Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
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Versicherungswesen (Privatversicherung) 
  
Versicherungswesen 
Grivatversichernug: Uebersicht) 
#s 1. Begriff und Bedeutung (Betriebsformen). 1 2. Ent- 
wicklung des Versicherungsrechts. # 3. Geltendes Ber- 
waltungsrecht. 1 4. Statistisches. 
#1. Begriff und Bedentung (Betriebsformen). 
I. Versicherung (V) ist die wirtschaftliche Einrich- 
tung zur Deckung ungewissen, aber für den Ver- 
sicherer schätzbaren Vermögensbedarfs durch Ver- 
teilung auf eine Mehrzahl von Wirtschaftssubjekten, 
für die der gleiche Bedarf droht, aber nicht oder 
noch nicht eintritt. Sie gründet sich auf die Wahr- 
scheinlichkeit, daß Schäden in den menschlichen 
Lebens= oder Vermögensverhältnissen eintreten 
werden; auf die Tatsache, daß eine Mehrzahl dieser 
Gefahr ausgesetzt ist; und auf die Ungewißheit, 
wen sie treffen wird. Sie bezweckt die der gleichen 
Gefahr Ausgesetzten zur Leistung verhältnismäßi- 
ger Beiträge (Prämien) zu veranlassen, deren 
Summe zur Deckung der wirklich entstandenen 
Schäden ausreicht. Dabei bedeutet versicherungs- 
technisch „Gefahr“ die Möglichkeit des Eintritts 
des Ereignisses, das einen Vermögensbedarf nötig 
macht und insofern, manchmal nur mittelbar, 
wirtschaftlich nachteilig ist, und „Schaden“ das 
Ereignis selbst, das kein Unglücksfall zu sein braucht. 
II. Die hohe Bedeutung der V liegt auf privat- 
wie volkswirtschaftlichem und sozialen Gebiet. 
Private ohne großes Vermögen erkaufen sich 
mit einer verhältnismäßig geringen Leistung 
Ruhe und Sicherheit für die Zukunft. Der Volks- 
wirtschaft kann die V Schäden zwar nicht ersparen, 
aber ihre nachteiligen Folgen durch Verteilung 
auf viele Schultern wesentlich mildern. Sie 
wirkt durch den Schutz vor Verarmung Kapital 
und Einkommen erhaltend und zugleich Kapital 
schassend durch die Anregung des Unternehmer- 
geistes. Sie fördert den Kredit, dem sie oft erst 
eine solide Grundlage gibt und dem sie ihre großen 
angesammelten Wertbestände zuführt. Der soziale 
Nutzen der V beruht vor allem darauf, daß die 
V ein durch eigene Leistung erworbenes Recht 
auf Unterstützung gewährt und deshalb der Hilfe 
in Notfällen den Almosencharakter nimmt. 
IIII. Die Einteilung der V ist wegen der 
Mannigfaltigkeit der menschlichen Wirtschafts- 
verhältnisse und der Gefahren, die sie zu um- 
fassen vermag, schwierig und flüssig. Zunächst 
sind zwei Hauptarten zu unterscheiden: die So- 
zial V, d. i. die im Wege öffentlicher Fürsorge 
ausgeübte Arbeiter= [XI und Angestellten V (N!I 
und die Privat V, die alle übrigen Vumfaßt und 
auf sich entsprechender Leistung und Gegenleistung 
beruht. Für die Privat V ist die Einteilung in 
Schadens= und Personen V grundlegend. 
Jene geht auf Ersatz eines durch ein bestimmtes Er- 
eignis herbeigeführten Vermögensschadens, durch 
dessen Höhe die Haftung des Versicherers begrenzt 
ist; diese bezweckt bei Eintritt eines eine Person 
betreffenden Ereignisses die Zahlung des verein- 
barten Betrags an Kapital oder Rente oder der 
sonst vereinbarten Leistung. Die Schadens V 
kann in Sach= und Vermögenswert V zergliedert 
werden. Zu ersterer gehören die Feuer- IJ, 
  
