Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
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Verwaltungsbeiräte 
  
Wahlrechten zu den Eisenbahnbeiräten, nur daß 
in Preußen auch Schiffahrts= und andere Vereine 
und die beteiligten Kommunalverbände, in 
Bayern noch der Landesfischereiverein Wahlbe- 
fugnisse besitzen. Auch sind in Bayern weiter die 
Abteilungen der Zentralstelle für Industrie und 
Handel und für Handwerk und Gewerbe befugt 
zu wählen. Die Amtsdauer beträgt in Preußen 3, 
in Bayern 5 Jahre. In Bayern werden überdies 
bei den Maßnahmen, die einzelne Reg Bezirke 
betreffen, die Handels- und die Handwerkskam- 
mern derselben speziell zugezogen, auf welche 
Weise Bayern den regionalen Interessen die 
Rücksicht verschafft, die in Preußen sich in der 
Organisation der Beiräte bereits ausprägt. 
Erwähnenswert ist hier noch der durch preuß. 
Gv. 12. 8. 05 (GE 335) zur gutachtlichen Mit- 
wirkung bei der Regelung der Hochwasser-, Deich- 
und Vorflutverhältnisse der Oder geschaffene 
Oderstromausschuß, dessen Mitglieder in der Mehr- 
zahl durch die Provinzialausschüsse von Schlesien 
und Brandenburg aus den Interessentenkreisen 
gewählt werden. 
65. Landwirtschafts= und Gewerbeverwaltung. 
A. Landwirtschaftsverwaltung III. 
Als anerkannte Interessenvertretungen der 
Landwirtschaft und beratende sowie gutachtliche 
Organe der Regierungen bestehen in den Bundes- 
staaten die Organe der Landwirtschaftlichen Ver- 
eine. Da der Schwerpunkt dieser Berufsorgani- 
sationen eben nicht in der Beratung der Regie- 
rung bei deren Maßnahmen, sondern in der För- 
derung der Standesinteressen durch Selbsthilfe 
ruht, sind sie, wie weiter unten die gewerblichen 
Standesvertretungen, hier nur kursorisch behan- 
delt. Für das ganze Reich ist aus diesen Ver- 
einen der „Deutsche Landwirtschaftsrat“ erwachsen, 
der die Reichsleitung in Agrarfragen berät. In 
Preußen fungiert als oberster Agrarbeirat 
der Regierung das überwiegend aus Wahlen der 
Landwirtschaftskammern hervorgehende „Landes- 
ökonomiekollegium“, dem in Bayern der aus- 
schließlich aus dem Landwirtschaftlichen Verein 
gebildete „Bayerische Landwirtschaftsrat“ und in 
Sachsen der „Landeskulturrat“ entspricht. In 
Württemberg ist eine über das Normal- 
maß der Agrarbeiräte an Bedeutung hinaus- 
gehende Einrichtung in dem Gesamtkollegium der 
Zentralstelle für die Landwirtschaft (im Min Inn) 
vorhanden. Diesem Gesamtkollegium ist insbe- 
sondere auch die Aufstellung des Etats für Unter- 
stützung landwirtschaftlicher Unternehmungen und 
die Bewilligung größerer Unterstützungen im 
Einzelfall überwiesen. Die ohnedies als Kollegial- 
behörde organisierte württembergische Zentral- 
stelle für die Land wirtschaft verstärkt sich zu dem 
Gesamtkollegium durch (Beiräte genannte) Abge- 
ordnete der 12 Gauverbände des württembergischen 
Landwirtschaftlichen Vereins. Die in Preußen be- 
reits organisierten Landwirtschaftskammern als 
neben dem Landwirtschaftlichen Verein selbständig 
bestehende Agrarbeiräte sind auch in Bayern und 
Württemberg vielfach angestrebt. 
Als spezielle Agrarbeiräte mögen 
Erwähnung finden für das Reich der Beirat für 
Fragen der Land= und Forstwirtschaft bei der Bio- 
logischen Anstalt für Land= und Forstwirtschaft, 
dessen Mitglieder der RK aus Sachkennern auf 
5 Jahre beruft. Für Preußen möge die Zentral- 
  
