Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
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Verhaftung 
  
Für die Fälle unmittelbaren, besser sofortigen 
Zwangs muß dasselbe gelten; auch hier muß die 
Verwaltung zum Einschreiten eine gesetzliche (oder 
rechtliche) Befugnis haben und der angewendete 
wang selbst für diesen Fall gesetzlich (oder recht- 
lich) vorgesehen sein (entgegen O. Mayer 1 #24 
S 347 unten, zum ganzen Kitzinger, besonders 
" 200 f. 1 
5*15. HFinzelheiten. 1. Die Verhütung von 
Straftaten ist heute nicht mehr wie früher mehr- 
fach (HGahn, Mat. St PO I, 411) in der St P ge- 
regelt, wohl aber in MSt GO 5 176" und vor- 
geschlagen im Entw St PO 1894 (Drucksachen 
des RT 1894/5 Nr. 15 5 112). Sie gehört zur 
Präventivpolizei (Eisenbahnbau= und Betriebs O 
1904 8 75 IV; Ro, betr. die Sicherung der Zoll- 
vereinsgrenze v. 1. 7. 69 a 9; bayer. AG z. St PO 
1879 a 102 II; Forststrafö z. B. Bayern v. 
4. 7. 96 a 127f; Pfalz v. 2. 10. 79, s. Vaillant, 
Vorktrügeversahren 131); sie wird der Polizei (KI 
als ihrem Wesen entsprechend zugestanden und 
auf allgemeine Rechtssätze, wie z. B. 5 10 ALR 
II 17 gestützt (s. z. B. R III v. 4. 10. 06, ESt 
39, 192; 1II v. 15. 10. 08 E. 42, 16). Für Ver- 
wahrungen muß in Preußen das G 1850 be- 
achtet werden (R III v. 10. 6. 07 E. 40, 216). 
Auch sonst muß hier an der verfassungsmäßig 
nötigen gesetzlichen Delegation festgehalten wer- 
den. Dies gilt insbesondere auch für das Mili- 
tär, dem z. B. das preußische G über den Waffen- 
gebrauch [/I v. 20. 3. 37 kein eignes Recht zu 
polizeilichen Festnahmen gibt (Anschütz, DJZ 18, 
1457. Irrig Laband, DJ#Z 19, 189). 
2. Die Sistierung zur Vernehmung 
kann, soweit sie prozessnalen Zwecken dient, nur 
auf die St PO gegründet werden, und hier nur 
auf die sie ausdrücklich regelnden Paragraphen, 
nicht darüber hinaus auf §& 161 (so streng R# IV, 
v. 5. 4. 95 E. 27, 153; III v. 4. 10. 06 E. 39, 190; 
II v. 11. 6. 99 E. 32, 271; IV v. 2. 3. 06 E. 38, 
373; IV v. 14. 6. 12 Goltd Arch 60, 88. Bedenk- 
lich II v. 19. 3. 86, E. 13, 430 im Widerspruch 
zu III v. 22. 11. 83, E. 9, 433). Für den Straf- 
prozeß kann sich die Polizei nie auf ihre allgemeine 
Aufgabe berufen. Daneben können nur die all- 
gemeinen Grundsätze gelten; eine allgemeine 
Staatsbürgerpflicht zur Auskunftserteilung gegen- 
über der Polizei besteht nicht (so aber OVG E. 15, 
423; Rö II v. 23. 3. 80, E. 1, 332 (in sich wider- 
sprechend), III v. 27. 4. 91, E. 22, 10). Daneben 
ist der Einwand O. Mayers (I, 345) richtig, daß 
die Sistierung gar nicht den Vollzug eines dahin- 
gehenden Befehls erzwingen kann (s. Fleiner, 
Institutionen, 190). 
3. Für die Gendarmerie [J] können be- 
sondere Vorrechte nicht gelten; sie ist einfach aus- 
führendes Hilfsorgan der Pol Behörden. — Eine 
Bestimmung wie die der Gr. hessischen Dienst O 
für das G.Korps v. 12. 12. 03 F 151, daß die 
Gendarmen eine Person festnehmen dürfen zum 
eigenen Schutz der Person oder zur Verhütung 
einer strafbaren Handlung, kann sich auf kein 
Gesetz stützen. 
4. Eine Reihe anderer Fälle sind besonders 
hervorgehoben: zwangsweise Gestellung zum 
Militärdienst, RWehr O v. 28. 9. 75—22. 11. 88 
5s 62° III „Anwendung gesetzlicher Zwangsmaß- 
regeln“ — also müssen bestimmte Gesetze dafür 
bestehen!; die Beobachtung und Aufenthaltsbe- 
  
