Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
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Verjährung 
  
dessen Auslübung erst zu dem Erlöschen selbst führt. 
In diesem Sinne spricht das BG von V. und 
wegen des Charakters der V. im weiteren Sinn 
als einer allgemeinen Nechtskategorie dürfte sich 
auch für den Sprachgebrauch des öffentlichen 
Rechts die Beschränkung des eigentlichen 
Verjährungs begriffs sowie des Begriffs 
der „Verjährungsfristen“ auf diesen Fall der 
Schaffung eines Einrederechts empfehlen. Diese 
B. ist im Prozeß nur dann zu berücksichtigen, 
wenn der Berechtigte sich selbst auf die V. be- 
rufen hat. 
3. Der Zeitablauf kann rechtserzeugend wirken. 
Hier sprechen wir von Ersitzung und „Ersitzungs- 
fristen“. Ueber die Behandlung der Ersitzung im 
Prozeß gilt dasselbe wie von der Verschweigung. 
4. Der Zeitablauf kann endlich von Bedeutung 
werden, indem er, ohne rechtserzeugende Kraft 
zu haben, doch eine sohochgradige rechtsbezeugende 
Kraft besitzt, daß der Nachweis des Bestehens eines 
bestimmten Zustandes während gewisser Zeit den 
Nachweis seines Entstehens ersetzt.. Das ist der 
Fall der unvordenklichen Verjäh- 
rung. Für den Prozeß hat diese die Bedeutung 
eines besonders gearteten Beweismittels. 
#s2. Verjährung und Berschweigung: Zu- 
lässigkeit. 
Die Frage der Zulässigkeit von V. und Ver- 
schweigung gegenüber öffentlich-rechtlichen Rechts- 
beziehungen hängt zusammen mit der Frage 
nach dem Gegenstand dieser Rechtsinstitute. 
1. Die vermögensrechtlichen An- 
sprüche nehmen eine Sonderstellung ein; mö- 
gen es nun Ansprüche des Staats oder anderer 
öffentlich-rechtlicher Verbände gegen seine Unter- 
tanen sein wie die Steuerforderungen oder An- 
sprüche des Untertanen gegen diese Verbände wie 
Gehaltsansprüche und Steuerrückforderungsan- 
sprüche oder Ansprüche öffentlich-rechtlicher Ber- 
bände (wie Armenverbände oder Versicherungs- 
träger) gegeneinander. 
ie Sonderstellung dieser vermögensrechtlichen 
Ansprüche liegt einmal darin, daß nur bei ihnen 
neben dem im öffentlichen Recht vorwiegenden 
pustitut der Verschweigung auch die V. vor- 
ommt. Das letztere ist der Fall vor allem bei 
den schon erwähnten Ansprüchen, auf die un- 
mittelbar die V. Vorschriften des BGB anwend- 
bar sind; aber auch, wo sonstige reichsgesetzliche 
V. Schriften bestehen, neigen Literatur und 
Rechtsprechung überwiegend zu der Auffassung, 
daß diese V. echte V. im Sinn des BG#B sei. Da- 
gegen unterliegen die Abgabenansprüche der Ein- 
lstaaten und Gemeinden gegen das Reich der 
erschweigung, weshalb das hier maßgebende 
Reichsbesteuerungsgesetz es auch vermeidet, von 
V. zu sprechen; ferner handelt es sich um Ver- 
schweigung bei der ungenau sog. Abgaben- 
verjährung im Geltungsbereich des preußischen 
— v. 18. 6. 40 (GS 140), dessen § 12 un- 
zwedeutig, bestimmt: „durch den wiblu der 
.Frist wird der Steuerpflichtige von jedem 
erneren Anspruch .. . . befreit“; die Frage, ob 
ieser & 12 allgemein auf die „Verjährung“ öffent- 
lich-rechtlicher Anspruche nach preußischem Recht 
entsprechend anzuwenden ist, dürfte im Hinblick 
auf ESG a 8 2 Be zu verneinen, vielmehr 
wird in Zweifelsfällen nach der Art des kon- 
  
