Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
Unterrichtswesen (höheres) 
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Englische stärker betont, wie es denn auch in den 
Gymnasien der Provinz Hannover, in Oldenburg, 
Hamburg, Lübeck, und Rostock obligatorisch ist. 
Nach einem jahrzehntelangen heftigen „Schul- 
krieg“ ist für Preußen durch den auch auf die 
anderen Bundesstaaten bald einwirkenden Erlaß 
v. 26. 11. 00 die Gleichwertigkeit der 3 
höheren Schultypen grundsätzlich ausgesprochen 
und einer jeden von ihnen die freie Entwicklung 
ihrer Eigenart zur Pflicht gemacht worden; derselbe 
Erlaß hat eine Erprobung auf breiterer Grundlage 
für den Altonaer sowie für den Frank- 
ba rter Lehrplan herbeigeführt, die beide 
arauf abzielen, für alle 3 Schularten einen 
3 jährigen gemeinsamen Unterbau 
im Lehrplan zu schaffen, durch den die Nachteile 
zu früher Differenzierung der höheren Schulen 
vor allem zugunsten von Orten mit nur 1 höheren 
Schule und im Interesse etwas späterer Entschei- 
dung über die für den einzelnen Schüler zu wäh- 
lende Schulart vermieden werden; die Zahl der 
mit dem mißverständlichen Ausdruck „Reform- 
anstalten bezeichneten Schulen nach Altonaer 
und vor allem nach Frankfurter Lehrplan ist in 
stetigem Steigen begriffen. 
Preußen hatte nach ihm (am 1. 5. 13) 23 Reformahmnasien; 
darunter 10 königliche, und 116 Resormrealgymnasien; 
Bayern 1 Kal. Realgymnasium mit Gymnasium in Ent- 
wicklung; Sachsen 1 städtisches Gymnasium mit Realgym- 
nasium und 3 Realgymnasien, dazu noch 1 städtisches Gym- 
nasium; Württemberg 1 Realprogymnasium; Baden 
3 Realgymnasien; S.-Weimar 1 Realgyhmnasium; Braun- 
schweig 1 Realgymnasium und 1 Realprogymnasium; 
S.-Altenburg, Schwarzburg-Sondershausen, Reuß 1. L., 
Lübeck, Bremen und Begesack je 1 Realgymnasium; Bremen 
außerdem noch 1 Gymnasium. — Der Altonger Lehrplan geht 
in seiner Berbreitung zurück; neben ihm und dem Frank- 
furter Lehrplan bestehen noch lokale Systeme wie das 
Plauensche und das Karlsruher. 
II. Dem besonders von J. Petold vertretenen 
Gedanken von Sonderschulen für hervor- 
ragend Befähigte (vgl. Die Einwände gegen 
S. f. h. B., 1911) stehen erhebliche Bedenken schul- 
technischer Art gegenüber; den individuellen Be- 
fähigungen und Interessen der Schüler im Rahmen 
der bestehenden Schulorganisation Rechnung zu tra- 
gen, ist die von A. Matthias zuerst angeregte „Be- 
wegungsfreiheit“ auf den oberen Klassen bestimmt, 
die mindestens den Nachteil des Vorhandenseins 
nur einer höäöheren Schulart an kleineren Orten 
in sehr erwünschter Weise ausgleichen kann. Ein 
allenthalben vortrefflich verwendbares Mittel 
zur Pflege individueller Interessen stellen die 
mit Recht immer mehr empfohlenen „Studien- 
tage“ dar. Am preußischen Gymnasium ist durch 
MinE v. 11. 7. 08 der Tausch des französischen 
mit dem sonst fakultativen englischen Unterricht 
zugelassen. Der Förderung des neufprachlichen 
Unterrichts im allgemeinen dient der seit 1906 be- 
stehende Austausch deutscher und französischer 
bezw. englischer Lehramtskandidaten. 
III. Die Lehrarbeit der höheren Knabenschulen 
ist in Preußen geregelt durch die „Lehr- 
pläne und Lehraufgaben“ v. 29. 5. 1, 
die bezüglich des Zeichen-, Sing= und Turnunter- 
richts durch Min E v. 3. 4. 02, 21. 6. 10, 27. 10. 82 
bezw. 30. 7. 833 ergänzt werden. Von den anderen 
deutschen Staaten stehen namentlich die nord- 
deutschen den preußischen Lehrplänen sehr nahe. 
