bis zu einem gewissen Grade treten können. 
6. Die Einrichtung der sog. „Wechselzöten“ 
mit Versetzungsterminen zu Ostern und Herbst 
hatten 1908 unter 699 preußischen Anstalten nur 
noch 75, darunter 59 in Berlin und Umgegend, 
8 in Breslau, 3 in Stettin, je 2 in Halle und 
Frankfurt a. O., 1 in Königsberg; die pädagogi- 
schen Bedenken gegen die Einrichtung bestätigen 
u. a. die vom Statistischen Amt zu Breslau 1911 
herausgegebenen Ziffern über Wechselzöten und 
Versetzungszahlen. 
7. Ueber die neuerdings in ihrer Bedeutung besonders 
gewürdigten Alumnate gibt eine Uebersicht E. Horns 
„Führer durch das höhere Unterrichtswesen in Deutschland 
mit besonderer Berücksichtigung der Alumnate“ (1911); 
über die auch für Schüler höherer Schulen hier und da ein- 
gerichteten sog. „Waldschulen" voal. K. König, Die 
kulturelle Bedeutung der Waldschulen (10911). 
IV. An Schnbgebiets- und Ausland- 
schulen (51 a. E.) sind zu erwähnen die Kais. 
Gouvernementsschule zu Tsingtau, die Kais. Real- 
schule zu Windhuk, die Oberrealschulen zu Antwer- 
pen, Bukarest, Konstantinopel, das Realgymnasium 
zu Brüssel, die Realschule zu Madrid, das Gymna- 
sium mit Realabteilungen zu Davos-Platz und die 
Schulen zu Buenos Aires, Genua, Barcelona, Bex- 
hill, Florenz, Kopenhagen, Lissabon, London, 
Neapel, Porto, Riga, Rom, Venedig, Aleppo, Je- 
rusalem, Schanghai, Smyrna, Teheran, Alexan- 
dria, Johannesburg, Kairo, Port Elizabeth, 
Guatemala, Mexiko, Blumenau, Concepcion, 
Joinville, Montevideo, Porto Allegre, Rio de 
Janeiro, Rio Grande do Sul, Santa Cruz, San- 
tiago de Chile, Valdivia und Valparaiso. 
#s# 4. Errichtung. Die Eigenart der höheren 
Knabenschulen ist im wesentlichen bestimmt 
durch den Zweck, den Schülern eine über 
das Ziel der Volks= und Mittelschule hinaus- 
gehende wissenschaftliche Vorbildung zu vermitteln 
und auf das Studium an Hochschulen sowie auf 
den Eintritt in den Militär-, Staats= und Ge- 
meinde-Dienst und in praktische, an eine wissen- 
schaftliche Vorbildung gebundene Berufe vorzu- 
bereiten; sie besitzen z. T. kraft Gesetzes Rechts- 
persönlichkeit und z. T., aber meist nur soweit als 
sie älterer Gründung sind, eigenes Vermögen. 
Die Gründung häherer Knabenschulen, für 
die eine Schulpflicht nirgends besteht, ist eine frei-
	        
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