Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
652 
Bereine und Versammlungen 
  
Personen als „Berein“ kein reichsrechtlich ge- 
schützter „Verein“ ist (siehe & 4). Wichtig beson- 
ders für Gewerkschaftskartelle, die nur dann als 
B. anzusehen sind, wenn nicht die Gewerkschaften 
selbst, sondern die von den Gewerkschaften dele- 
gierten physischen Personen Mitglieder des Kar- 
tells sind und diese Mitglieder nach außen hin als 
Einheit auftreten (preuß. O G v. 23. 1. 03, 
PrVerw#l 25, 180, Reger 25, 178). Das früher 
in Frage kommende Verbot gegenüber inländi- 
schen V., miteinander in Verbindung zu treten, 
ist, unter Aufhebung entgegenstehender landes- 
gesetzlicher Bestimmungen schon durch das R 
v. 11. 12. 99 beseitigt worden. Auch die Ver- 
bindung mit ausländischen Vereinen ist, wenn 
keine strafbaren Ziele damit verfolgt werden, 
ebenso gestattet, wie das Schaffen von zweige 
im Auslande durch inländische V. Auf den Na- 
men kommt es nicht an; der V. kann auch „Ge- 
sellschaft", „Verbindung“, „Komitee“, „Agita- 
tionsausschuß", „Kongreßleitung“", „Delegierten- 
versammlung“ oder sonstwie heißen. 
b) Die Freiwilligkeit des Zusammen- 
schlusses sehlt auch nicht, wenn Mitglieder aus 
ahlen hervorgehen (preuß. OV 42, 404, 
R 18, 172), wohl aber, wenn die Mitgliedschaft 
einen Zwang zur Angehörigkeit bei einer Partei- 
sektion in sich schließt (Goltd Arch 17, 522; 18, 631; 
24, 392; 25, 249; 40, 208; 43, 283). 
) Die Voraussetzung der Gemeinschaft- 
lichkeit eines erlaubten Zweckes weist auf die 
straf= oder verwaltungsrechtlich unerlaubten V. 
hin, wobei nicht nur die Satzung, sondern das 
tatsächliche Verhalten maßgebend ist. 
d) Eine gewisse Dauer des Zusam- 
menschlusses, demnach eine fortgesetzte 
Tätigkeit gehört des weiteren zum „Verein“ und 
unterscheidet ihn insbesondere gegenüber der 
Vers. (siehe § 3). Ein mehrtägiger Kongreß ist 
kein V., wohl kann es ein von ihm zur Ausfüh- 
rung seiner Beschlüsse gewählter und auf längere 
Zeit zusammentretender Ausschuß sein, z. B. 
ein Aktionskomitee der sozialdemokratischen Parteie 
(preuß. OVG 42, 407). Parteileitung als Ver- 
ein RG 19, 162, Wahlkomitee DJZ 1904 Sp. ö57. 
e) Es darf nicht an einer einheitlichen 
Führung, die mit der Frage der Rechts- 
fähigkeit nichts zu tun hat, mangeln, d. h. es muß 
eine Mehrheit von Personen mittels Unterord- 
nung unter eine organisierte Willensmacht nach 
außen hin zu einer Einheit zusammengeschlossen 
werden (preuß. OVG 34, 439). Dagegen gehört 
es nicht zum Begriff des Vereins, daß er selb- 
ständig ist, so daß z. B. Zahlstellen eines Zentral V., 
besondere örtliche Zweig V. selbständige V. sind. 
B. Arten des Vereins. In privat- 
rechtlicher Beziehung können V. sein rechtsfähig 
oder nicht rechtsfähig, wirtschaftliche oder ideale 
(#& 21, 22 Bo#), politische, sozialpolitische oder 
religiöse V. (szs 61, 43, 73 BG), Religions- 
gesellschaften (I (a 13 Pr. Vu), Versicherungs- 
vereine (I (R v. 12. 5. 01) usw. In öffent- 
lichrechtlicher Beziehung: politische V.; öffent- 
liche nicht politische, wie z. B. gemeinnützige, wohl- 
tätige, wissenschaftliche, künstlerische, gesellige, 
wirtschaftliche V., kirchliche oder religiöse B. 
