664
Verhaftung
Für die Fälle unmittelbaren, besser sofortigen
Zwangs muß dasselbe gelten; auch hier muß die
Verwaltung zum Einschreiten eine gesetzliche (oder
rechtliche) Befugnis haben und der angewendete
wang selbst für diesen Fall gesetzlich (oder recht-
lich) vorgesehen sein (entgegen O. Mayer 1 #24
S 347 unten, zum ganzen Kitzinger, besonders
" 200 f. 1
5*15. HFinzelheiten. 1. Die Verhütung von
Straftaten ist heute nicht mehr wie früher mehr-
fach (HGahn, Mat. St PO I, 411) in der St P ge-
regelt, wohl aber in MSt GO 5 176" und vor-
geschlagen im Entw St PO 1894 (Drucksachen
des RT 1894/5 Nr. 15 5 112). Sie gehört zur
Präventivpolizei (Eisenbahnbau= und Betriebs O
1904 8 75 IV; Ro, betr. die Sicherung der Zoll-
vereinsgrenze v. 1. 7. 69 a 9; bayer. AG z. St PO
1879 a 102 II; Forststrafö z. B. Bayern v.
4. 7. 96 a 127f; Pfalz v. 2. 10. 79, s. Vaillant,
Vorktrügeversahren 131); sie wird der Polizei (KI
als ihrem Wesen entsprechend zugestanden und
auf allgemeine Rechtssätze, wie z. B. 5 10 ALR
II 17 gestützt (s. z. B. R III v. 4. 10. 06, ESt
39, 192; 1II v. 15. 10. 08 E. 42, 16). Für Ver-
wahrungen muß in Preußen das G 1850 be-
achtet werden (R III v. 10. 6. 07 E. 40, 216).
Auch sonst muß hier an der verfassungsmäßig
nötigen gesetzlichen Delegation festgehalten wer-
den. Dies gilt insbesondere auch für das Mili-
tär, dem z. B. das preußische G über den Waffen-
gebrauch [/I v. 20. 3. 37 kein eignes Recht zu
polizeilichen Festnahmen gibt (Anschütz, DJZ 18,
1457. Irrig Laband, DJ#Z 19, 189).
2. Die Sistierung zur Vernehmung
kann, soweit sie prozessnalen Zwecken dient, nur
auf die St PO gegründet werden, und hier nur
auf die sie ausdrücklich regelnden Paragraphen,
nicht darüber hinaus auf §& 161 (so streng R# IV,
v. 5. 4. 95 E. 27, 153; III v. 4. 10. 06 E. 39, 190;
II v. 11. 6. 99 E. 32, 271; IV v. 2. 3. 06 E. 38,
373; IV v. 14. 6. 12 Goltd Arch 60, 88. Bedenk-
lich II v. 19. 3. 86, E. 13, 430 im Widerspruch
zu III v. 22. 11. 83, E. 9, 433). Für den Straf-
prozeß kann sich die Polizei nie auf ihre allgemeine
Aufgabe berufen. Daneben können nur die all-
gemeinen Grundsätze gelten; eine allgemeine
Staatsbürgerpflicht zur Auskunftserteilung gegen-
über der Polizei besteht nicht (so aber OVG E. 15,
423; Rö II v. 23. 3. 80, E. 1, 332 (in sich wider-
sprechend), III v. 27. 4. 91, E. 22, 10). Daneben
ist der Einwand O. Mayers (I, 345) richtig, daß
die Sistierung gar nicht den Vollzug eines dahin-
gehenden Befehls erzwingen kann (s. Fleiner,
Institutionen, 190).
3. Für die Gendarmerie [J] können be-
sondere Vorrechte nicht gelten; sie ist einfach aus-
führendes Hilfsorgan der Pol Behörden. — Eine
Bestimmung wie die der Gr. hessischen Dienst O
für das G.Korps v. 12. 12. 03 F 151, daß die
Gendarmen eine Person festnehmen dürfen zum
eigenen Schutz der Person oder zur Verhütung
einer strafbaren Handlung, kann sich auf kein
Gesetz stützen.