schränkung im R, betr. Belkämpfung gemein- 
gefährlicher Krankheiten (XI., 1900 K# 12, 14; 
preuß. G 1905 ssf 8, 9, 12; die Begleitung von 
Reisenden durch Zollposten, Ver. ZollG 8 92, die 
zwangsweise Zuführung des Gesindes IXI, preuß. 
Gesinde O v. 8. 11. 1810 Fé 51, 167 (Schidlau, 
Verwürch 15, 515, mit Verf a 5 nicht mehr 
vereinbar), bayer. Pol StGB a 106 IV, V, die 
Anhaltung des Schiffsmanns IJI, Seemanns O 
1902 §+ 33. Für die Zwangsimpfung fehlt es an 
einer den Verfassungen entsprechenden Bestim- 
mung des Zwanges IN aber Impfwesen); für die 
Zwangsanhaltung der Prostituierten gibt St GB 
# 361 Z. 6 keine Delegation ab; in beiden Fällen 
wird der Zwang von der gemeinen Meinung 
erlaubt. — Die vorläufige Unterbringung vor 
der Einlieferung ins Arbeitshaus und nach 
Fürsorgegesetzen gehört nicht hierher. 
5. Bestimmungen über Art und Maß 
des Zwangs sind nur für die Verwahrung 
gegeben, und auch hier vollkommen unzureichend, 
wie der Vergleich mit St PO zeigt. Die Ver- 
wahrung darf nur 48 Stunden dauern nach bad. 
PolStEB, hess. StO; nur 24 Stunden nach 
bayer. Pol StG B a 55, AG z. St PO a 102; 
3 mal 24 Stunden für die untere PolBehörde 
nach oldenb. Verfassung (für die obere 7). Preuß. 
G 1850 verlangt Freilassung im Lauf des folgen- 
den Tags oder Zuführung an die zuständige Be- 
hörde, d. i. das Gericht, das nur beim Vorliegen 
einer Straftat prozessuale Haft anordnen kann. — 
Aber z. B. bei der Pol Berwahrung zum Zweck 
der Auslieferung oder der Unterbringung ins Ar- 
beitshaus feblt jede Zeitschranke. 
5*# 16. Schutz gegen Unrecht. Neben der Ent- 
schädigung für unschuldig erlittene U„# (oben §5 12) 
steht die Entschädigung für zu Unrecht angewen- 
deten Verw Zwang. Ferner trifft hier überall. 
Bu# # 839 1 zu. Auf den Haftbefehl kann die 
engere Bestimmung des Abs II daselbst nicht an- 
gewendet werden (R III Ziv.-Sen. v. 6. 2. 06, 
DZ3Z 11, 1017). — # 341 StG#B droht Strafe 
bei vorsätzlicher rechtswidriger Freiheits- 
entziehung durch einen Beamten. 
Literatur: Hand= und Lehrbücher des Strafprozeß- 
rechts. Kommentare zur S1PO. Hand= und Lehrbücher 
des Staatsrechts und des Verwechts. — v. Bitter, 
HWpr Verw (2) I, Freiheit, persönliche. Berfassungen bei 
Posener, Die Staatsverfassungen des Erdballs, 1900 
und früher Zachariae, Staatsrecht 1, 237; II, 154. 
Zur Ul für früher Zachariae ÖS des D. Str.-Proz., 
1868, 11 5§ 87 ff. Aeltere Literatur bei Glaser, HB II, 
83, daraus besonders Heinze, Die U#, 1865. — 
Motive zur St PO Anlage 3 (Hahn, Mat. I, 390); C. F. 
Wurm in Rotteck und Welckers Staatslexikon (3) XIV, 
Berhaftung; Hetzel, Die Ul. 1899; Herm. Seuffert, 
Artikel „Verhaftung und verwandte Maßnahmen“ in der 
1. Auflage dieses W II, 671—603. 
Zur Verwaltung noch R. v. Mohl, PolWissenschaft, 
3. System der Präventivjustiz (3), 1845; L. von Stein, 
Berw Lehre, IV. Das PolRecht, 1882; Kitzinger, Ber- 
binderung strafbarer Handlungen durch Polizeigewalt, 1913. 
Miltermater.
	        
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