Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
Verwaltung, Verwaltungsrecht 
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beschädigter Fischereiberechtigter nicht auf Unter- 
lassung, sondern nur auf Entschädigung klagen; 
die Benutzung des Kanals unterliegt jedoch den 
Normen des bürgerlichen Rechts, und das Reichs- 
gericht hat — unter Annahme eines Kontrahie- 
rungszwanges — entschieden, daß trotz § 278 
Satz 2 die Haftung des Fiskus nicht vertraglich 
ausgeschlossen werden kann; anfänglich mit der 
Begründung, daß es gegen die guten Sitten, 
dann mit der, daß es gegen das in der Zweck- 
bestimmung zum allgemeinen Verkehr liegende 
esetzliche Verbot verstoßen würde. Und endlich 
find die Beschädigungen Dritter durch Mängel 
in der ordnungsmäßigen und betriebssicheren In- 
standhaltung der Straße und ihrer Einrichtungen, 
auch durch Fehler des Zwangslotsen als aus 
fiskalischer Tätigkeit erwachsene beurteilt worden 
(vgl. Kamptz-Delius 1, 320 f; 2, 603 f; Erg Bd. 
1, 464 f; Soergel 1, 36 f; R 74, 250). 
Eine andere Stellung haben die öffent- 
lichen Versicherungsanstalten MI e# 
RV, da hier den Behörden nicht nur, wie bei 
der Kanalbehörde, ein generell erteilter Auftrag 
vorliegt, sondern eine große Anzahl verschiedener 
Gewaltverhältnisse zwischen den Behörden, den 
Versicherungsträgern und den Versicherten be- 
gründet sind. Und wieder anders liegen die Ver- 
hältnisse bei anderen „Anstalten“,z. B. der Postl#I, 
deren Geschäfte, trotzdem sie „öffentliche Ver- 
kehrsanstalt“ ist und trotzdem ihr einzelne bedeu- 
tende Vorrechte herrschaftlicher Natur eingeräumt 
sind, privatrechtlicher Natur sind, so daß selbst die 
Feststellung des Umfanges des Betriebsmonopols 
vor die Zivilgerichte gehört (vgl. Goez, Verw#- 
Pflege 126 f) und für eine Klage über die Berech- 
tigung des Ausschlusses von der Verbindung mit 
dem Telephonnetz der Rechtsweg gegeben ist. 
Eben nur soweit das objektive Recht die Ver- 
hältnisse zwischen dem Staat und den Untertanen 
zu herrschaftlichen Gewaltverhältnissen stempelt, 
besteht VerwRR, während hinter dieser Grenze 
— ganz wie bei den sog. öffentlichen Sachen 
— das Gebiet des bürgerlichen Rechtes beginnt. 
III. Auch der Begriff der öf fentlichen 
Gemeindeanstalt ist kein einheitlicher. 
Schon innerhalb des preußischen Rechts 
ist zu scheiden. Zunächst haben wir die sog. 
polizeilichen Gemeindeanstalten, die die Kom- 
munen bald auf Grund besonderer gesetzlicher 
oder observanzmäßiger Pflichten, bald freiwillig an 
Stelle der ihnen an sich nur obliegenden Polizei- 
kostentragungspflicht der Polizei zur Verfügung 
stellen (vol. Friedrichs, Pol Verw S0 f, 65 f). 
Sodann die „öffentlichen Gemeindeanstalten“ im 
Sinne der #4 St, 5& 11 LGO (6§ 18, 34 Zust G); 
das sind diejenigen, die die Gemeinde dem Ge- 
brauche durch alle ihre Angehörigen „widmet“ 
(OV#20, 23; 45, 101), auf deren Benutzung diese 
ein in ihrer Gemeindeangehörigkeit wurzelndes, 
verwaltungsgerichtlich (auch in bezug auf „Um- 
fang, Inhalt und Art“, sowie die „Modalitäten und 
Bedingungen“ der Benutzung: O### 21, 127; 
38, 63) geschütztes Recht haben. Eine solche An- 
stalt der Gemeinde ist die Voraussetzung für 
einen polizeilich statuierbaren Anschlußzwang 
(OVG 26, 51; 28, 356; 52, 306). Ueber den 
Umfang dieses Begriffs der „böffentlichen Ge- 
meindeanstalten“ hinaus geht wohl noch der des 
s 4 Kommübg, nach dem die Gemeinden 
  
  
euberechtigt“ (nicht verpflichtet: OV#G 31, 67; 
Kamptz, Rsprech. OVG Erg d. 2, 122) sind, 
für Anstalten, die „öffentlichen Zwecken“ dienen, 
„Gebühren“ zu erheben ( 3 Abs 2 spricht von 
„gewerblichen"“ Gemeindeanstalten, die „öffent- 
lichen Zwecken“ dienen). Die Anwendung der 
Gewerbeordnung, die Befreiung von der Ge- 
werbesteuer folgen wieder eigenen und beson- 
deren Voraussetzungen. Vor allem aber ist bei 
allen diesen Gemeindeanstalten, selbst bei den auf 
Grund polizeilichen Anschlußzwanges benutz- 
ten, nicht etwa die Herrschaft des Privatrechts 
ganz ausgeschlossen (vgl. Buccerius, Pr Verw Bl 
29, 453; 32, 528; Kraft, Verwülrch 22, 36 f). 