4. Eine Reihe anderer Fälle sind besonders
hervorgehoben: zwangsweise Gestellung zum
Militärdienst, RWehr O v. 28. 9. 75—22. 11. 88
5s 62° III „Anwendung gesetzlicher Zwangsmaß-
regeln“ — also müssen bestimmte Gesetze dafür
bestehen!; die Beobachtung und Aufenthaltsbe-
schränkung im R, betr. Belkämpfung gemein-
gefährlicher Krankheiten (XI., 1900 K# 12, 14;
preuß. G 1905 ssf 8, 9, 12; die Begleitung von
Reisenden durch Zollposten, Ver. ZollG 8 92, die
zwangsweise Zuführung des Gesindes IXI, preuß.
Gesinde O v. 8. 11. 1810 Fé 51, 167 (Schidlau,
Verwürch 15, 515, mit Verf a 5 nicht mehr
vereinbar), bayer. Pol StGB a 106 IV, V, die
Anhaltung des Schiffsmanns IJI, Seemanns O
1902 §+ 33. Für die Zwangsimpfung fehlt es an
einer den Verfassungen entsprechenden Bestim-
mung des Zwanges IN aber Impfwesen); für die
Zwangsanhaltung der Prostituierten gibt St GB
# 361 Z. 6 keine Delegation ab; in beiden Fällen
wird der Zwang von der gemeinen Meinung
erlaubt. — Die vorläufige Unterbringung vor
der Einlieferung ins Arbeitshaus und nach
Fürsorgegesetzen gehört nicht hierher.
5. Bestimmungen über Art und Maß
des Zwangs sind nur für die Verwahrung
gegeben, und auch hier vollkommen unzureichend,
wie der Vergleich mit St PO zeigt. Die Ver-
wahrung darf nur 48 Stunden dauern nach bad.
PolStEB, hess. StO; nur 24 Stunden nach
bayer. Pol StG B a 55, AG z. St PO a 102;
3 mal 24 Stunden für die untere PolBehörde
nach oldenb. Verfassung (für die obere 7). Preuß.
G 1850 verlangt Freilassung im Lauf des folgen-
den Tags oder Zuführung an die zuständige Be-
hörde, d. i. das Gericht, das nur beim Vorliegen
einer Straftat prozessuale Haft anordnen kann. —
Aber z. B. bei der Pol Berwahrung zum Zweck
der Auslieferung oder der Unterbringung ins Ar-
beitshaus feblt jede Zeitschranke.
5*# 16. Schutz gegen Unrecht. Neben der Ent-
schädigung für unschuldig erlittene U„# (oben §5 12)
steht die Entschädigung für zu Unrecht angewen-
deten Verw Zwang. Ferner trifft hier überall.
Bu# # 839 1 zu. Auf den Haftbefehl kann die
engere Bestimmung des Abs II daselbst nicht an-
gewendet werden (R III Ziv.-Sen. v. 6. 2. 06,
DZ3Z 11, 1017). — # 341 StG#B droht Strafe
bei vorsätzlicher rechtswidriger Freiheits-
entziehung durch einen Beamten.
Literatur: Hand= und Lehrbücher des Strafprozeß-
rechts. Kommentare zur S1PO. Hand= und Lehrbücher
des Staatsrechts und des Verwechts. — v. Bitter,
HWpr Verw (2) I, Freiheit, persönliche. Berfassungen bei
Posener, Die Staatsverfassungen des Erdballs, 1900
und früher Zachariae, Staatsrecht 1, 237; II, 154.
Zur Ul für früher Zachariae ÖS des D. Str.-Proz.,
1868, 11 5§ 87 ff. Aeltere Literatur bei Glaser, HB II,
83, daraus besonders Heinze, Die U#, 1865. —
Motive zur St PO Anlage 3 (Hahn, Mat. I, 390); C. F.
Wurm in Rotteck und Welckers Staatslexikon (3) XIV,
Berhaftung; Hetzel, Die Ul. 1899; Herm. Seuffert,
Artikel „Verhaftung und verwandte Maßnahmen“ in der
1. Auflage dieses W II, 671—603.
Zur Verwaltung noch R. v. Mohl, PolWissenschaft,
3. System der Präventivjustiz (3), 1845; L. von Stein,
Berw Lehre, IV. Das PolRecht, 1882; Kitzinger, Ber-
binderung strafbarer Handlungen durch Polizeigewalt, 1913.
Miltermater.