Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
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Verordnung 
  
Momente kennzeichnen den Begriff: die Eigen- 
schaft der V als Akt der Staatsgewalt, ihr Ur- 
sprung aus dem Willen der vollziehenden Gewalt 
(Exekutive, Verwaltung [I), die Allgemeinheit 
ihrer Fassung. Und drei Gegensätze sind es dem- 
zufolge, welche, indem sie zeigen, was nicht V 
ist, als Folie sozusagen, das Wesen der V erkennen 
lassen. Als Akt der Staats gewalt steht die V 
im Gegensatz zu den allgemein gefaßten Willens- 
äußerungen der dem Staate untergeordneten, 
jedoch selbständigen und rechtsfähigen Gemein- 
wesen, den autonomischen Satzungen 
IX Autonomiel. Der Ursprung aus dem Willen 
der vollziehenden Gewalt hebt die V 
ab von dem formellen Gesek IBd. 2, 
2131: die V ist ein Akt der Exekutive, das Gesetz 
i. f. S. ein Akt der Legislative, letzteres wird von 
der Regierung unter Zustimmung der Volksver- 
tretung, erstere von der Regierung allein erlassen. 
Endlich trennt das Kriterium der Allgemein- 
heit, der abstrakten Fassung, die V von anderen 
Regierungs- und Verwkten, von denen, welche 
lediglich den konkreten Einzelfall bestimmen und 
an ihm ihre Kraft erschöpfen: die Abstraktheit 
scheidet V und Verfügung (X| Verwal- 
tungsaktl. 
Der wichtigste und einschneidendste dieser Gegen- 
sätze ist der zwischen V und formellem Gesetz. 
Wesentlich im Abstande von dem Begriffe des 
formellen Gesetzes hat sich der Begriff der V ent- 
wickelt; es ist ohne weiteres deutlich, daß der eine 
wie der andere Begriff zu den Inventarstücken des 
konstitutionellen Staates, des Staates 
mit Gewaltenteilung und Volksvertretung, gehört. 
[Verfassung § 3, Verwaltung §§ 5—9.] Ohne 
die dem Konstitutionalismus eigene Trennung von 
Exekutive und Legislative sind jene Begriffe un- 
denkbar, unvollziehbare Vorstellungen; unter dem 
Absolutismus kann es den Gegensatz zwischen Ge- 
setz und V nicht geben und hat es ihn nicht 
gegeben; erst der Konstitutionalismus hat ihn 
mit sich gebracht (J Gesetz Bd. 2 S 2131. 
Die VGewalt oder das BMRecht (kein subjektives 
Recht, sondern eine Kompetenzz) steht nach 
Maßgabe der darüber in den einzelnen Staaten 
bestehenden Vorschriften den Organen der voll- 
ziehenden Gewalt, oder, wie man, gleichbedeutend, 
emeinhin sagt: der Verwaltung INI, zu. 
N dem Staatsoberhaupt, den Ministern, den 
mittleren und unteren Behörden, — im Reiche 
dem Bundesrat (Jl, dem Kaiser (Vl, dem Reichs- 
kanzler (JXI, den Reichsämtern. Jedenfalls ist die 
V stets ein Verwokt [J im formellen Sinne. 
Daraus folgt, daß die Schranken der VGewalt in 
gegenständlicher Beziehung grundsätzlich zusam- 
menfallen müssen mit den Grenzen der voll- 
ziehenden Gewalt überhaupt. Die VGewalt ist 
gegenständlich nicht enger begrenzt, reicht aber 
auch nicht weiter als der allgemeine Wirkungs- 
kreis der Verwaltung: alles das, aber auch nur 
das, was Träger und Organe der vollziehenden 
Gewalt im VerwWege anordnen dürfen, können 
sie auch zum Gegenstande einer V machen. So 
ist es z. B. Beruf und Pflicht der Verwaltung, 
für die richtige Handhabung der bestehenden Ge- 
setze zu sorgen nicht nur durch Verfügungen im 
Einzelfall, sondern, soweit erforderlich und zweck- 
dienlich, auch durch Erlaß allgemeiner Vorschrif- 
ten, m. a. W. durch V, z. B. Dienstanweisungen 
  