Schon die allgemeine Stellung der Gemein- 
den [/I im preußischen Recht ergibt die Unrichtig- 
keit der rein publizistischen Konstruktion der 
Gemeindeanstalten. Die Gesetzgebung, die ihnen 
die Selbstverwaltung [IJl gab, nahm ihnen zu- 
gleich Gerichtsbarkeit und Polizeigewalt und 
machte sie im wesentlichen zu wirtschaftlichen 
Selbstverwaltungskörpern (vgl. Gierke, Genossen- 
schaftsrecht 1, 743 f). Erst allmählich ist den 
Gemeinden durch die Spezialgesetzgebung und 
durch ihr Zusammenarbeiten mit der staatlichen 
Polizei [I] wieder eine teils mittelbar die publi- 
zistischen Beziehungen beeinflussende, teils un- 
mittelbar publizistische Tätigkeit zugewachsen (val. 
Wolzendorff, Verwürch 21, 515 f), und sodann 
im Kommunalabgabengesetz ein im einzelnen 
normiertes Recht, Gebühren, Steuern, Beiträge 
g erheben, in dem oben bezeichneten Umfange 
nstaltsgewalt zu üben usw. gegeben worden. Wo 
solche herrschaftlichen Befugnisse fehlen, leben 
unsere Gemeinden nach bürgerlichem Recht (wie 
bis vor wenigen Jahren auch der französische 
Staatsrat angenommen hatte). Ein besonderer 
Anreiz, die zur Verfügung gestellte publizistische 
Rechtsform zu wählen, wie in Frankreich, besteht 
für unsere Gemeinden nicht, da diese ihnen sehr 
viel mehr die Hände bindet als die elastischen 
und den fiskalischen Bedürfnissen angepaßten 
Rechtsformen des Privatrechts, denen sie sich im 
übrigen auch durch die Anwendung der publi- 
zistischen Institute — namentlich bezüglich des 
unter Umständen unbequemen Schadensersatz- 
rechtes — nie ganz entziehen könnten. 
IV. Die bayrische Gemeindeordnung a 19 
Ziff. 4 und VGH# a 8 Ziff. 31 sprechen 
zwar nur von der Benutzung der „Gemeinde- 
anstalten“ schlechthin, meinen damit aber nur 
die „öffentlichen“ (vgl. v. Seydel-Graßmann 
2, 142 Note 4; Reger-Dyroff“ 263 f), fassen 
diesen Begriff aber sehr viel weiter als unsere 
Praxis (vgl. Reger-Dyroff 266). Auch für sie 
besteht ein Recht, Gebühren zu erheben: Gem-O 
à 39 Abs 1, 40 Abs 1. Daneben besteht offenbar 
auch (der Sache nach) der Begriff der polizeilichen 
Gemeindeanstalt (z. B. Feuerwehr: Reger- 
Dyroff 265; Seydel-Graßmann 2, 329). 
In Sachsen sind öffentliche Gemeindean- 
stalten nur diejenigen, die „sich den verfassungs- 
mäßigen Aufgaben“ der Gemeinden widmen, 
die „in Erfüllung der ihnen gegenüber der Allge- 
meinheit obliegenden Aufgaben“ errichtet sind 
oder durch Ortsgesetz „dazu erhoben werden" (vgl. 
Jahrb. OG 12, S 267, 291):; hier fallen also 
öffentliche und polizeiliche Gemeindeanstalten zu- 
sammen; Gebühren können durch „Ortsgesetze“ 
 
	        
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