Verwaltung, Verwaltungsrecht
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geprägt zu sein, positivrechtlich Gerichten oder
VerwGerichten zugewiesen werden.
Dagegen gehören nicht zu jenem „vierten
Gebiet“, sondern zur Verw, die auswärtige Verw
und die Kriegführung. Denn es kann nicht
zugegeben werden, daß der Staat mit diesen
Tätigkeiten „aus dem Bereiche seiner Rechts-
ordnung heraustritt“ (O. Mayer): es sind hier
nur die gesetzlichen Ermächtigungen an die Verw-
Organe sehr weite und zu Prärogativen (vgl.
* 9 12) ausgestaltete. Weil es sich auch hier
um „Verwaltung“" handelt, ist daher auch der
Min der auswärtigen Angelegenheiten zur Kon-
fliktserhebung I#1 gegenüber den Gerichten be-
rechtigt.
III. „Das Wort Vollziehung hat unter
scholastischen Abstraktionen schwer zu leiden ge-
habt. Man het es jeder gewissenhaften Analyse
uwider mißbraucht, um die reiche und vielge-
baltige Tätigkeit des Staates, die der Gesetz-
gebung gegenübersteht, mit logischer Subsumtion
und starrer Gebundenheit zu identifizieren.“
(Haenel, Gesetz im sorm. und mater. Sinne S 186).
Nicht minder hat die Beurteilung der Justiz unter
solchen Auffassungen schwer zu leiden gehabt. Noch
unter ihren Einwirkungen steht die Terminologie
von Fleiner, der die Besorgung von staatlichen
Aufgaben, „die ihm durch kein spezielles Gesetz
aufgetragen sind“, nicht Vollziehung, sondern
Regierung nennt, — aber freilich an diese Unter-
scheidung keine Folgen knüpft, sondern Regierung
und Vollziehung in seinem Sinne nur als „die
zwei Seiten der dritten staatlichen Funktion,
der Verw im eng. Sinne“ ansieht, und so im
Resultat mit der hier vorgetragenen Ansicht
übereinstimmt.
Verw (i. e. S.) und Vollziehung sind daher
identische Begriffe. Der erstere ist der üblichere
geworden, während Haenel, der an dem weiteren
Verwegriff als dem System der materiellen
Hoheitsrechte festhält, die Terminologie Voll-
ziehung bevorzugt und unter Regierung das
System der formellen Hoheitsrechte versteht.
Sachlich bestehen zwischen seiner und der hier vor-
getragenen Auffassung keine Unterschiede.
Außer der Literatur zu 1 1 v. Sarwey,
Verw zz 6, 33.
Allgem.
IV. Das Verwaltungsrecht und seine Scheidung
vom bürgerlichen Recht
1. Einleitende Betrachtungen
& 2. Die praktische Bedeutung der Scheidung.
Die Frage der Scheidung von Verw und bür-
gerlichem Recht ist in doppelter Hinsicht von
praktischer Bedeutung: in prozeßrechtli-
cher für die Frage des Rechtsweges [A] und in
materiellrechtlicher für die Frage der
Beurteilungsnormen.
1. Nach § 13 GVe# sind die ordentlichen Ge-
richte zuständig für alle bürgerlichen Rechtsstrei-
tigkeiten lim materiellen Sinne), sofern nicht
ausdrücklich andere Behörden mit ihrer Ent-
scheidung betraut sind: und nach § 4 ESz. ZPO
darf der Rechtsweg auch für die bürgerlichen
gesetzlich nicht ausgeschlossen (sondern nur be-
schränkt) werden.
2. Der verwaltende Staat lebt nicht nur nach
Verw, sondern auch nach bürgerlichem Recht.
Danach ist es eine Frage, wann der Staat die
eine oder die andere „Rechtsart“ benutzen muß
oder darf, und wann die Rechtsbeziehungen zwi-
schen ihm und seinen Gliedern, oder auch der
Glieder untereinander, nach den Normen des
bürgerlichen Rechtes (z. B. Nachbarrecht, Ver-
tragsrecht, außerkontraktliches Recht) zu beurteilen
sind.
§5 13. Der Ausgangspunkt im 19. Jahrhundert.
I. Solange man von dem Grundsatz der
sachlich nicht beschränkten Zuständigkeit der Ge-
richte ausging (oben § 2, 6), bestand ein prakti-
sches Bedürfnis für die Scheidung beider „Rechts-
arten“" — zunächst in der ersten prozeßrecht-
lichen Hinsicht — nicht.
Denn es war schließlich gleichgültig, wie man
das von den Gerichten auf den Staat anzuwen-
dende Recht theoretisch klassifizierte: inwieweit
als eigentliches „Verwaltungsrecht" oder als
irgendein Sonderrecht, wie es deren ja viele für
einzelne Klassen der Untertanen oder für be-
stimmte sachliche Verhältnisse (Handelsrecht, See-
recht, Familienrecht, Kirchenrecht, Adelsrecht usw.)
gab. Es ist daher charakteristisch, daß das ALR
seinem System ohne Schaden nicht den Gegensatz
von öffentlichem und bürgerlichem Recht zugrunde
legen konnte, sondern im großen Ganzen den
diesen kreuzenden von Individualrecht und So-
zialrecht. Wenn & 1 Einl. zur Allg. GerO be-
stimmt: „Alle Streitigkeiten über Sachen und
Rechte, welche einen Gegenstand des Privat-
eigentums ausmachen, müssen, wenn kein
gütliches Uebereinkommen stattfindet, durch rich-
terlichen Spruch entschieden werden“ —, so wer-
den hier unter dem Begriff „Privateigentum“" alle
„privaten“ — subjektiven (öffentlichen oder Privat-)
Rechte, das sind „alle angeborenen und erwor-
benen Güter eines Menschen“ verstanden (ovgl.
Oppenhoff, Ressortverhältnisse S 23; Loening,
Gerichte und Verwehörden 155 f). J& 41 der
V v. 26. 12. 08 sagt in demselben, nicht diffe-
renzierenden Sinne, daß es jedem freistehe, „sein
Privatinteresse über Gegenstände der
Post= und Bergwerksadministration bei dem
kompetenten Gerichte geltend zu machen“.
Bei diesem Ausgangspunkt bedarf es jedesmal
einer besonderen Norm, wenn der Rechts-
weg ausgeschlossen werden soll; so auch
wenn cs sich um die sogen. Majestäts= und Landes-
hoheitsrechte handelt: § 36 der V v. 26. 12. 08
ist für die Unzulässigkeit des Rechtsweges in
dieser Hinsicht die noch heute in bezug zu neh-
mende Norm.
II. Der in diesem Grundsatz von der prinzi-
piellen Unbeschränktheit der gerichtlichen Zu-
ständigkeit zum Ausdruck kommende alt-germa-
nische Gedanke der Einheitlichkeit alles Rechts
ist zugleich so kräftig, daß er auch in der zweiten,
materiellrechtlichen Hinsicht kein
praktisches Bedürfnis nach einer Scheidung zweier
scharf getrennter Rechtsarten aufkommen läßt.
Denn auch hier kann man mit dem Begriff
eines neben anderen stehenden Sonderrechts
Rechtsstreitigkeiten des Staates und der anderen für den Staat auskommen, des Inhalts, daß ihm
Korporationen des öffentlichen Rechts landes= in gewissen Beziehungen Rechte von besonderer