  
(Instruktionen) an die zuständigen Behörden und 
Beamten (75 3). Auch mit dem Pol Verfügungs- 
recht [X Band 3 S 105 ffl verbindet sich, soweit 
das Gesetz nicht ein anderes bestimmt, das Recht, 
allgemeine volizeiliche Vorschriften zu erlassen: 
das Pol BRecht) IJ Band 3, S 119 ffl. 
#2. Arten der Verordnungen. Eine Klassifi- 
zierung der V ist nach verschiedenen Gesichtspunk- 
ten möglich. So kann man unterscheiden: 
1. nach der Verschiedenheit des 
verordnenden Organs: V unmittel- 
barer und mittelbarer Staatsorgane, z. B. landes- 
herrliche und behördliche Verordnungen; 
2. selbständige und unselbstän- 
dige Verordnungen. Letztere sind V, 
welche auf ausdrücklicher gesetzlicher Ermächtigung 
beruhen (z. B. die auf Grund von StGB 5 145 
erlassenen Kaiserl. V), während man von einer 
„selbständigen“ V spricht, wenn es an einer solchen 
Ermächtigung fehlt. [J Verwaltung §59.] An 
diese Unterscheidung knüpft unmittelbar an eine 
andere, hervorragend wichtige: die zwischen 
Verwaltungsverordnungen 
und Rechtsverordnungen. Die Ver- 
waltungs V heißen so nicht weil sie von der Ver- 
waltung ausgehen, — denn das ist bei jeder B 
der Fall, sondern weil sie auch inhaltlich, ma- 
teriell, das sind, als was sie nach Ursprung und 
Form erscheinen: Verwaltungsakte. Ver- 
waltungs B sind V, welche die Einrichtungen und 
die Tätigkeit des Staates innerhalb der Schranken 
des geltenden Rechts regeln. Sie betreffen In- 
terna des Staatsorganismus, können und wollen 
das objektive Recht nicht ändern, in Rechte der 
Untertanen nicht eingreifen. Sie sind in der 
Regel selbständige Vj jedenfalls bedürfen sie zu 
ihrer Gültigkeit keiner besonderen gesetzlichen Er- 
mächtigung: das Recht, den Verw Willen innerhalb 
der bestehenden gesetzlichen Schranken wie in kon- 
kreter, so auch in abstrakt gefaßter Form zu äußern, 
ist eine in der VerwHoheit von selbst inbegriffene 
Funktion. Es steht der Staatsleitung und ihren 
Organen auch da zu, wo die Gesetze es ihnen nicht 
ausdrücklich übertragen. So folgt z. B. aus der 
bloßen Tatsache, daß der Kaiser das Ober- 
haupt der eigenen und unmittelbaren Verwaltung 
des Reichs ist, ein umfassendes Verw VRecht (z. B. 
das Recht, die Behörden und Beamten des Reichs- 
dienstes mit Instruktionen zu versehen), obgleich 
die Reichsverfassung dieses Recht nicht erwähnt. 
Ganz verschieden von den Verwaltungs= sind 
die Rechtsverordnungen. Die Rechts B 
ist nur der Form nach eine V (V im formellen 
Sinne), dem Inhalt nach ein Gesetz (Gesetz im 
materiellen Sinne; #Band 2, 212):eine Rechts- 
norm, welche von einem andern als dem kon- 
stitutionellen Gesetzgeber erlassen ist, welcher die 
Form des Gesetzes fehlt. Dieses Fehlen ist nach 
den im Art. „Gesetz“ dargelegten verfassungsrecht- 
lichen Grundsätzen niemals selbstverständlich, be- 
darf vielmehr besonderer Begründung: Rechts V 
können nur erlassen werden mit gesetzlicher (in der 
Verfassung oder einem einfachen Gesetz enthal- 
tenen) Ermächtigung. Unter Rechtsnormen 
(„Rechtsvorschriften“, Gegensatz: „Verwaltungs- 
vorschriften") sind solche Normen zu verstehen, 
welche sich von seiten des Staates mit Gebot oder 
Verbot an die Untertanen wenden und deren 
Freiheit und Eigentum beschränken. Der Satz,
	        
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