Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
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Verwaltung, Verwaltungsrecht 
  
„Quelle“ einzelner subjektiver Rechte ist (vgl. 
v. Tuhr, Allgem. Teil des BGB Bd. 1 ö II 
und Hellwig, Anspruch und Klagrecht 4 f). 
Für den Begriff der bürgerlichen Rechtsstreitig- 
keit nun kommt es nicht auf dies „Ursprungsver- 
hältnis“ an, sondern nur auf „die innere Na- 
tur des Rechtes und des Rechtsverhält- 
nisses, welches bestritten wurde und 
über welches, weil es bestritten wurde, zu ent- 
scheiden war“ (OLG# Stuttgart, Goez 87), auf das 
im Klageweg geltendgemachte Rechtsverhältnis 
wischen den Parteien" (Stölzel 27, 
di0 Unterstreichung von ihm). Dieses Recht ist 
dann ein Privatanspruch, wenn nichts geltend 
gemacht wird, was eine Behörde kraft der ihr 
verliehenen Verfügungsgewalt, also auf Grund 
eines besonderen Gewaltverhältnisses fordern 
darf. Daher ist auch einem vermögensrechtlichen 
Kondiktionsanspruch der Rechtsweg verschlossen 
worden, wenn auf „Grund eines der Zuständig- 
keit einer VerwBehörde unterstellten Rechts- 
verhältnisses die Zahlung auf Anordnung der 
Vermw Behörde erfolgt ist“ (Kamptz-Delius 2, 855). 
Besonderer Wert ist in diesem Zusammenhange 
zu legen auf die Entscheidungen über den Er- 
stattungsanspruch eines Dritten, der die Ver- 
pflegung eines Armen bewirkt hat, gegen den 
kraft öffentlichen Rechts unterstützungspflichtigen 
Verband. Nach langem Schwanken haben sich 
gerade die neueren Erkenntnisse auf den Stand- 
punkt gestellt, daß eine bürgerliche Rechtsstreitig- 
keit vorliegt, da nur das „Verhältnis des Armen 
selbst zu dem verpflichteten Armenverbande“ ein 
öffentlich-rechtliches ist, während die Erstattung 
der Armenpflegekosten „nach privatrechtlichen 
Grundsätzen“ beurteilt werden muß (Halbey, 
Vern Arch 4, 138 f; ebenso neuestens für Sachsen 
Soergel 2, 51/2). Es wird immer wieder betont, 
daß es für die innere Natur des Anspruchs nicht 
darauf ankommt, worauf er „beruht“", worin er 
„wurzelt“", welche „Grundlage", welchen „Ur- 
sprung" er hat, welchem „Gebiete“ er angehört, 
welchen „Vorgängen“ er seine Entstehung ver- 
dankt (vgl. z. B. Kamptz-Delius 2, S 851, 853, 
854, 857; Erg Bd. 1, 558; Soergel 2, 57 usw.). 
Infolge dieser Abstellung des Begriffes der 
bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten auf das zwischen 
den Parteien strittige engere Rechtsverhältnis 
kommen so häufig präjudizielle Vorfragen aus 
dem nicht rein privatrechtlichen Ursprungsver- 
hältnis vor den Zivilrichter und wird der Kreis 
der bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten so viel größer 
als im französischen Recht, während die bewußte 
oder unbewußte Abstellung Mayers und Fleiners 
auf das große Ursprungsverhältnis das Gebiet 
des VerwR naturgemäß im französischen Sinne 
erweitern muß. Das Kriterium der potentior 
persona ohne nähere Herausarbeitung der herr- 
schaftlichen Rechtskategorien (s. o. # 14), in der 
es sich positivrechtlich bei uns dokumentiert, legt 
die Versuchung nahe, trotz aller Betonung, daß 
es auf das „konkrete Verhältnis zwischen Bürger 
und öffentlicher Verwaltung“ ankommt, für dies 
Verhältnis gerade doch das Ursprungsverhältnis, 
aus dem der strittige Anspruch erwächst, maß- 
gebend sein zu lassen. 
§+ 28. Gemischte Rechtsverhältnisse. Die Ei- 
genart unseres Rechtes besteht aber gerade darin, 
daß die „Rechtsinstitute“" als solche, die (Ur- 
  
