Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
Versicherungswesen (Privatversicherung) 
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Mit dem VWesen befaßte sich die Reichsgesetz- 
gebung zunächst in § 1 Z. 3 HGB (Handels- 
gewerbe), im 10. Abschn. des 4. Buchs des HG 
(See V), in den I§ 6 u. 142 GewO (Vlnterneh- 
mungen fallen nicht unter die GewO, Anzeige- 
pflicht der Feuer VAgenten) und in den 88 266, 
277—280 u. 360 Z. 9 StGB (VBetrug, Aus- 
steluung und Gebrauch falscher ärztlicher Zeug- 
nisse gegenüber Vunternehmungen und unge- 
nehmigter VBetrieb). Das G v. 7. 4. 76 über 
die eingeschr. Hilfskassen und das Gv. 8. 4. 76 
über die Abänderung des VIII. Titels der GewO 
Hilfskassen] bildeten die Vorstufe der Sozial V. 
Diese setzte mit dem Jahre 1883 ein und schloß 
nach großzügiger Entwicklung mit der RVO v. 
19. 7. 11 und dem Ang VG v. 20. 12. 11 (7 Ar- 
beiter# mit Nachtr. und Privatangestellten V) 
vorläufig ab. Der Privat V wurde, abgesehen 
von gelegentlicher Regelung einzelner privatrecht- 
licher Fragen in den Is 330, 394, 1045, 1046, 
1127—1130 und 1385 BGB erst 1902 in verwal- 
tungsrechtlicher und 1910 in privatrechtlicher Hin- 
sicht reichsgesetzlich ein einheitlicher Rechtsboden. 
gegeben. Bis dahin galt das buntscheckige und 
lückenhafte Landesrecht (a 75 EG z. BGB). 
Die öffentlich-rechtliche Seite des 
WWesens fand ihre einheitliche Regelung in dem 
RG über die privaten Vunternehmungen vom 
12. 5. 01 (Rl 139 (VMA#l) mit der Einschrän- 
kung, daß nur die privaten, nicht auch die öffent- 
lichen Vnternehmungen betroffen und nur die 
gewerbe= und wirtschaftspolizeiliche, nicht auch 
die finanzrechtliche Seite geregelt ist. Die ge- 
werbe= und wirtschaftspolizeiliche Regelung des 
privaten VWesens ist, abgesehen von der unbe- 
rührten V Polizei über die VAgenten, erschöpfend 
(Kodifikationsprinzip): Landesrecht ist deshalb 
ausgeschlossen, soweit es nicht ausdrücklich auf- 
rechterhalten ist; dies ist nur bezüglich der Mono- 
polstellung öffentlicher Anstalten, der polizeilichen 
Ueberwachung der Feuer V Verträge nach ihrem 
Abschluß nebst der Auszahlung von Brandent- 
schädigungen und der notleidenden Risiken ge- 
schehen. 
Nebenbei behandelt das VAG auch privat- 
rechtliche Verhältnisse, die mit dem Verwaltungs- 
recht unlösbar zusammenhängen, besonders Kon- 
kursrecht und Verfassungsrecht der V Vereine a. G. 
im Anschluß an das Aktiengesellschaftsrecht des 
9B unter Milderung für kleinere Vereine. 
Die einheitliche Ordnung des VPrivatrechts 
durch das Reich erfolgte in dem G über den 
VVertrag v. 30. 5. 08 (RGhl 263 (VV)), das 
am 1. 1. 10 in Kraft trat. Ausgenommen von der 
kodifizierenden Regelung des VV0 sind außer 
den dem öffentlichen Recht angehörenden Ver- 
hältnissen der RVO, des Ang. VG, der gewerbe- 
rechtlichen Innungslassen und der bergrechtlichen 
Knappschaftskassen die See V und die Rück . 