  
Einzelheiten ergeben sich aus den oben angeführ- 
ten Stundenzahlen. Württemberg hat 
1912 neue Lehrpläne erhalten, die u. a. das Re- 
sormrealgymnasium mit aufnehmen und bei 
Festhaltung mancher Besonderheiten doch eine 
Annäherung an die preußischen Lehrpläne be- 
deuten, auch in der Art der Stoffverteilung und in 
der Festsetzung der Lehrziele einen wesentlichen 
Fortschritt bezeichnen. Vortrefflich in bezug auf 
die Bemessung der Stundenzahl und die Ansetzung 
der Lehraufgaben sind die neuen badischen 
Lehrpläne für die Realgymnasien und Oberreal- 
schulen v. 10. 7. 12. 
Die Schularbeit mehr in den Dienst des 
Staatsgedankens zu steellen, war die 
Absicht der preußischen Kab O v. 27. 5. 89 und des 
an sie anschließenden Min E v. 18. 10. 90. 
IV. Das Schulbücher- und Lehrmittel- 
wesen ist in Deutschland der freien Initiative 
der Verfasser und Verleger überlassen und der 
behördlichen Genehmigung nur in bezug auf die 
Lehrbücher unterstellt. Preußen hat seine „Aus- 
kunftstelle für Lehrbücher des höheren Unter- 
richtswesens“ neuerdings zur „Auskunftstelle für 
das gesamte Schulwesen“ erweitert und eine 
„Deutsche Unterrichtsausstellung“ ins Leben ge- 
rufen. Schulmuseen bestehen in 48 Städten. 
V. Der Programm austausch der 
deutschen höheren Knabenschulen ist geregelt 
durch Vereinbarung v. 1. 6. 74. 
VI. Auf die äußere und innere Ausstattung 
der Schulen übt der Staat insofern den nö- 
tigen Einfluß aus, als er die Anerkennung der 
Anstalt als höhere Schule von der Erfüllung ge- 
wisser Bedingungen abhängig macht, die durch 
das tatsächliche Vorgehen des Staates selber 
(vgl. u. a. bezüglich der Schulbauten Min E. v. 
23. 10. 79, der auf den Erlaß des Handelsministers 
v. 17. 11. 70 hinweist) im allgemeinen bezeichnet 
sind. Die Ueberwachung der Schulgebäude in 
bezug auf hygienische Anforderungen liegt in 
Preußen den Kreisärzten ob (Min E v. 15. 3. 05), 
der Schutz vor ansteckenden Krankheiten ist ge- 
regelt durch Min E v. 9. 7. 07. Ueber die im An- 
schluß an das Vorgehen der Volksschulen neuer- 
dings immer mehr geforderte Heranziehung von 
Schulärzten auch für die höheren Schulen 
vgl. M. Hartmann, Der Schularzt für höhere 
Lehranstalten, eine notwendige Ergänzung un- 
serer Schulorganisation (1906). 
Ueber die Verwendung von Schulräumen zu 
anderen Zwecken vgl. die Min E v. 9. 6. 54 und 
8. 7. 85 sowie H. Preuß, Das Recht der städt. 
Schulverwaltung in Preußen (1905). 
#s 7. Lehrer: Borbildung, Fortbildung. 
I. Den Lehrkörper der höheren Knaben- 
schulen bilden: 1. der Direktor (in Bayern, Sachsen 
und Württemberg Rektor genannt); 2. die pro fa- 
oultae docendi geprüften Oberlehrer (in Preußen 
nach etwa 10jähriger Dienstzeit mit dem Profes- 
sorentitel, in Süddeutschland z. T. mit der Amts- 
bezeichnung Professor, vgl. & 8 1); 3. die Mittel- 
schul-, Gesang= und Zeichenlehrer; 4. die Turn-, 
Elementar-- und Vorschullehrer; Sachsen läßt auch 
Oberlehrer mit kürzerem Universitätsstudium und 
dem sog. „Examen vor der zweiten Sektion“ zu, 
Bayern, Württemberg und Baden verwenden 
ähnlich die sog. Reallehrer mit minderem Examen. 
Um die wesentlich durch finanzielle Rücksichten 
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