Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
734 
Verwaltungsdienst (Vorbereitung) 
  
als „geprüfte Rechtspraktikanten“ bei einer Di- 
striktsverwaltungsbehörde bis zu einem Jahr un- 
entgeltlich Dienst zu leisten und werden alsdann 
als „Regierungsakzessisten“ zur Fortsetzung des 
Dienstes gegen geringe Besoldung an eine Re- 
gierung, Kammer des Innern, einberufen. 
## 4. Sachsen und Württemberg haben durch 
ihre neue Gesetzgebung sich mehr dem preußischen 
System genähert. 
Sachsen verlangt in seinen neuen Bestim- 
mungen mindestens 2½1½2jährige Beschäftigung 
bei Gerichten und Rechtsanwalt (½ Jahr). Dann 
Zulassung zum Vorbereitungsdienste durch das 
Min Inn, Beschäftigung ½ Jahr bei Amtshaupt- 
mannschaft oder Polizeidirektion Dresden (probe- 
weise), dann ½ Jahr bei Gemeinde, ev. noch bei 
Steuer-, Zoll-, Eisenbahnbehörde oder bei Han- 
delskammer, industriellem oder landwirtschaft- 
lichem Betrieb, zusammen mindestens 1½ Jahr. 
Nun folgt eine besondere Verw Prüfung (Kom- 
mission aus höheren Verwaltungsbeamten und 
Mitgliedern des Oberverwaltungsgerichts):öschrift- 
liche Aufgaben, worunter eine praktisch, binnen 
8 Wochen höchstens zu erledigen und mündliche 
Prüfung über Staats-, Verwecht und Staats- 
wissenschaften, auch die Hauptgrundsätze des 
Privat-, Straf= und Prozeßrechts. 
Württemberg verlangt 3 jähriges 
Rechtsstudium (mindestens 3 Semester an einer 
deutschen Universität), dann Erstehung der ersten 
höheren Justizprüfung (nach §# 2 haben alle Leh- 
rer der rechts= und der staatswissenschaftlichen 
Fakultät das Recht, der Beratung und Beschluß- 
fassung über die auszustellenden Zeugnisse anzu- 
wohnen). Der Vorbereitungsdienst für Juristen 
umfaßt drei Jahre (1 Amtsgericht, 1 Landgericht, 
1 Rechtsanwalt). In der 2. Prüfung vor einer 
5 gliedrigen Kommission in Stuttgart wird ein 
Zivilrechts-, ein Strafrechtsfall und eine Aufgabe 
aus dem Gebiete der freiwilligen Gerichtsbarkeit 
zu mündlichem Vortrag gegeben. Für den 
Verwaltungs dienst wird nur 1 Jahr Be- 
schäftigung in der Justiz gefordert. Das Gesuch 
zum Uebergang in die Verwaltung geht dann 
durch den Justiz Min an das Min Inn und es folgt 
ev. 2 jährige Beschäftigung bei einem Bezirks- 
amte, einer Kollegialbehörde und einer Gemeinde 
(eingehend & 7 d. V). Für höchstens 6 Monate 
kann Beschäftigung bei einem gewerblichen Un- 
ternehmen oder in einem staatswissenschaftlichen 
Seminar erfolgen. Die Staatsprüfung für den 
höheren Verwaltungsdienst findet vor einer be- 
sonderen, aus höheren Beamten des Departe- 
ments des Innern gebildeten Kommission in 
Stuttgart statt; sie ist teils schriftlich (Behandlung 
praktischer Fälle), teils mündlich. Aehnliche Be- 
stimmungen sind für die Vorbildung zum höhe- 
ren Finanzdienst erlassen. 
8 5. In Baden und Hessen besteht kein Unter- 
schied zwischen der Vorbereitung zum Verw= und 
zum Justizdienst: sie ist in beiden Staaten für 
beide Zweige des Dienstes einheitlich durch landes- 
herrliche Verordnung geregelt. 
