Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
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Verwaltungsbeiräte — Verwaltungsdienst (Vorbereitung) 
  
biet, in den Laiengerichten, in der Heranziehung 
der Bürger zu der allgemeinen Landesverwaltung 
ihre älteren Erfolge errang. Die Zukunft des 
Beiratswesens scheint vor allem auf dem Gebiet 
der wirtschaftlichen Verw Zweige zu liegen. Hier 
ist das Verlangen der Regierten nach Mitbestim- 
mung der sie in ihren Lebensinteressen berühren- 
den Reg Maßnahmen begreiflicherweise besonders 
intensiv. Aber dieses Verlangen trifft auch zu- 
sammen mit dem Bedürfnis der Regierungen, die 
gerade im Bereich der wirtschaftlichen Verwal- 
tungen unabhängigen, sachkundigen Beirat nicht 
mehr entbehren mögen, zumal die zunehmende 
Differenzierung der Wirtschaftsinteressen, die 
wachsende Organisation der Wirtschaftsgruppen 
und das steigende Maß der Ansprüche an die legis- 
latorischen und administrativen Leistungen des 
Staates auf wirtschaftlichem Gebiete immer 
schwierigere Probleme stellen. Die weitere Ent- 
wicklung muß lehren, ob sich dieses wirtschaftliche 
Beiratswesen schließlich verdichten soll zu einem 
förmlichen Wirtschaftsparlament, d. h. zu einer 
(nicht gesetzgebenden, sondern) begutachtenden 
Körperschaft, die aus Vertretern der Berufs- 
gruppen sich zusammensetzt und alle wichtigen 
wirtschaftlichen Fragen vor ihrer Verbescheidung 
durch Gesetzgebung oder Verwaltung durchzubera- 
ten hat. Zugunsten eines solchen Wirtschaftsparla- 
ments spricht die geringe Eignung der Volks- 
vertretung für Lösung wirtschaftlicher Fragen, 
die Unzulänglichkeit der beruflichen Organisationen 
in politischer Hinsicht sowie die Richtung, die das 
wirtschaftliche Verbandswesen neuerdings ge- 
nommen hat (vgl. J. Grunzel, Sieg des Indu- 
strialismus, 1911, 159, und L. Müffelmann, Die 
wirtschaftlichen Verbände, 1912, 111). 
Literatur: Hacker, Die Beiräte für besondere 
Gebiete der Staatstätigkeit im Deutschen Reiche und in 
seinen bedeutenderen Gliedstaaten, 1003; Der preuß. Landes- 
eisenbahnrat in den ersten 25 Jahren (1883—1908); 
Sachse, Beiräte und Umfragen auf dem Unterrichtsge- 
bict (Preuß. Jahrbücher 148, 1912, S 240—261). 
Friedrich Zahn. 
Verwaltungsdienst 
(Vorbereitung zum höheren ) 
5* 1. Allgemeines. ## 2. Preußen. 1 3. Bayern. 1 4. 
Sachsen und Württemberg. 4 5. Baden und Hessen. 
8 1. Allgemeines. Die Vorbereitung zum höhe- 
ren VerwoDienst ist in den deutschen Staaten sehr 
verschieden geregelt. In einzelnen Staaten haben 
sich die Bewerber um den höheren Verwddenst 
einer besonderen Prüfung und somit auch einer 
ihr vorhergehenden besonderen praktischen Aus- 
bildung zu unterziehen. In anderen Staaten fin- 
den wir Gleichartigkeit der Vorbildung für den 
Richterdienst (|] und den höheren Verw Dienst, 
und zwar entweder nur zum Teil oder soweit 
gehend, daß auch die zweite Prüfung für beide 
Gruppen von Beamten dieselbe ist. Für den höhe- 
ren Verw Ddienst im Deutschen Reiche und 
in Elsaß-Lothringen besteht keine besondere Vor- 
bildung. Auf die Vorbildung für einzelne Verw- 
Zweige, z. B. den höheren Finanzdienst, wird hier 
  
