Unterrichtswesen (höheres)
643
Englische stärker betont, wie es denn auch in den
Gymnasien der Provinz Hannover, in Oldenburg,
Hamburg, Lübeck, und Rostock obligatorisch ist.
Nach einem jahrzehntelangen heftigen „Schul-
krieg“ ist für Preußen durch den auch auf die
anderen Bundesstaaten bald einwirkenden Erlaß
v. 26. 11. 00 die Gleichwertigkeit der 3
höheren Schultypen grundsätzlich ausgesprochen
und einer jeden von ihnen die freie Entwicklung
ihrer Eigenart zur Pflicht gemacht worden; derselbe
Erlaß hat eine Erprobung auf breiterer Grundlage
für den Altonaer sowie für den Frank-
ba rter Lehrplan herbeigeführt, die beide
arauf abzielen, für alle 3 Schularten einen
3 jährigen gemeinsamen Unterbau
im Lehrplan zu schaffen, durch den die Nachteile
zu früher Differenzierung der höheren Schulen
vor allem zugunsten von Orten mit nur 1 höheren
Schule und im Interesse etwas späterer Entschei-
dung über die für den einzelnen Schüler zu wäh-
lende Schulart vermieden werden; die Zahl der
mit dem mißverständlichen Ausdruck „Reform-
anstalten bezeichneten Schulen nach Altonaer
und vor allem nach Frankfurter Lehrplan ist in
stetigem Steigen begriffen.
Preußen hatte nach ihm (am 1. 5. 13) 23 Reformahmnasien;
darunter 10 königliche, und 116 Resormrealgymnasien;
Bayern 1 Kal. Realgymnasium mit Gymnasium in Ent-
wicklung; Sachsen 1 städtisches Gymnasium mit Realgym-
nasium und 3 Realgymnasien, dazu noch 1 städtisches Gym-
nasium; Württemberg 1 Realprogymnasium; Baden
3 Realgymnasien; S.-Weimar 1 Realgyhmnasium; Braun-
schweig 1 Realgymnasium und 1 Realprogymnasium;
S.-Altenburg, Schwarzburg-Sondershausen, Reuß 1. L.,
Lübeck, Bremen und Begesack je 1 Realgymnasium; Bremen
außerdem noch 1 Gymnasium. — Der Altonger Lehrplan geht
in seiner Berbreitung zurück; neben ihm und dem Frank-
furter Lehrplan bestehen noch lokale Systeme wie das
Plauensche und das Karlsruher.
II. Dem besonders von J. Petold vertretenen
Gedanken von Sonderschulen für hervor-
ragend Befähigte (vgl. Die Einwände gegen
S. f. h. B., 1911) stehen erhebliche Bedenken schul-
technischer Art gegenüber; den individuellen Be-
fähigungen und Interessen der Schüler im Rahmen
der bestehenden Schulorganisation Rechnung zu tra-
gen, ist die von A. Matthias zuerst angeregte „Be-
wegungsfreiheit“ auf den oberen Klassen bestimmt,
die mindestens den Nachteil des Vorhandenseins
nur einer höäöheren Schulart an kleineren Orten
in sehr erwünschter Weise ausgleichen kann. Ein
allenthalben vortrefflich verwendbares Mittel
zur Pflege individueller Interessen stellen die
mit Recht immer mehr empfohlenen „Studien-
tage“ dar. Am preußischen Gymnasium ist durch
MinE v. 11. 7. 08 der Tausch des französischen
mit dem sonst fakultativen englischen Unterricht
zugelassen. Der Förderung des neufprachlichen
Unterrichts im allgemeinen dient der seit 1906 be-
stehende Austausch deutscher und französischer
bezw. englischer Lehramtskandidaten.
III. Die Lehrarbeit der höheren Knabenschulen
ist in Preußen geregelt durch die „Lehr-
pläne und Lehraufgaben“ v. 29. 5. 1,
die bezüglich des Zeichen-, Sing= und Turnunter-
richts durch Min E v. 3. 4. 02, 21. 6. 10, 27. 10. 82
bezw. 30. 7. 833 ergänzt werden. Von den anderen
deutschen Staaten stehen namentlich die nord-
deutschen den preußischen Lehrplänen sehr nahe.
