670
Vermögenssteuer (Ergänzungssteuer)
materielle V St). In Zeiten äußerster Not greift
man zu solchen VSt. Der Wirkung nach stehen
ihnen nahe Erbschafts= INU und die Wertzuwachs-
steuern. [NIl.
b) Oder die Vt sucht durch den Umwen über
die. Tatsache des Vermögensbesitzes die in diesem
dargestellte höhere Leistungsfähigkeit des fundier-
ten Einkommens schärfer zur St heranzuziehen
als den Ertrag der an die Wechselfälle des Lebens
ebundenen persönlichen Arbeit (nominelle oder
ormelle Vermögenssteuer).
Für unsere modernen St ysteme kommt sie
hauptsächlich in der zweiten Funktion in Betracht.
II. Die VSt als Erg t dient im Prinzipe der
formalen Doppelbesteuerung im System der mo-
dernen Personalbesteuerung zur stärkeren Be-
lastung des leistungsfähigeren fundierten Ein-
kommens, dessen Quelle und Grundlage der
Vermögensbesitz ist und dessen Bezug dauernder
und sicherer ist als das von Gesundheit, Arbeits-
kraft und Fortdauer der Persönlichkeit abhängige
Arbeitseinkommen.
Die Einkommensteuer INI] wendet sich an eine
bereits abgeschlossene Erscheinung im Wirtschafts-
leben, an das Einkommen als subjektiven Rein-
ertrag, der dem Genusse des Wirtes bereit gestellt
ist. Im Eink sind daher bereits alle konstitutiven
Elemente seiner Bildung abgeschlossen. Der
Grad der Wirksamkeit der einkommenbildenden
Faktoren ist aber ein verschiedener, und diese sind
in verschiedener Abstufung steuerfähig. Da nun
die einzelnen Vermögensbestandteile ungleich an
dem Wirtschaftserfolge teilnehmen, so bietet der
Kapitalwert des Vermögens einen besse-
ren ausgleichenden Maßstab zur
stärkeren Belastung des fundier-
ten Einkommens als andere Steuer-
formen, die eine Ausscheidung der Eink Teile nach
ihrem Ursprung nicht zu erreichen vermögen und
daher Verschiedenes mit den gleichen technischen
Mitteln behandeln. Dies zeigt sich aber ganz be-
sonders da, wo der Eink Bezug aus einem Zu-
sammenwirken von Kapital und Arbeit entspringt.
Zur Lösung beider Bestandteile aus dem Zu-
sammenhange sind die Real St zu starr und un-
beweglich, während eine entsprechende Einrichtung
der allgemeinen Eink St zu diesem Zwecke an
praktischen Schwierigkeiten scheitert. Daher kann
die VSt als „Ergänzungssteuer“ viel besser den auf
die Mitwirkung des Kapitals bei der Produktion
zurückführenden Bestandteil des Einkommens
berücksichtigen. Da es nun aber bei der Viel-
gestaltigkeit der modernen Erwerbs= und Wirt-
schaftsverhältnisse unvermeidlich ist, daß immer
gewisse Teile der leistungsfähigen Ertragsgrößen
unberücksichtigt bleiben, so erscheint die nominelle
VSt als geeignet, etwaige Lücken der Ertrags-
und Einkommensbesteuerung zu ergänzen und
auszufüllen.
Endlich können im Rahmen einer VSt jene
wirtschaftlich benutzbaren, produktiv aber nicht
genutzten Teile des Stammvermögens, die, ohne
einen wirtschaftlichen Ertrag zu liefern, dem
persönlichen Genusse des Eigentümers dienen
und nicht selten ein sicheres Merkmal einer ge-
steigerten Leistungsfähigkeit sind, am leichtesten
eine der Billigkeit nur angemessene Heranziehung
zu den öffentlichen Lasten erfahren. In passen-
der Weise kann dann hier bei bestimmten Besitz-
objekten (Galerien, Sammlungen, Bibliotheken,
Landsitzen, Rennställen usw.) mit der BStedie
uussiene 1 bonkurrieren. wocher Erg
r die eranlagung solcher St
lassen sich am weckmähisten die allgemeinen
Grundsätze der Einkommensteuer [JI anwenden.
Als erstrebenswertes Ziel ist die Forderung
obligatorischer Selbstangaben, sog. „Vermögens-
fassionen“, zu bezeichnen.
III. Besonders ausgebildet ist die Vermögens-
besteuerung in den Kantonen der Schweiz und
in den V. St. von Amerika.
#s#2. Preußen.
I. In den schweren Beiten nach der Tilsiter
Katastrophe wurde durch das Edikt von 1812
neben einer Eink St eine 3% ige außerordentliche
Vöt für Kriegszwecke ausgeschrieben. Allein die
Erbitterung dagegen war so groß, daß man nicht
mehr wagte, auf diese St Form zurückzukommen.
Damit verschwindet 80 Jahre lang jede Spur
einer VSt in der preußischen Gesetzgebung.
Sie ist erst in unseren Tagen als Glied der großen
Migquelschen Finanz= und StReformen zur Aus-
füllung der Lücken der Erwerbsbesteuerung
wieder hervorgeholt worden. Durch G v. 19. 6. 06
und 26. 5. 09 sind einige Einzelheiten abgeändert
worden, namentlich über die Wertberechnung
(ogl. unten VI).
Die Ergänzungssteuer nach Gv.
14. 7. 93 und 19. 6. 06 ist nach ihrer Funktion
eine ergänzende VSt, welche die Eink St, den
Hauptträger der Erwerbsbesteuerung, stützen soll.
Darum hat sie in dreifacher Hinsicht ergänzend zu
wirken. Einmal soll sie das Erträgnis der Emrtct
ergänzen und damit den durch die Ueberweisung
von direkten Staats St an die Gemeinden IN Bd.
I1 S 1241] entstandenen Ausfall decken helfen.
Sodann soll sie das fundierte Eink schärfer be-
lasten als das ArbeitsEink, indem zwar beide der
Einkt in gleicher Weise unterliegen, die Quellen
aber, aus denen das erstere fließt, nochmals durch
die VSt belastet werden. Endlich soll sie da er-
gänzend eintreten, wo beim Mangel eines Eink
während einer Veranlagungsperiode die Eink St
zur angemessenen Erfassung der Leistungsfähig-
keit nicht hinreicht.
: Der Erg St unterliegen nur die
physischen Personen, die als Inländer preußische
Staatsangehörige sind oder als Reichsangehörige
oder Reichsausländer ihren Wohnsitz in Preußen
haben, und sodann ohne Rücksicht auf. die Staats-
angehörigkeit alle physischen Personen nach dem
Werte ihres preußischen Grundbesitzes und des in
land= und forstwirtschaftlichen, bergbaulichen und
gewerblichen (stehenden) Unternehmungen in
Preußen verwendeten Anlage= und Betriebs-
kapitals.
III. Steuerobjekt ist das gesamte be-
wegliche und unbewegliche Vermögen (Liegen-
schaften, Gewerbs- und Kapitalvermögen) abzug-
lich der Schulden und ausschließlich der Möbel
des Hausrats und anderer beweglicher Sachen,
die nicht Zubehör von Kapitalanlagen und Er-
werbseinrichtungen sind. Die zu einer Fideikom-
mißstiftung I1 gehörigen Vermögen und Ber-
mögensteile werden dem jeweiligen Nutznießer,
das Vermögen ungeteilter Erbmassen den Erben
nach dem Maße ihres Erbteils, die Anlage- und
Betriebswerte einer nicht einkommensteuerpflich-