Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
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Verwaltung, Verwaltungsrecht 
  
fassungsrecht zu. Die Ausgestaltung und Praxis 
der Ministerverantwortlichkeit (I verhindert die 
Unselbständigkeit der Exekutive. Die spezifisch 
monarchische Ausprägung unseres Heeres= und 
Beamtenrechtes dient demselben Zweck. 
Auf der andern Seite fehlt es nicht an Normen, 
welche eine Selbständigkeit der Volksvertreter 
gegenüber den Organen der Exekutive sichern 
Fllen! Die Bestimmungen über die Immunität 
der Abgeordneten (I, die Notwendigkeit von 
Neuwahlen bei amtlichen Beförderungen von 
Abgeordneten, das Nichtbedürfen eines Urlaubs 
zur Uebernahme eines Mandates für Beamte, 
die Garantien für die Freiheit der Wahlen bei 
dem Wahlverfahren und das Recht der Kammern 
autonom die Rechtsgültigkeit derselben zu prü- 
fen usw. 
Zu s55 7--10: 
v. Sarwey, Allgem. BerwK 1 /#/ 2, 3, 5—9, 11; 
Ders., Das öfssentl. Recht und die Verw#echtspflege 
6 3—5; G. Meyer"' 12; O. Mayer Bd. I#186, 7; 
Ders., Theorie d. franz. VerwK f 1; Fleiner 1 2; 
Schoen 11; Meyer-Anschütz 1585, 170, 178 ff; 
Arndt 7f ; Anschütz S 27 , 151 ff Bornhak' 
Bd. 1 486 70, 71, 77, 78, 85, 86; Hubrich, Preußisches 
St#: Labands Bd. II / 64, 56, 64; Bd. III 4 84; 
Zorn Bod. I 114; Haenel, Das Gesetz im formellen 
und materiellen Sinne 1#5 5, D9, 11, 12, 16, 17; Anschütz, 
Die gegenwärtigen Theorien über den Begriff der gesetz- 
gebenden Gewalte; Ders., Justiz und Verw in Systemat. 
Rechtswissenschafte (Kultur der Gegenwart); Arndt, Das 
selbständige Verordnungsrecht; v. Martitz, Ueber den 
konstitutionellen Begriff des Gesetzes in 8 Staatsw 36, 241 f; 
Jellinek, Gesetz und Verordnung; Stier-Somlo, 
Das freie Ermessen in Rechtsprechung und Berw (Laband 
Festschrift 2, 443 f); Ders.., Justiz und Berw in O# der 
Politik 1, 305 ff; Bierhaus, Gerichtsbarkeit und Berw- 
Hoheit in Verwrch 11, 222 f Stein, Grenzen und 
Beziehungen zwischen Justiz und Berw; Kormann, Be- 
ziehungen zwischen Justiz und Verw, im Jahrb OeffR 7, 1 f; 
Ders., Arch LessK 30, 253 f; Kelfsen, Hauptprobleme 
der Staatsrechtslehre S 491f, 537 ; Thoma, Rechts- 
staatsidee und Verw N Wissenschaft im Jahrb Oefsf 4, 196 f; 
Ders., Der Polizeibefehl im badischen Recht 1, 98 fj 
Bühler, Die sfubjektiven öffentlichen Rechte 66 f. 
§ 11. Verwaltung, Vollziehung, Regierung. 
I. Unter Regierung verstand man zu- 
nächst die gesamte Staatstätigkeit, den Inbegriff 
der materiellen Hoheitsrechte, den weiten Be- 
griff der Verw (vgl. § 1 1). Später wurden die 
Regierungssachen den Justizsachen gegenüber- 
gestellt (vgl. I§ 4 und 6), so daß unter ihnen alle 
Landeshoheits-, Polizei= und Finanzsachen (bei 
denen es „keine Appellation“ gibt), darunter be- 
griffen wurden. Als dann infolge der Gewalten- 
teilung und der Ausprägung des konstitutionellen 
Gesetzesbegriffes auch die Legislative besonderen 
Normen unterstellt wurde, bedeutete Regierung 
bald dasselbe wie Verw im engeren Sinne (vgl. 
& 1II. #&## 7 ff), oder, es blieb, wenn man hier- 
für die Terminologie Vollziehung, Administration, 
Verw (lüber die Rezervtion dieses Terminus aus 
Frankreich vgl. Gesetz-Revision Pensum XII S99) 
gebrauchte, für die „Regierung" nur noch die 
„Oberleitung des Ganzen“, die „geistige Beeinflus- 
sung desselben“, das „Allgemeine, das darüber 
steht“, übrig. 
In diesem Sinne hat der Begriff der Regie- 
rung auch heute noch Bedeutung und Berechti- 
  