Einzelheiten ergeben sich aus den oben angeführ-
ten Stundenzahlen. Württemberg hat
1912 neue Lehrpläne erhalten, die u. a. das Re-
sormrealgymnasium mit aufnehmen und bei
Festhaltung mancher Besonderheiten doch eine
Annäherung an die preußischen Lehrpläne be-
deuten, auch in der Art der Stoffverteilung und in
der Festsetzung der Lehrziele einen wesentlichen
Fortschritt bezeichnen. Vortrefflich in bezug auf
die Bemessung der Stundenzahl und die Ansetzung
der Lehraufgaben sind die neuen badischen
Lehrpläne für die Realgymnasien und Oberreal-
schulen v. 10. 7. 12.
Die Schularbeit mehr in den Dienst des
Staatsgedankens zu steellen, war die
Absicht der preußischen Kab O v. 27. 5. 89 und des
an sie anschließenden Min E v. 18. 10. 90.
IV. Das Schulbücher- und Lehrmittel-
wesen ist in Deutschland der freien Initiative
der Verfasser und Verleger überlassen und der
behördlichen Genehmigung nur in bezug auf die
Lehrbücher unterstellt. Preußen hat seine „Aus-
kunftstelle für Lehrbücher des höheren Unter-
richtswesens“ neuerdings zur „Auskunftstelle für
das gesamte Schulwesen“ erweitert und eine
„Deutsche Unterrichtsausstellung“ ins Leben ge-
rufen. Schulmuseen bestehen in 48 Städten.
V. Der Programm austausch der
deutschen höheren Knabenschulen ist geregelt
durch Vereinbarung v. 1. 6. 74.
VI. Auf die äußere und innere Ausstattung
der Schulen übt der Staat insofern den nö-
tigen Einfluß aus, als er die Anerkennung der
Anstalt als höhere Schule von der Erfüllung ge-
wisser Bedingungen abhängig macht, die durch
das tatsächliche Vorgehen des Staates selber
(vgl. u. a. bezüglich der Schulbauten Min E. v.
23. 10. 79, der auf den Erlaß des Handelsministers
v. 17. 11. 70 hinweist) im allgemeinen bezeichnet
sind. Die Ueberwachung der Schulgebäude in
bezug auf hygienische Anforderungen liegt in
Preußen den Kreisärzten ob (Min E v. 15. 3. 05),
der Schutz vor ansteckenden Krankheiten ist ge-
regelt durch Min E v. 9. 7. 07. Ueber die im An-
schluß an das Vorgehen der Volksschulen neuer-
dings immer mehr geforderte Heranziehung von
Schulärzten auch für die höheren Schulen
vgl. M. Hartmann, Der Schularzt für höhere
Lehranstalten, eine notwendige Ergänzung un-
serer Schulorganisation (1906).
Ueber die Verwendung von Schulräumen zu
anderen Zwecken vgl. die Min E v. 9. 6. 54 und
8. 7. 85 sowie H. Preuß, Das Recht der städt.
Schulverwaltung in Preußen (1905).
#s 7. Lehrer: Borbildung, Fortbildung.
I. Den Lehrkörper der höheren Knaben-
schulen bilden: 1. der Direktor (in Bayern, Sachsen
und Württemberg Rektor genannt); 2. die pro fa-
oultae docendi geprüften Oberlehrer (in Preußen
nach etwa 10jähriger Dienstzeit mit dem Profes-
sorentitel, in Süddeutschland z. T. mit der Amts-
bezeichnung Professor, vgl. & 8 1); 3. die Mittel-
schul-, Gesang= und Zeichenlehrer; 4. die Turn-,
Elementar-- und Vorschullehrer; Sachsen läßt auch
Oberlehrer mit kürzerem Universitätsstudium und
dem sog. „Examen vor der zweiten Sektion“ zu,
Bayern, Württemberg und Baden verwenden
ähnlich die sog. Reallehrer mit minderem Examen.
Um die wesentlich durch finanzielle Rücksichten
41½