Während die letzteren dem Landesrecht unter- 
stehen, sind die beiden ersten auch im E## einer 
besonderen Regelung teilhaftig geworden. 
  
a) Der politische Verein ist nach § 3 
Abs 1 G „ein Verein, der eine Einwirkung 
auf politische Angelegenheiten bezweckt“. „Poli- 
tische Angelegenheiten“ sind solche, die sich be- 
iehen auf die Erhaltung der staatlichen Organi- 
4 oder auf deren Veränderung, auf die Be- 
einflussung der Funktionen des Staates 
oder der ihm angegliederten öffentlich- 
rechtlichen Körperschaften. Nach 
der Rechtsprechung des Ro und des preußischen 
O sind politische Angelegenheiten diejenigen, 
die „die Verfassung, Verwaltung und Gesetz- 
. des Staates, die staatsbürgerlichen Rechte 
der Untertanen und die internationalen Be- 
ziehungen der Staaten untereinander begrei- 
fen"“. A van Calker, Z f. Politik 3, 284. 
Die politische Angelegenheit ist stets eine ôffent- 
liche, nicht aber die öffentliche stets eine politische. 
Der Begriff der „öffentlichen Angelegenheit“ 
umfaßt nicht ausschließlich die Interessen einzel- 
ner Personen oder einer zahlenmäßig begrenzten 
Gruppe, sondern alle diejenigen Angelegenhei- 
ten, welche nicht ausschließlich einzelne (physische 
oder juristische) Personen und deren Privat- 
interessen, auch nicht die Interessen einer be- 
grenzten, durch bestimmte persönliche Beziehungen 
verbundenen Personenzahl, sondern die Gesamt- 
heit des Gemeinwesens und das gesamte öffent- 
liche Interesse berühren (Rö 22, 338; Ko# 3, 
S 308, 307; 11, 310; 16, 421; 17, 441; 20 C 83; 
23 C 107; Goltd Arch 38, 465; 48, 370). Der B- 
muß ferner eine Einwirkung bezweckt 
haben- nach der Auffassung des K#S muß die 
inwirkung eine unmittelbare sein. Dem ist 
nicht zuzustimmen. Der Einfluß braucht nicht auf 
eine konkrete Aktion des Staates hinauszulaufen. 
Es kommt vielmehr im wesentlichen auf das 
Maß der Einwirkung auf Gesetzgebung und Ver- 
waltung des Staates an, auf die Intensität, mit 
der die den Staat in seiner Organisation und Funk- 
tion betreffenden Angelegenheiten verfolgt wer- 
den. Ist die Beziehung auf jene Angelegenheiten 
eine entfernte und lose, so wird sich damit auch 
der Grad der Einwirkung abschwächen und die 
von 8 3 nicht betroffene Grenze der „öffentlichen 
Angelegenheit“ erreicht sein. Auch das wird für 
die Beurteilung eines V. als eines politischen ein 
Merkmal abgeben, ob er mehr aktiv im Sinne der 
zugreifenden praktischen Tat oder mehr theoretisch 
in rein geistiger Klarlegung der Notwendigkeiten, 
mehr intellektuell anregend als aktuell anspor- 
nend sein will. Für die politischen V. gelten zum 
Teil erschwerende Vorschriften (unten § 5). Da 
der ausdrücklichen Bestimmung des RVG 5 4 
gelten nicht als politische Vereine Personen- 
mehrheiten, die vorübergehend zusammentreten, 
um im Auftrage von Wahlberechtigten Vorbe- 
reitungen für bestimmte Wahlen zu den auf Ge- 
setz oder Anordnung von Behörden beruhenden. 
öffentlichen Körperschaften zu treffen (Wahl- 
vereine); dies vom Tage der amtlichen Bekannt- 
machung des Wahltages bis zur Beendigung der 
Wahlhandlung. Vgl. auch unten §# 5. 
b) Der Begriff des nicht politischen 
Mienichen V. nrhict nch Einerseite aus dem 
egensatze zum politischen, anderseits zum ni 
öffentlichen Verein. rieit a icht 
Erwähnt seien hier die Freimaurer- 
logen. Es sind in Preußen nach dem Edikt
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.