  
gung als ein besonderer Begriff neben dem dber 
Verw behalten. Denn so zweifellos die funktionelle 
Gewaltenteilung auch bei uns durchgeführt ist, 
und eine vierte „Gewalt" neben den drei formellen 
Hoheitsrechten undenkbar ist, so ist doch infolge 
der personalen Gestaltung der Gewaltenteilung 
(vgl. § 10) in der Hand der Krone eine solche 
Machtkonzentration vorhanden, die ihr Recht, 
Pflicht und Fähigkeit zur Oberleitung und geisti- 
gen Beeinflussung des Ganzen gibt. So wird 
denn auch das Wort Regierung gerade personell 
gebraucht (vgl. auch E. Rosenthal, Die Reichs- 
regierung 74 ff) als Gegensatz zur Volksvertretung; 
auch in der Verbindung „die verbündeten Regie- 
rungen“: einem zunächst nicht eigentlich juristischen 
Begriff, als Abbreviatur für das höchst kompli- 
zierte Verhältnis des organisatorischen Nebenein- 
ander= und Miteinanderarbeitens von Kaiser, 
Bundesrat und den durch konstitutionelle Verant- 
wortlichkeits-- und Instruktionsbeziehungen mit dem 
Kaiser bzw. den einzelstaatlichen Fürsten ver- 
bundenen Ministern (Reichskanzler, dessen Stell- 
vertreter und einzelstaatliche Minister). 
II. Von einem durch die Gewaltenteilung nicht 
berührten „vierten Gebiet“ (O. Mayer) 
können wir nur bezüglich der „erfassungs- 
rechtlichen Hilfstätigkeiten“ spre- 
chen. Dieser von O. Mayer geprägte Begriff, 
der die „mancherlei Anordnungen und Geschäfts- 
besorgungen, um die Verfassung in Bewegung 
zu setzen und in Gang zu halten“ umfaßt, ist 
leider bisher nicht genügend beachtet worden, 
zuotbem er ein höchst fruchtbarer Begriff sein 
irfte. 
Er scheidet aus dem Bereiche der Verw aus 
und gehört in die Rechtsordnung der 
Verfassung (vgl. 5 1 1); denn er findet seine 
Stätte in der die Gewaltenteilung selbst erst 
setzenden, die staatlichen Hauptorgane konstituieren- 
den, ihr Tätigwerden und Zusammenwirken nor- 
mierenden obersten Strukturordnung des Staates. 
Unter diesen Begriff fallen aber nicht nur Tätig- 
keiten der „Regierung“ wie das Antreten der 
Regierung, der Regentschaft, das Ausschreiben von 
Wahlen, Berufung, Vertagung und Schließung der 
Parlamente, sondern auch Tätigkeiten der Parla- 
mente: so wenn sie bei der Regentenbestellung 
mitwirken, den Verfassungseid des Monarchen ent- 
gegennehmen, sich selbst eine Geschäftsordnung ge- 
ben, ihren Präsidenten wählen, Wahlprüfungen 
vornehmen, die gerichtliche Verfolgung von Abge- 
ordneten genehmigen, interpellieren, kurze An- 
fragen stellen usw. usw. Auch die Vereidigung des 
Heeres und der Beamten gehören hierher. End- 
lich auch die Geltendmachung der Ministerverant- 
wortlichkeit durch die Volksvertretungen: eine 
Konstruktion, die die Bedeutung der Minister- 
verantwortlichkeit als eines Mittels des Zusam- 
menwirkens von Krone und Parlament, und 
demnach als eine „staatsrechtliche“ Verantwort- 
lichkeit und darum von den Normen der Reichs- 
justizgesetze unberührte klar herausstellt. 1# 
Schon aus diesem Beispiel erhellt, daß auch 
der Begriff der verfassungsrechtlichen Hilfstätig- 
keiten ein formaler ist: denn die Ministerverant- 
wortlichkeit gehörte vor ihrer Differenzierung aus 
dem strafrechtlichen Gewande, in den Bereich der 
Justiz. Auch die Wahlprüfungen z. B. können 
statt als verfassungsrechtliche Hilfstätigkeit aus-
	        
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