  
  
kreten Anspruchs zu prüfen sein, ob er nach Verj. G 
##12 oder nach BGB 5 222 zu beurteilen ist. 
Die Sonderstellung der vermögensrechtlichen 
Ansprüche liegt sodann darin, daß bei ihnen die 
V. bezw. die Verschweigung allgemein auch ohne 
besondere gesetzliche Grundlage für zulässig zu 
erachten ist. Das ergibt sich aus der Tatsache, 
daß das BGB die Verjährbarkeit der vermögens- 
rechtlichen Ansprüche auch des öffentlichen Rechts 
als selbstverständlich voraussetzt (ogl. Bundesamt f. 
Heimatwesen in VB1I 17, 332), und wird bestätigt 
dadurch, daß die hechtserechung die 30jährige 
B. Frist des BGB auch in solchen Fällen ange- 
wandt hat, wo gesetzliche Sondernormen fehlen. 
Es steht damit in Uebereinstimmung, daß für die 
praktisch wichtigste Frage, die der Abgaben V., die 
Finanzgesetze fast ohne Ausnahme die Verjähr- 
barkeit bezw. in Preußen Verschweigbarkeit der 
Abgaben ausdrücklich anerkennen. 
Bal. preuß. B. S v. 18. 6ö. 40 5 8, Geb. St. G #22, Grund- 
St. B v. 12. 12. 64 G 67R 30, Eink. St. G 8 87, Erg. St.G 
!* 4,. Gew. St. G 79, 0, betr. die Besteuerung des Ge- 
werbebetriebs im Umherziehen, 3 32, G, betr. die Besteuerung 
des Wanderlagerbetriebs, 31 11, AUGa# Ben, Erbsch. St. G 
5 64, Zuwachs St. G ##57, R. Stempel G z o3, Wechsel- 
stempel G # 16, preuß. Stempel St. G #27, Leuchtmittel St. G 
65 5, Zündwaren St.G 8, Zucker St. G #4, Tabak St. G#s##30, 
Bigaretten St. # 4, Brau St.G ## 11, Branntwein St. G 
# , 60, Schaumwein St. G # , Kalich 5 20, ZollG 8 15. 
2. Die nicht vermögensrechtlichen 
Ansprüche können zwar ebenfalls der Ber- 
schweigung unterliegen. Den Hauptfall dieser 
Art bildet die ungenau sogenannte strafrechtliche, 
auf das Disziplinarstrafrecht aber nicht anwend- 
bare (OVG# in Vl 15, 398) V. auf Grund des 
Stn, der strafrechtlichen Nebengesetze und der 
strafrechtlichen Bestimmungen der Finanzgesetze. 
Eine grundsätzliche Verschweigbarkeit auch ohne 
besondere gesetzliche Grundlage läßt sich dagegen 
nicht nachweisen. 
3. Gegenüber Gestaltungsrechten 
greift die Verschweigung sehr bäufig Blat Dies 
gilt insbesondere von den zahlreichen Anfechtungs- 
rechten (Einspruch, Klage, Berufung, Revision, 
Antrag auf mündliche Verhandlung, formelle 
Beschwerde). Hierher gehören aber auch die Vor- 
schriften, welche die Zulässigkeit der Nachbe- 
steuerung zeitlich begrenzen (vgl. V.G v. 18. 6. 40 
m 5—7, Eink. St.G § 85, Erg. St.G § 47, Gew.-= 
St. G # 78, pr. Kom. Abg. G 88 84, 86, Kreis- und 
Prov. Abg.G §§ 16, 31 II). Doch bedarf es auch 
hier stets einer besonderen gesetzlichen Grundlage 
für die Verschweigung; hierauf beruht die sog. 
Unverjährbarkeit des Steuerrechts als solchen 
(vgl. 5 655 AL 1 9), die sog. Unverjährbarkeit 
des polizeilichen Einschreitens auch gegenüber 
einem seit lange bestehenden polizeiwidrigen Zu- 
stand (OVG# 2, 395; 31, 359; vgl. auch in VBl 
27, 163) sowie die Unverjährbarkeit der Eigen- 
WW½ selbständiger Gutsbezirk (OV# in BB#1 
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4. Seltener ist die Verschweigung bei son- 
stigen Rechten, Befugnissen oder 
Fähigkeiten. Hierher gehört §J 95 ALR II 9, 
wobei dahingestellt bleiben mag, ob der Fristab- 
lauf hier das Adelerecht [#I selbst oder nur die 
„Befugnis“ zur Führung des Adelsprädikats one 
vorangegangene (deklaratorische) Anerkennung des 
Adels zum Erlöschen bringt. Hierher gehört
	        
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