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Verwaltungsakte (Verträge)
der Widerruf „kraft Verwirkungsrechtes". Das
Kennzeichen dieses Rechtsinstitutes liegt darin,
daß es in den Fällen, wo der durch einen V.
Begünstigte die ihm, zugleich mit diesen erteilten
Begünstigungen auferlegten, Verpflichtungen nicht
erfüllt, die handelnde oder eine an deren Stelle
zur Ausübung des Widerrufs zuständige Behörde
dazu befugt, die erteilte Begünstigung durch
Widerruf des V. wieder zu entziehen. Es hat zum
Teil, namentlich im Beamtenrecht mit dem In-
stitut der Dienstentlassung, eine besondere Ausge-
staltung erfahren. Eine hervorragende Bedeutung
hat es für das Recht des öffentlichen Unterneh-
mens.
III. bie mehrseitigen Verwaltungsahte (51 7)
I. Daß es mehrseitige V. gibt, denen der Cha-
rakter von Verträgen zugesprochen werden
muß, kann nicht bezweifelt werden, wennschon
sie gegenüber den einseitigen V. nur eine sehr
untergeordnete Bedeutung besitzen.
Will man diese Bedeutung richtig würdigen, so
muß man von dem Satz ausgehen, daß zum Wesen
des Vertrages zweierlei gehört, zunächst
das Ineinandergreifen der Willenserklärungen
zweier Beteiligten, sodann aber ferner die Gleich-
wertigkeit der Willen der beiden Beteiligten. Das
bloße äußerliche Ineinandergreifen zweier Willen
für sich allein genügt also nicht, da ja andernfalls
jede auf Antrag erteilte Pol Erlaubnis sich als Ver-
trag darstellen müßte. Vielmehr muß noch jenes
zweite Moment hinzukommen, die Gleichwertig-
keit der beiden Willen dergestalt, daß beim Man-
gel des einen von ihnen eine rechtliche Wirkung
überhaupt nicht zustande kommt. Bei diesem
zweiten Moment aber muß die Frage einsetzen, ob
die moderne staatsrechtliche Auffassung noch ge-
stattet, zwischen der öffentlichen Verwaltung als
dem überragenden Inhaber des imperium und
dem Untertanen eine Gleichwertigkeit der beiden
Willen anzunehmen.
Je nach der Art, wie man diese Frage beant-
wortet, wird man die Frage nach dem Anwen-
dungsgebiet des Vertragsbegriffs
im Verwaltungsrecht verschieden be-
antworten. Verneint man, wie es heute wohl
überwiegend geschieht, jene erste Frage, so wird
man dieses Anwendungsgebiet, von singulären
rudimentären Gebilden etwa abgesehen, auf die
Fälle beschränken müssen, wo einander gleichge-
ordnete Personen gegenüberstehen. V. mit Ver-
tragscharakter sind daher nur möglich zwischen
gleichgeordneten juristischen Personen des öffent-
lichen Rechts, d. h. zwischen Kommunalverbänden
oder öffentlichen Korporationen und Anstalten,
gemäß der zwingenden Natur des öffentlichen
Rechts übrigens grundsätzlich, d. h. abgesehen von
gesetzesfreien Gebieten, nur auf Grund gesetzlicher
Anerkennung, die aber namentlich im Armen-,
Schul= und Megerecht sehr häufig ist. Dagegen
sind die mit Vorliebe so bezeichneten öffentlich-
rechtlichen Verträge zwischen Staat und Untertan
(Dienstvertrag des Beamten und Offiziers,
Naturalisation, Kapitulation) richtiger Ansicht
nach als „Verwaltungsakte auf Unterwerfung" zu
konstruieren, d. h. als solche V., deren Rechtmaßig-
keit (nicht etwa Rechtwirksamkeit!) bedingt ist
durch die Zustimmung des Betroffenen.
