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Verwaltung, Verwaltungsrecht
Kraft zustehen, die fähig sind, entgegenstehende
Rechte von Privatpersonen aufzuheben oder zu
beschränken, so daß diese zu weichen haben, wie
sie im letzten Grunde aber auch gesetzlichen
Anforderungen Privater (z. B. auf dem Gebiete
des Nachbarrechtes, des Wasserrechtes, der Ge-
meinheitsteilungen) weichen müssen.
Das A#sn# behandelt so denn auch das allgemeine Polizei-
recht überall zerstreut: so bei der Lehre vom Eigentum
die Bau= und Forstpolizei, die Enteignung bei der Lehre
vom Kauf, die Jagd- und Fischereipolizei bei der Lehre
vom Erwerbe des Eigentums, die Gemeinheitsteilungen
im Interesse der Landeskultur bei der Lehre vom gemein-
schaftlichen Eigentum. Bei vielen Normen (z. B. des Nach-
bar- und Wasserrechtes) ist es zweifelhaft, ob sie nur dem
Einzelnen einen Anspruch geben sollen oder zugleich
auch dem Staate ein Recht zum einseitigen Gin-
griff: die „Legalservitut“ ist von der polizeilichen Pflicht
nicht scharf geschieden (vol. Rosin, Verwürch 3, 280 Note 71).
Oft werden die Rechtssätze nur als allgemeine,
Pflichten auferlegende Normen formuliert, die
es sowohl der Verwaltungsbehörde wie
der interessierten Privatperson ermöglichen
sollen, ihre Einhaltung zu „fordern"“. Die Vv.
26. 12. 08 stattet daher auch in freier Zweckmäßig-
keitserwägung, ohne Rücksicht auf eine Scheidung
von bürgerlichem und Verw, einzelne Forde-
rungen mit dem Privileg der exekutivischen Ge-
walt“ aus.
Sie gestattet z. B. Domänenpächtern IN1 grundherrliche
Dienste im Berw Wege beizutreiben, oder den Reglerungen
„Zwangsmittel“ (denen gegenüber „Possessorienklagen“
unzulässig sind) anzuwenden zur Erfüllung von Verträgen
zwischen dem Fiskus und Privatpersonen, von denen die
Erreichung bestätigter Etats abhängt, oder von solchen
Berträgen über Kriegslieferungen und wichtigen Entre-
prisen, wenn die Erfüllungsweigerung einen unwider-
bringlichen Schaden befürchten läßt, dem der Schuldner
nicht würde gerecht werden können ( 42): Besugnisse,
die sich anlehnen an die zivilprozessuale vorläufige VBoll-
streckbarkeit und die dieser wesensverwandte vorläufige
Exekution polizeilicher Berfügungen (# 30).
Der VerwZwang I/I hat sich aus der gericht-
lichen Vollstreckung entwickelt (Anschütz, Verwärch
1, S 393f, 399). Und anderseits: auch wo der
Staat obrigkeitliche Machtbefugnisse hat, ist er
berechtigt, diese durch die allgemeinen Formen
des bürgerlichen Rechtes (z. B. Eintragung einer
Last in das Grundbuch) zu verstärken (vgl. z. B.
v. Roenne-Simon, Polizeiwesen des preuß. St.
2, 342; 4, 408/9).
Kurz: Die speziellen Formen des den ver-
waltenden Staat privilegierenden Sonderrechts
finden nur da Anwendung, wo sie entweder
ausdrücklich durch Gewährung eines obrigkeit-
lichen vorgeschrieben sind, oder
wo die zu einem solchen daraus folgt,
daß eine Pflicht in einer all-
gemeinen auferlegt ist, die nach
dem gedanklichen Zusammenhange, in dem sie
steht, nicht nur Privatansprüche der an
ihrer Befolgung Interessierten begründen will.
Ueberall, wo solche expliziten und impliziten
Privilegierungen des staatlichen Rechtssubjektes
fehlen gelten nur die allgemeinen Normen
es bürgerlichen Rechts, die aber dem Staate
auch neben den privilegierenden zur Ver-
fügung stehen.