Das Geschäft der öffentlichen ViAnstalten wird 
vom VV0 grundsätzich erfaßt: nur die Be- 
schränkungen der Vertragsfreiheit und die Vor- 
schriften über die VAgenten finden darauf keine 
Anwendung und, soweit für die Versicherten 
VZwang besteht, bleiben die landesgesetzlichen 
Vorschriften unberührt. Die Beschränkungen der 
Vertragsfreiheit gelten auch nicht bei der Trans- 
vortgüter-, Kredit-, Kursverlust= und Arbeits- 
losen V. Da das V2 Ueber= und DoppelV nicht 
  
verbietet, sind die landesrechtlichen Straf- 
— darüber als aufgehoben anzu- 
ehen 
Die ursprüngliche Sonderstellung der einge- 
schriebenen Hilfskassen im VAUG und im VVG 
wurde durch das G über die Aufhebung des 
Hilfskassengesetzes v. 20. 12. 11 (R#l 985) be- 
seitigt (K Hilfskassen). 
#5s# 3. Geltendes Verwaltungsrecht. In das 
Gebiet des Verwrechts fällt das VWesen inso- 
weit, als die V durch öffentliche Anstalten be- 
trieben, eine Staatsaufsicht über die privaten 
Vunternehmungen ausgeübt und die V steuer- 
lich erfaßt wird. 
I. Oeffentliche Anstalten bestehen, außer 
für die Sozial V, namentlich für die Feuer VNI, 
insbesondere für die V von Gebäuden. Von ge- 
ringerer Bedeutung sind sie auf dem Gebiete der 
Vieh-INI, Hagel-INl und Lebens V(AI. Für die 
Sozial V gilt Reichsrecht, im übrigen Landesrecht: 
beides ist in eigenen Artikeln d. W. behandelt. Eine 
Besonderheit bildet die staatliche Altersrentenbank 
im Kgr. Sachsen nach G v. 3. 6. 04 (GVBl 209). 
II. Staatsaufsicht. 
1. Aufsichtspflichtig nach VAG sind 
alle einen Rechtsanspruch einräumenden privaten 
VUnternehmungen mit Ausnahme der nicht auf 
Gegenseitigkeit beruhenden Unternehmungen, die 
V gegen Kursverluste, TransportV oder aus- 
schließlich Rückv zum Gegenstand haben. Kraft 
Bundesratsbeschlusses v. 18. 6. 08 (RGBl 409) 
sind jedoch alle Unternehmungen, die in aufsichts- 
pflichtigen V.Zweigen ausschließlich Rück V be- 
treiben, einigen gesetzlichen Vorschriften unter- 
wonsen worden. Von der Befugnis, andere 
VZZweige als Lebens--, Unfall-, Haftpflicht-, 
Feuer= und Hagel V von den Bestimmungen des 
VAG ganz oder teilweise zu befreien, hat der 
Bundesrat bis jetzt keinen Gebrauch gemacht. 
Für kleinere Vereine kann die Aufsichtsbehörde 
Abweichungen gestatten. 
2. Aufsichtsorgan eist entweder die 
Reichsbehörde oder die Landesbehörden. 
a) Reichsbehördee ist das dem Reichsamt 
des Innern untergeordnete Kaiserliche Auf- 
sichtsamt für Privatversicherung 
in Berlin (A. f. P.). Es besteht aus einem 
Präsidenten und der erforderlichen Zahl von 
ständigen und nichtständigen Mitgliedern. Der 
Präsident und die ständigen Mitglieder (24 
hauptamtlich, darunter 4 Direktoren, und 3 
nebenamtlich) werden auf Vorschlag des Bundes- 
rats vom Kaiser, im Hauptamt auf Lebenszeit, 
ernannt, die nichtständigen Mitglieder (4) vom 
BR gewählt. Die übrigen Beamten (zur Zeit 5 
Assessoren, 6 VRevisoren, 70 Burcau= und Kanzlei- 
beamte) werden vom RK ernannt. Zur Erleich- 
terung des Geschäftsverkehrs sind vom RK in 
Württemberg (1 seit 1902) und in Bayern (8 seit 
1913) besondere Kommissare aus der Mitte der 
Landesbeamten bestellt. — Zur Mitwirkung bei 
der Aufsicht ist ein aus 54 Sachverständigen des 
VWesens bestehender ehrenamtlicher Beirat 
gebildet, dessen Mitglieder auf Vorschlag des 
BR vom Kaiser auf 5 Jahre ernannt werden. — 
Außerdem sind vom Kaiser auf Vorschlag des BR 
2 richterliche Beamte und 2 Mitglieder höchster 
Verw Gerichtshöfe zur Teilnahme an den Rekurs- 
entscheidungen berufen.
	        
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