nicht eingegangen, ebensowenig auf die verein- 
zelten Bestimmungen über die Besetzung der 
Landratsstellen in Preußen [J Kreis II 657 1. 
Die Frage, ob rein juristische Ausbildung ge- 
nüge, oder ob auch staatswissenschaftliche Vorbil- 
dung nötig, und wie diese am besten zu erlangen, 
hat nahezu das ganze 19. Jahrhundert bewegt 
(s. Nasse, Lit.). Auch nachdem in Preußen das 
G von 1879 erlassen war, ruhten die Erörterungen 
hierüber nicht, schwollen vielmehr in den 80 er 
Jahren zu einer förmlichen Bewegung an, worüber 
die 1. Aufl. d. W II 844 genauer berichtete. Man 
wollte die Beobachtung gemacht haben, daß die 
jüngeren VerwBeamten den hohen Anforderun- 
gen der Zeit nicht genügten, daß die altpreußischen 
Beamten, jener Typus von Ordnung und Ein- 
fachheit und insbesondere von Unab- 
hängigkeit nach oben hin, immer seltener wurden, 
und wollte durch Vorschriften über die Vorberei- 
tung hier bessern; heute ist nur von Interesse, ob 
die Vorschläge von damals etwas praktisch ge- 
nützt. Es war vor allem ein Vortrag des spä- 
teren Ministers Bosse (s. u.), der für die An- 
sichten Kirchenheims (s. u. dessen Bro- 
schüre) mit Wärme Propaganda machte. Letzterer 
forderte — und es wurde mehr und mehr darüber 
Einigkeit erzielt — Besserung des Rechtsunter- 
richts und Gleichheit der ersten Ausbil- 
dung des Juristen und Verwaltungs- 
beamten. Auch der Jurist muß ja Interesse für 
den Staat haben, in welchem er selbst dereinst als 
wichtiges Organ tätig sein soll; auch er muß ein- 
mal auf jene Höhe geführt werden, von der die 
Verwechtslehrer eine Ueberschau geben über das 
Ganze des Staatslebens (s. Kirchenheim, Einfüh- 
rung ins Verwzecht 30)! Also gleiche Universi- 
tätsvorbildung und erste Prüfung, und zwar diese 
in zwei Abschnitten (Tagen), das private und das 
öffentliche Recht umfassend. Zweitens aber ver- 
langte man, daß gesorgt werden müsse für eine 
tiefere Erfassung sozialer Verhältnisse. Mochte 
der eine ein Seminar unmittelbar nach der ersten 
Prüfung, der andere gründlichere Studien und 
Darlegung derselben vor der zweiten wünschen, 
mochte jener eine besondere Anstalt, nach Art einer 
Akademie (Nasse), dieser Reisen mit Stipendien 
(Bosse,) zur Gewährung des Einblicks in Han- 
del, Industrie usw. empfehlen: alle kamen darin 
überein, daß für einehöhere Ausbildung im 
reiferen Alter gesorgt werden müsse. 
Diese Erörterungen sind nicht ganz nutzlos ge- 
wesen: in neuen bayerischen Verordnungen 
(s. Quellen) ist die Teilung der 2. Prüfung festgesetzt 
und im neuen preuß. Gesetz ist für eine bessere 
Vorbildung der Referendare Sorge getragen, ja es 
haben sich überhaupt staatswissenschaftliche Fort- 
bildungskurse im großen entwickelt (Berlin, Köln, 
Frankfurt a. M., Königsberg, Posen — Süd- 
deutschland), so daß wir einen Fortschritt ver- 
zeichnen können. 1) 
§+#2. In Preußen beruhte das Recht im absolu- 
ten Staate auf den Regl v. 10. 7. 38 und 14. 2. 46. 
Seit der Vfg des Min Inn v. 30. 5. 68 fand eine 
  
  
  
1) Die Ueberführung der volkswirtschaftlichen Fächer 
in eine „rechts- und staatswissenschaftliche“ Fakultät, die 
an den preußischen Universitäten jent planmäßig vorge- 
nommen wird, dürfte dauernde Grundlagen hierfür schaffen. 
(D. 6.)
	        
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