Hagel-- [JI, Vieh= I[IFl, Transport= (See= unb 
Binnentransport-), Glas-, Wasserschäden-, Sturm- 
schäden- und Maschinen V — zu letzterer die Haft- 
pflicht--, Kredit-, Hypotheken--, Kursverlust-, Miet- 
verlust-, Diebstahl-, Unterschlagungs-, Streik= und 
RückV. Die Personen V kann man scheiden in 
Lebens V [IJ] und in V der Erwerbsfähigkeit, 
wozu zu rechnen sind Kranken-, Invaliden-, Un- 
fall= und Arbeitslosen V. Die zuletzt genannten 
V nähern sich oft der Schadens V und können 
sogar als reine Schadens V betrieben werden, so 
vor allem die Krankenversicherung. 
Für den Geschäftsgang des Kais. Aufsichtsamts 
für Privat V ist die Einteilung in folgende 65 
Gruppen üblich: 1. Lebens= und Kranken V (be- 
zeichnet mit L), 2. Unfall- und Haftpflicht B (U), 
3. Vieh-, Hagel= und sonstige landwirtschaftliche V 
(HV), 4. Feuer-, Sturmschäden-, Wasserschäden- 
und Diebstahl V (F), 5. sonstige VZweige (S). 
IV. Die V kann von öffentlich -recht- 
lichen Körperschaften oder von privaten 
Unternehmungen betrieben werden. 
Beide Formen haben ihre volkswirtschaftliche Be- 
rechtigung. Die öffentlichen VAnstalten kommen 
vor als Gegenseitigkeitsvereine mit oder ohne 
Monopol, mit oder ohne Beitrittszwang und mit 
oder ohne staatliche Unterstützung. Die privaten 
Unternehmungen sind meist VVereine auf Ge- 
genseitigkeit oder Vktiengesellschaften, selten 
Einzelunternehmer oder sonstige Personenvereini- 
gungen. Nach V##G dürfen Gegenseitigkeits- 
vereine nurmehr in der Form von VVereinen 
a. G. und nurmehr solche oder Aktiengesellschaften 
zum Betrieb der Lebens-, Unfall--, Haftpflicht-, 
Feuer= oder Hagel V zugelassen werden. In der 
praktischen Geschäftsführung verwischt sich bei 
größeren Unternehmungen der Unterschied zwi- 
schen Gegenseitigkeitsverein und Aktiengesellschaft, 
besonders dann, wenn ersterer durch VGeschäfte 
gegen feste Prämien, ohne Mitgliedschaft voraus- 
zusetzen, abschließt und letztere einen Teil des 
Verdienstes den Versicherten zufließen läßt. 
#s 2. Entwicklung des Versicherungsrechts. 
Die Entwicklung des eigentlichen VWesens ging 
von der See V seit dem 14. Jahrhundert aus, 
griff im 17. Jahrhundert auf die Feuer L und im 
18. Jahrhundert auf die Lebens V über und be- 
mächtigte sich im Laufe des 19. Jahrhunderts all- 
mählich der übrigen VArten. In Deutschland 
gewann das VWesen erst seit Beginn des 19. Jahr- 
hunderts richtig Boden, entwickelte sich aber 
gerade hier seit den 80er Jahren zu vorbildlicher 
Blüte. Dieser rasche Aufschwung des VWesens 
gab den Anstoß zu einem kräftigen Fortschritt 
auf dem Gebiete der VGesetzgebung und dieser 
förderte wieder um so mehr die Entwicklung des 
VWWesens. 
Nach #a 4 S. 1 NV unterliegen die Bestimmungen 
über den Gewerbebetrieb, einschließlich des BWe- 
sens, der Beaufsichtigung und Gesetzgebung des 
Reichs. Für Bayern ist dies jedoch gemäß Z. IV 
des Versailler Schlußprotokolls v. 23. 11. 70 da- 
durch eingeschränkt, daß die reichsgesetzlichen 
Vorschriften für das Immobiliar BWesen in 
Bayern nur mit Zustimmung der bayrischen Re- 
gierung Geltung erlangen können. Durch G v. 
20. 12. 73 wurde die Gesetzgebung über das ge- 
samte bürgerliche Recht, mithin auch über den 
Wertrag dem Reiche zugesprochen (a 4 Z. 13 RV).
	        
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