Verordnung
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daß Rechts V nur mit formellgesetzlicher Ermäch-
tigung erlassen werden können, ist ersichtlicher-
weise nur ein anderer Ausdruck für das — im
Art. „Gesetz“, oben 2, S 214, 215 vorgetragene
und begründete — Prinzip, wonach der Erlaß
aller Rechtsnormen ausschließlich der Legislative
vorbehalten ist.
Als Gesetze im materiellen Sinne bedürfen die
Rechts V, um verbindlich zu werden für die, welche
sie angehen, der Verkündigung (Publikation).
Damit ist nicht gesagt, daß sie überall in derselben
Weise zu verkündigen sind, wie formelle Gesetze;
so bezieht sich z. B. die Vorschrift des a 2 NV
betr. das R#l nach richtiger, wiewohl nicht un-
bestrittener (AM Laband 2, 108 ff) Ansicht nur
auf Reichsgesetze im formellen Sinne, nicht auf
Rechts L. Soweit über die Publikation von
Rechts V keine gesetzlichen Vorschriften bestehen,
steht es der verordnenden Instanz selbst zu, all-
gemein oder im Einzelfalle über Ort und Art der
Verkündigung Bestimmung zu treffen. Im Gegen-
satz zu den Rechts= bedürfen die Verw V keiner
Publikation, sondern nur der Zustellung (Insinua-
tion) behufs Kenntnisnahme durch dasjenige
Staatsorgan, an welches sie sich richten.
§s 3. Unterarten der Berwaltungsverordunn-
en. Wichtige Unterarten der Gattung Verw
ind die Organisations V, die Anstaltsordnungen
und die Dienstanweisungen (Instruktionen).
1. Die Organisationsverordnun-
gen haben zum Gegenstand die Einrichtung der
Staatsbehörden. Das Recht, solche V zu erlassen,
ist, wie das Recht der Behördeneinrichtung über-
haupt, ein integrierender Bestandteil der voll-
führenden Gewalt, der Verwhoheit. Es steht da-
her insbesondere dem obersten Organ, dem Trä-
er der vollziehenden Gewalt, also im monarchi-
chen Einzelstaat dem Monarchen, grundsätzlich,
und nur insoweit nicht zu, als die Organisation
bestimmter Arten von Behörden (z. B. der Ge-
richte 1) gesetzlich geregelt und damit der Verände-
rung im VWeg entzogen oder von vornherein
dem Wege der Gesetzgebung durch ausdrückliche
Gesetzesvorschrift vorbehalten ist. Rechts V sind
die Organisations V deshalb nicht, weil sie nicht
nur Recht der Staatsgewalt gegenüber Freiheit
und Eigentum der Untertanen begründen, sondern
nur die zur Ausübung der bestehenden Rechte zu-
ständigen Organe bestimmen. Eine mittelbare
aber sehr wirksame Schranke des organisatorischen
VpRechts folgt aus dem Ausgabebewilligungsrecht
der Volksvertretung: soweit die in der V vorge-
sehene organisatorische Neuerung mit Kosten für
den Staat verbunden ist, kann die V nicht vor
Bewilligung der erforderlichen Mittel in Vollzug
gesetzt werden.
Nach Landesstaatsrecht steht der Erlaß von
Organisations L dem Monarchen zu, der diese
Funktion aber delegieren kann (so insbesondere
in Preußen). Wer im Reiche, d. h. in bezug auf
die Einrichtung der Reichsbehörden, diese VGe-
walt hat, ist in der Reichsverfassung nicht gesagt.
Kraft einer zum Gewohnheitsrecht gewordenen
feststehenden Uebung wird sie nicht vom BR
(der an sich, nach seiner allgemeinen verfassungs-
rechtlichen Stellung als Repräsentant des Trägers
der Reichsgewalt darauf Anspruch hätte; vgl. An-
schütz in der Enzykl.? 4, 163), sondern vom Kaiser
ausgeübt, wie denn insbesondere die obersten
Reichsverwaltungsbehörden (Reichsämter i. e. S.)
nicht durch BMR eschlüsse, sondern durch kaiserliche
V eingesetzt und eingerichtet worden sind.
