Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
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Vermögenssteuer (Ergänzungssteuer) 
  
materielle V St). In Zeiten äußerster Not greift 
man zu solchen VSt. Der Wirkung nach stehen 
ihnen nahe Erbschafts= INU und die Wertzuwachs- 
steuern. [NIl. 
b) Oder die Vt sucht durch den Umwen über 
die. Tatsache des Vermögensbesitzes die in diesem 
dargestellte höhere Leistungsfähigkeit des fundier- 
ten Einkommens schärfer zur St heranzuziehen 
als den Ertrag der an die Wechselfälle des Lebens 
ebundenen persönlichen Arbeit (nominelle oder 
ormelle Vermögenssteuer). 
Für unsere modernen St ysteme kommt sie 
hauptsächlich in der zweiten Funktion in Betracht. 
II. Die VSt als Erg t dient im Prinzipe der 
formalen Doppelbesteuerung im System der mo- 
dernen Personalbesteuerung zur stärkeren Be- 
lastung des leistungsfähigeren fundierten Ein- 
kommens, dessen Quelle und Grundlage der 
Vermögensbesitz ist und dessen Bezug dauernder 
und sicherer ist als das von Gesundheit, Arbeits- 
kraft und Fortdauer der Persönlichkeit abhängige 
Arbeitseinkommen. 
Die Einkommensteuer INI] wendet sich an eine 
bereits abgeschlossene Erscheinung im Wirtschafts- 
leben, an das Einkommen als subjektiven Rein- 
ertrag, der dem Genusse des Wirtes bereit gestellt 
ist. Im Eink sind daher bereits alle konstitutiven 
Elemente seiner Bildung abgeschlossen. Der 
Grad der Wirksamkeit der einkommenbildenden 
Faktoren ist aber ein verschiedener, und diese sind 
in verschiedener Abstufung steuerfähig. Da nun 
die einzelnen Vermögensbestandteile ungleich an 
dem Wirtschaftserfolge teilnehmen, so bietet der 
Kapitalwert des Vermögens einen besse- 
ren ausgleichenden Maßstab zur 
stärkeren Belastung des fundier- 
ten Einkommens als andere Steuer- 
formen, die eine Ausscheidung der Eink Teile nach 
ihrem Ursprung nicht zu erreichen vermögen und 
daher Verschiedenes mit den gleichen technischen 
Mitteln behandeln. Dies zeigt sich aber ganz be- 
sonders da, wo der Eink Bezug aus einem Zu- 
sammenwirken von Kapital und Arbeit entspringt. 
Zur Lösung beider Bestandteile aus dem Zu- 
sammenhange sind die Real St zu starr und un- 
beweglich, während eine entsprechende Einrichtung 
der allgemeinen Eink St zu diesem Zwecke an 
praktischen Schwierigkeiten scheitert. Daher kann 
die VSt als „Ergänzungssteuer“ viel besser den auf 
die Mitwirkung des Kapitals bei der Produktion 
zurückführenden Bestandteil des Einkommens 
berücksichtigen. Da es nun aber bei der Viel- 
gestaltigkeit der modernen Erwerbs= und Wirt- 
schaftsverhältnisse unvermeidlich ist, daß immer 
gewisse Teile der leistungsfähigen Ertragsgrößen 
unberücksichtigt bleiben, so erscheint die nominelle 
VSt als geeignet, etwaige Lücken der Ertrags- 
und Einkommensbesteuerung zu ergänzen und 
auszufüllen. 
Endlich können im Rahmen einer VSt jene 
wirtschaftlich benutzbaren, produktiv aber nicht 
genutzten Teile des Stammvermögens, die, ohne 
einen wirtschaftlichen Ertrag zu liefern, dem 
persönlichen Genusse des Eigentümers dienen 
und nicht selten ein sicheres Merkmal einer ge- 
steigerten Leistungsfähigkeit sind, am leichtesten 
eine der Billigkeit nur angemessene Heranziehung 
zu den öffentlichen Lasten erfahren. In passen- 
der Weise kann dann hier bei bestimmten Besitz- 
  