  
sprungs-), Rechtsverhältnisse“ weder ganz dem 
öffentlichen, noch ganz dem privaten Recht ange- 
hören, sondern gemischter Natur sind. Es 
besteht eben bei uns eine „eigentümliche Verknüp- 
fung und Verknotung des Privat= und Verwal- 
tungsrechts“ (Spiegel, VerwR Wissenschaft 148/9; 
vgl. auch Haenel 154f f und Stoelzel 46). Die 
Motive zum BGB sagen: „Das Privatrecht und 
das öffentliche Recht haben zahlreiche, mannig- 
fach geartete Berührungspunkte. Gewisse Ver- 
hältnisse sind gemischter Natur, andere weisen 
verschiedene Seiten auf, vermöge deren das 
Verhältnis teils dem einen, teils dem andern 
Rechtsinstitut angehört. Das Grenzgebiet ist 
nur durch eine genaue Prüfung der einzelnen in 
Betracht kommenden Materien zu ermitteln“ 
(vgl. Goez, Verw# Pflege 15). Wenn O. Mayer 
dagegen sagt: „Unsere Rechtsinstitute sind not- 
wendig einheitlicher Natur, entweder zivilrechtlich 
oder öffentlich-rechtlich, es gibt keine gemischten 
Institute“ (Bd. 1 S 145) — so kann die „Not- 
wendigkeit“ und überhistorische Allgemeingültig- 
keit dieses Satzes (der eigentlich auch auf die „un- 
echten öffentlichen Anstalten“" Frankreichs nicht 
paßt) nicht einleuchten: jedenfalls hat hier 
Mayer deutlich auf die „Ursprungsverhältnisse“ 
abgestellt. 
O. Mayer mußte daher bei der Interpretation 
des § 13 GW in Schwierigkeiten geraten. Trotz- 
dem er an sich die bürgerliche Rechtsstreitigkeit 
durch den „Anspruch aus zivilrechtlichen Ver- 
hältnissen“ definiert (S 213), muß er doch zu- 
geben, daß sie „kein ganz einfacher Begriff“ 
ist: im & 13 bedeute sie „eine Sache, welche gemäß 
den in der ersten Hälfte des Jahrhunderts herr- 
schenden Anschauungen als zivilrechtlich anzu- 
sehen ist", daher sei „der gemeinrechtliche 
Begriff der bürgerlichen Rechtsstrei- 
tigkeit kein anderer als der alte poli- 
zeistaatliche“ (S 215/6). Das entspricht im 
wesentlichen (abgesehen von der Fixierung auf 
die Zeit bis 1850 und der Nichtbetonung der rechts- 
staatlichen Ausgestaltung des alten Begriffes) un- 
seren Ausführungen (§ 22). Es muß nur Wunder 
nehmen, daß dieser historische und positiv-rechtliche 
Begriff von O. Mayer nur für die Zuständig- 
keitsnorm verwendet wird, für die Darstellung 
des materiellen Verwaltungsrechts da- 
gegen wieder ganz ausscheidet, trotzdem es gerade 
der Sinn des § 13 ist, die Zuständigkeit der Gerichte 
nach dem materiellen Begriff der bürgerlichen 
Rechtsstreitigkeit zu bestimmen (s. oben #6#19, Stein, 
Justiz u. Verw S 31). O. Mayer kann daher nur 
sagen: „es muß dabei bewenden, daß der Umfang 
des Zivilrechts anders begrenzt ist für die ma- 
teriellrechtliche Beurteilung und anders für die 
danach zu bemessende bürgerliche Rechtsstreitig- 
keit.“ Und dabei war es gerade die wesentlichste 
Rezeption von Frankreich, daß wir im Prinzip 
die Gerichte auf das materielle Zivil-= und Straf- 
recht beschränkt haben! 
§* 29. Zusammenfassung. Unser Verwaltungs- 
recht ist daher auch heute noch ein Sonder- 
recht — nicht für den verwaltenden 
Staat, nicht einmal für die öffentliche 
Verwaltung, sondern nur — soweit nicht 
Spezialnormen noch andere Verhätlnisse zu ver- 
waltungsrechtlichen stempeln — für die Ver- 
fügungsgewalt der Verwaltungs- 
  
 
	        
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