Auch heute noch kann die Frage, ob bürgerliches.
oder Berw# vorliegt, da dahingestellt bleiben, wo aus-
drückliche Gesetzesbestimmungen die Fragen des Rechts-
wegs und der anzuwendenden materiellrechtlichen Norm
entschieden haben. Wenn z. B. die Zuständigkeit der Ge-
richte für vermögensrechtliche Ansprüche ver Beamten, für
die Entschädigungen bei der Enteignung, der Untersagung
der ferneren Benutzung einer gewerblichen Anlage (4 51
GewO), der Zurücknahme einer wasserrechtlichen VBer-
leihung (Preuß. Wasser G #§#84), für die Haftung des Staa-
tes, für Ansprüche auf Freiheit von staatlichen Pflichten
wegen eines specialls titulus usfw. ausbrücklich statuiert ist,
kann es uns völlig gleichgültig sein, ob biese Zuweisung
erfolgt ist auf Grund einer „falschen“ (7) Konstruktion des
Gesetzgebers, oder mit der Absicht eine gerichtliche Zustän-
digkeit nach 9 4 ECcc GUD „trotz“ (7) des verwaltungs-
rechtlichen Charakters des Anspruchs zu begründen, oder
bloß um Zweifel auszuschließen (val. Göz, Berwechts-
pflege in Württemberg 50). (Auch das franzbsische Recht
kennt solche ausdrücklichen Zuweisungen: vgl. Hauriou,
Précis de drolt administratik? 503 f; Berthelemy, Traite
GElémentaire de drolt administratik! 937 f.)
Von praktischer Bedeutung wird die prinzipielle
Scheidungsfrage der beiden „Rechtsarten“ erst
da, wo die Gesetze eine Generalklausel,
wie bürgerliche Rechtsstreitigkeit oder ähnliche,
verwenden und damit den Gegensatz von
Verwaltungsrecht und bürgerli-
chem Recht zu einem gesetnzlichen
Tatbestande machen. Dieser Fall war
noch nicht damit gegeben, daß unsere Gesetzgebung
durch Spezialbestimmungen den Rechtsweg immer
mehr einschränkte, sondern erst, seitdem Theorie
und Praxis das französische Prinzip rezipierten,
nach dem die Gerichte nur für Streitigkeiten
des bürgerlichen und Strafrechtes zuständig sind,
und seit dem Beginn der 20er Jahre in völliger
Verkennung des eigentlichen Sinnes von s 1
Einl. z. Allg. GerO diese Norm für die gesetzliche
Sanktionierung des französischen Prinzipes hielten,
seitdem endlich der § 13 GVe (in Verbindung
mit § 4 EG GV und §#4 ES 8PO) wenigstens
die Vermutung für dies Peinzip aufgestellt hat,
und auch Normen des materiellen Rechtes (z. B.
à 77 EG B#B)p analoge Generalklauseln ver-
wenden.
B Das Prinzip der Scheidung kein apriori-
Alle Versuche, den Gegensatz von öffentlichem
und bürgerlichem Recht als einen apriori-
schen zu fixrieren, müssen an der Tatsache schei-
tern, daß dieser Gegensatz nun ein-
mal kein apriorischer ist, daß er
sogar unserer historischen Ver-
gangenheit und insbesondere no ch
unserer großen Kodifikation des
Landrechts, der Gerichtsordnung
und der Reformgesetzgebung zu
Beginn des 19. Jahrhunderts un-
5#un in
ie Anleihen zu seiner Fixierung beim römische
Recht (öffentliches und P seim roischen
teresse)) konnten nicht helfen, da alle unsere
Rechtsnormen zugleich öffentlichen wie privaten
Interessen dienen (vgl. auch Spiegel, VerwRWiss.
143), sowohl die bürgerlichen wie die publizistischen:
ür uns ist das Recht als solches (die lange In-
differenziertheit des Rechts hat uns dies besonders.
intensiv fühlbar gemacht) Ausgleich und Ver-