  
moorkommission, für Württemberg die Landge- 
stütskommission sowie die Pferdezuchtkonferenz 
genannt sein. 
8. Gewerbeverwaltung. 
Hier seien zugleich Handel und Verkehr im 
weitesten Sinn berücksichtigt. ( Handelskam- 
mern, Handwerkskammern.]) 
I. Staatlich anerkannte Vertretungen des Han- 
dels-- und Gewerbestandes fungieren auch hier als 
Beiräte der Staatsorgane. Die stärkere Betonung 
der Mittelstandspolitik führte, im Gefolge der 
Bestimmungen der Reichsgewerbeordnung, meist 
1t selbständigen Handwerkskammern. In Preußen 
ind neben Handelskammern selbständige Hand- 
werkskammern vorhanden, ebenso in Bayern und 
Württemberg. In Sachsen ist es der Sache nach 
ähnlich; außer mehreren speziellen Handelskam- 
mern und Gewerbekammern besteht nur noch eine 
einzige unierte Handels= und Gewerbekammer. 
Als Gesamtorganisationen, die, aus freiem Willen 
der Beteiligten geschaffen, offiziell anerkannt 
wurden, fungieren der Deutsche Handelstag für 
das Reich, der also das Gegenstück des Deutschen 
Landwirtschaftsrates ist, und z. B. für Bayern 
der Bayerische Handelskammertag. Als regionale 
Handelsbeiräte kennt Bayern die Handelsgremien, 
die die äußeren VerwBehörden beraten. 
II. Außerdem besitzen Bayern und Württem- 
berg eine amtliche Zentralorganisation der Ge- 
werbeverwaltung mit Beiratscharakter, Bayern- 
(gl V v. 10. 1. 07, GVl 5) die Zentralstelle 
für Industrie, Gewerbe und Handel, Würt- 
temberg (Verf v. 30. 11. 1900 nebst Aende- 
rungen v. 7. 12. 03) die Zentralstelle für Ge- 
werbe und Handel. 
Die bayerische Zentralstelle enthält in sich drei 
selbständige Abteilungen: für Industrie und Han- 
del, für Handwerk und Gewerbe und für Ar- 
beiterschutz und -wohlfahrt; die Zentralstelle ist 
die organisatorische Zusammenfassung der drei 
Abteilungen. Es besteht auch ein Gesamtkolle- 
gium, in dem aber die drei Abteilungen nur durch 
Ausschüsse vertreten sind; die drei Ausschüsse 
stimmen getrennt ab. Die württembergische Zen- 
tralstelle ist nicht fachlich gegliedert und zerfällt 
nur in ein sog. Verwrollegium von Ressortbeam- 
ten und in das Gesamttkollegium, das aus der 
Verstärkung des Verwrollegiums durch gewählte 
Gewerbevertreter entsteht; nur das Gesamtkolle- 
gium trägt Beiratscharakter. In Bayern sind in 
den Abteilungen der Zentralstelle ebenfalls einige 
Ressortbeamte. Wahlrecht haben in Bayern (val. 
Minntschl. v. 12. 1. 07, M# I d. Innern 43) 
zur Abteilung für Industrie und Handel die 
Handelskammern, zur Abteilung für Handwerk 
und Gewerbe die Handwerkskammern und zur 
Abteilung für Arbeiterschutz und wohlfahrt die 
Gesellenausschüsse der Handwerkskammern, die 
Ausschüsse der Versicherungsanstalten und die 
Handlungsgehilfenorganisationen. In Württem- 
berg ist das Wahlrecht ähnlich geordnet, so daß 
also in beiden Staaten die Arbeitnehmer in den 
Beiräten mitwirken. 
Der Wirkungskreis der Zentralstellen und der 
Abteilungen ist im wesentlichen die Begutachtung 
der Maßnahmen der Staatsregierung zur Förde- 
rung der Gewerbe und des Arbeiterwohles. 
Speziell in der baverischen Zentralstelle obliegt 
der Abteilung für Industrie und Handel die Mit-
	        
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