objekten (Galerien, Sammlungen, Bibliotheken, 
Landsitzen, Rennställen usw.) mit der BStedie 
uussiene 1 bonkurrieren. wocher Erg 
r die eranlagung solcher St 
lassen sich am weckmähisten die allgemeinen 
Grundsätze der Einkommensteuer [JI anwenden. 
Als erstrebenswertes Ziel ist die Forderung 
obligatorischer Selbstangaben, sog. „Vermögens- 
fassionen“, zu bezeichnen. 
III. Besonders ausgebildet ist die Vermögens- 
besteuerung in den Kantonen der Schweiz und 
in den V. St. von Amerika. 
#s#2. Preußen. 
I. In den schweren Beiten nach der Tilsiter 
Katastrophe wurde durch das Edikt von 1812 
neben einer Eink St eine 3% ige außerordentliche 
Vöt für Kriegszwecke ausgeschrieben. Allein die 
Erbitterung dagegen war so groß, daß man nicht 
mehr wagte, auf diese St Form zurückzukommen. 
Damit verschwindet 80 Jahre lang jede Spur 
einer VSt in der preußischen Gesetzgebung. 
Sie ist erst in unseren Tagen als Glied der großen 
Migquelschen Finanz= und StReformen zur Aus- 
füllung der Lücken der Erwerbsbesteuerung 
wieder hervorgeholt worden. Durch G v. 19. 6. 06 
und 26. 5. 09 sind einige Einzelheiten abgeändert 
worden, namentlich über die Wertberechnung 
(ogl. unten VI). 
Die Ergänzungssteuer nach Gv. 
14. 7. 93 und 19. 6. 06 ist nach ihrer Funktion 
eine ergänzende VSt, welche die Eink St, den 
Hauptträger der Erwerbsbesteuerung, stützen soll. 
Darum hat sie in dreifacher Hinsicht ergänzend zu 
wirken. Einmal soll sie das Erträgnis der Emrtct 
ergänzen und damit den durch die Ueberweisung 
von direkten Staats St an die Gemeinden IN Bd. 
I1 S 1241] entstandenen Ausfall decken helfen. 
Sodann soll sie das fundierte Eink schärfer be- 
lasten als das ArbeitsEink, indem zwar beide der 
Einkt in gleicher Weise unterliegen, die Quellen 
aber, aus denen das erstere fließt, nochmals durch 
die VSt belastet werden. Endlich soll sie da er- 
gänzend eintreten, wo beim Mangel eines Eink 
während einer Veranlagungsperiode die Eink St 
zur angemessenen Erfassung der Leistungsfähig- 
keit nicht hinreicht. 
: Der Erg St unterliegen nur die 
physischen Personen, die als Inländer preußische 
Staatsangehörige sind oder als Reichsangehörige 
oder Reichsausländer ihren Wohnsitz in Preußen 
haben, und sodann ohne Rücksicht auf. die Staats- 
angehörigkeit alle physischen Personen nach dem 
Werte ihres preußischen Grundbesitzes und des in 
land= und forstwirtschaftlichen, bergbaulichen und 
gewerblichen (stehenden) Unternehmungen in 
Preußen verwendeten Anlage= und Betriebs- 
kapitals. 
III. Steuerobjekt ist das gesamte be- 
wegliche und unbewegliche Vermögen (Liegen- 
schaften, Gewerbs- und Kapitalvermögen) abzug- 
lich der Schulden und ausschließlich der Möbel 
des Hausrats und anderer beweglicher Sachen, 
die nicht Zubehör von Kapitalanlagen und Er- 
werbseinrichtungen sind. Die zu einer Fideikom- 
mißstiftung I1 gehörigen Vermögen und Ber- 
mögensteile werden dem jeweiligen Nutznießer, 
das Vermögen ungeteilter Erbmassen den Erben 
nach dem Maße ihres Erbteils, die Anlage- und 
Betriebswerte einer nicht einkommensteuerpflich-
	        
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