Nahe verwandt mit den Organisations V sind
2, die Anstaltsordnungen, d. h. V
über die Einrichtung, Verwaltung und Benutzung
der Staatsanstalten. Staatsanstalten in diesem
Sinne sind Inbegriffe von Verw Mitteln, welche,
durch die Einheit ihres Zweckes zusammengehalten,
in Eigentum oder doch unter der Verfügungsge-
walt des Staates stehen, z. B. Verkehrsanstalten
(Eisenbahnen, Post, Telegraphie), wissenschaftliche
und Unterrichtsanstalten, Kunstinstitute. Sache
der Anstaltsordnung ist es auch und insbesondere,
die Bedingungen, unter denen das Publikum die
Anstalt benutzen darf, allgemein festzustellen. Um
Rechtsnormen handelt es sich hier so wenig wie
bei dem organisatorischen Inhalt der Anstalts-
ordnung: die Vorschrift, welche die Benutzung
einer öffentlichen Anstalt nach Art, Maß, Zeit,
Preis regelt, greift nicht rechtssatzmäßig in Frei-
heit und Eigentum der Benutzer ein, drängt ihnen
nichts auf, bietet ihnen vielmehr nur gewisse Vor-
teile an unter Feststellung der Gegenleistungen
(z. B. der Zahlung der tarifmäßigen Gebühren).
3. Die Dienstanweisung (früher meist
Instruktion) ist eine Verw#, in welcher
ein höheres einem ihm untergeordneten und zu
Gehorsam verpflichteten niederen Staatsorgan
vorschreibt, wie es die ihm übertragenen Funk-
tionen auszuüben habe: also ein verordnungs-
mäßig gefaßter, verallgemeinerter Dienstbe-
fehl. Der Erlaß solcher Dienstbefehle steht
jedem Organträger zu, dem eine Dienstgewalt
Üüber Untergebene eingeräumt ist, an oberster
Stelle in den Einzelstaaten dem Landesherrn IJI1,
im Reiche dem Kaiser [I (denn dieser, nicht der
BR, ist Haupt und Herr des Reichsdienstes (siehe
oben 5# 2 Ziff. 3)).
8 4. Typische Arten der Rechtsverordunugen
sind die Not V (1), Polizei V (2) und Ausführungs-
verordnungen (3).
1. Die Notverordnungen sind V mit
formeller Gesetzeskraft (gesetzvertretende V), wel-
che kraft verfassungsmäßiger Ermächtigung von
der Staatsregierung erlassen werden können in
Fällen dringenden Notstandes, wenn ein Tätig-
werden der gesetzgebenden Fakteren geboten, in-
dessen Gefahr im Verzuge ist, derart, daß der
Gesetzgebungsapparat für die Bedürfnisse der
Lage zu langsam arbeiten würde. Der Fall, an
welchen hier in erster Linie zu denken ist, ist der
Eintritt eines Notstandes der angegebenen Art zu
einer Zeit, wo die Volksvertretung nicht versam-
melt ist, also zum Zweck der Erlassung eines Ge-
setzes erst einberufen werden mußte. Mehrere
Verfassungen, insbesondere die preußische (a 63)
und die sächsische (& 88) beschränken die Zulässig-
keit des Erlasses von Not V auf diesen Fall, wäh-
rend andere (württ. Verf § 89, bad. V # 66)
von solcher zeitlichen Einschränkung nichts wissen.
a) Dem Reichs staatsrecht ist das Institut der
Not V im allgemeinen unbekannt; nur für Elsaß-
LothringenJ|] ist dem Kaiser die Befugnis
erteilt zu Zeiten, wo der Landtag nicht versammelt
ist, V mit Gesetzeskraft zu erlassen, wenn die Auf-
rechterhaltung der öffentlichen Sicherheit oder die
Beseitigung eines ungewöhnlichen Notstandes es
dringend erfordert. Diese V sind dem Landtag
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