Insoweit ein echter Vertrag vorliegt und Son-
dernormen fehlen, dürfte das objektive
Vertragsrecht durch entsprechende An-
wendung der privatrechtlichen Normen über Ver-
träge zu gewinnen sein, da dasjenige Moment,
das anderswo, insbesondere hinsichtlich der Ver-
fügungen, die entsprechende Anwendbarkeit des
Privatrechts in der Hauptsache ausschließt, näm-
lich die Ungleichartigkeit der beteiligten Personen,
bei den Verträgen wegfällt.
II. Neben die Verträge hat die neuere Literatur,
die allerdings in der neuesten Literatur (Heck in
Festschrift für Gierke 1911; Kaufmann, Das Wesen
des Völkerrechts, 1911) lebhaften Widerspruch er-
fahren hat, als zweite Art der mehrseitigen Rechts-
geschäfte die Vereinbarungen gestellt.
Staatsverträge 1 Z. 3.)
Entwickelt worden ist der Begriff durch die Be-
tonung seines Unterschiedes vom Ver-
trag. In dieser Beziehung hat Triepel, der sich
um die Klärung des Begriffs besonderes Verdienst
erworben hat, folgendes ausgeführt: Beim Ver-
trag müssen, wenn beide Kontrahenten durch ihn
zu Leistungen verpflichtet werden, diese in Hand-
lungen verschiedenen Gehalts bestehen; wenn aber
nur eine Partei zur Erfüllung verpflichtet ist, muß
ihre Leistung von der Art sein, „daß sie von dem
Vertragsgegner nach der ganzen Anlage des Ver-
trags nicht gleichfalls vorgenommen werden
könnte". Bei den Vereinbarungen ist das anders;
nicht jede begründet überhaupt Rechte und Pflich-
ten der Vereinbarenden zu künftigem Handeln,
beispielsweise nicht der Beschluß eines Gerichts;
aber wenn sie es tut, so wird entweder einer der
Vereinbarenden berechtigt oder verpflichtet, an
Stelle aller Vereinbarenden (nicht für die an-
deren) zu handeln, anders ausgedrückt eine Hand-
lung vorzunehmen, die an sich auch von einem
oder allen anderen vorgenommen werden könnte;
oder aber wenn mehrere oder alle Teilnehmer der
Vereinbarung zu handeln berechtigt oder ver-
pflichtet werden, so müssen ihre Handlungen
gleichen Inhalts sein.
Die Vereinbarung als eine interne Rechtsbe-
ziehung ist nicht identisch mit dem nach außen
wirkenden Gesamtakt. Wenn der Gesamt-
akt zu einer Vereinbarung in Beziehung steht, so
ist er deren Erfüllung, wie z. B. der Eap der
vereinbarten Verfügung.
Die Frage nach dem objektiven Recht
der Vereinbarungen und Gesamt-
akte ist, soviel auch über diese Rechtsbegriffe
geschrieben worden ist, noch weniger geklärt als
die Frage nach dem objektiven Vertragsrecht.
Literatur: Aus den üblichen Hand- und Lehr-
büchern des Staats- und VerwzRechts vornehmlich die ein-
schlagenden Partien von Otto Mayer, Deutsches
VerwRecht (1895) und Fleiner, Institutionen des
Deutschen Verw Rechts 1913. — Spezialliteratur: Ber-
navik, Rechtsprechung und materielle Rechtskraft (1880);
Frh. v. Stengel „Vertrag“ in der 1. Aufl. d. WB VerwN
II 701—706; Tezner, Handbuch des Sesterreichischen
Administrativverfahrens (1896); Walter Jelline Wk.
Der sehlerhafte Staatsakt und seine Wirkungen (1908);
Kormann, System der rechtsgeschäftlichen Staatsakte
(1910); Kelsen, Zur Lehre vom öffentlichen Rechts-
geschäft, im Arch OefsR 31, S. 225 ff. Kormann.