In Baden wird Studium der Rechte wäh- 
rend 7 Semestern, die Ablegung zweier Prü- 
fungen und zwischen ihnen ein dreijähriger Vor- 
bereitungsdienst gefordert. Es müssen Vorlefun-- 
gen nber 17 Fächer (sämtliche juristischen, gericht- 
liche Medizin oder Verwaltungshygiene, staats- 
  
wissenschaftliche und drei philosophische Vorle- 
sungen), außerdem 4 Uebungen besucht sein. Die 
1. Prüfung ist schriftlich und mündlich und findet 
zweimal im Jahre vor dem Justiz Min statt. Die 
schriftliche Prüfung besteht in Beantwortung von 
43 Fragen, wozu je eine Stunde (Klaufur) ge- 
währt wird. Es werden (7) Noten erteilt, die 
durch Points (hinlänglich 209, vorzüglich 415) 
festgestellt werden. Vom Vorbereitungsdienst 
entfallen 12 Monate auf die innere Verwaltung 
(18 auf Amtsgericht, 8 auf Landgericht, 4 Rechts- 
anwalt). Nach bestandener zweiter Prüfung 
(ebenfalls Klausurarbeiten und mündlich; einmal 
im Jahre, Meldung im Februar) werden die 
Bestandenen zu Assessoren ernannt. Uebungs- 
gemäß werden in die Verwaltung die, die mit den 
besten Noten bestanden, ohne Auswahl über- 
wiesen. 
Für Hessen sind im allgemeinen die glei- 
chen Grundsätze maßgebend gewesen. Die erste 
Prüfung findet vor der jur. Fakultät in Gießen statt. 
Von der dreijährigen Praxis entfällt ½ Jahr auf 
die Vorbereitung bei einem Kreisamte. Die 
zweite Prüfung ist schriftlich (nicht über 8 Tage) 
und mündlich und soll einen wesentlich praktischen 
Charakter tragen. Sie wird jährlich zweimal 
durch eine besondere Kommission in Darmstadt 
abgehalten. 
§ 6. Für die Schutzgebiete # Kolonialbeamte. 
DQuellen: Preußen G v. 10. 8. o6 Vhdla d. 
Abg.H. 1906 S 3534 ff, 4871 ff. Aeltere s. ob. (G v. 1879, 
hrsg. v. Herrfurth). Ausf. Anw Pr Berw 27, 846. Bal. 
Rönne" 1256. — Bayern: Vv. 4. 7. 99 neue Fasig. 
v. 1. 8. 12 (GBl 703 ff). Min Bek v. 25. 10. 10 (MAsl o. 
I. 723), geändert 1. 8. 12 (MBl d. J. 847). Vorschriften 
für zugelassene „geprüfte Rechtspraktikanten“: B v. 13. 
4. 10 (GVWl 169), Min Bek v. 16. 4. 10 (Mel 30s), 
1. 4. 08 (Min (#Bl 169). — Sachsen: B v. 22. 12. 02, 
GBlI 1903 S 51 (Vov. 30. 7. 80), BVv. 17. 2. 12 (GBl 15) 
— Württemberg: 2 V v. 7. 12. 03 (RegBl 583, 
596). — Baden: VB v. 15. 5. 07 (GBl 183), 14. 5. 08 
(115), 26. 8. 00 (947), 17. 11. 99 u. 21, 11, 99 (GBl 647 f#h, 
27. 8. 03, 31. 8. 03 (GBl 163), 22. 10.05 (GBl 407). Bal. 
Bleicher (Schmidt), Jurist. Vorber. 1908. — Hessen: 
Bv. 30. 4. 79, 17. 12. 10. Bek v. 17. 1. 80. Prüfungs O v. 
3. 1. 67. — Elsaß--Lothringen: Regl v. (e. 9. 72 
und) v. 27. 1. 82. Vgl. V v. 10. 1. 88. 
Liüteratur: Die Vorbildung zum höheren Verw- 
Dienste in den deutschen Staaten, Oesterreich und Frank- 
reich (Schriften des Vereins für Sozialpolitik IXAIIV 1887: 
10 Gutachten von Fischer, Lemayer, G. Cohn, 
Merkel, Schanz, Jolly, Schönberg, Bosse, 
Nasse, Leclerc.) Von früheren: Mohl in der 
8 Staatsw 1845. Schäffle ebenda 1868. Jolly ebenda 
1875. E. Nasse, Universitätsstudien u. Staatsprüfungen 
der preuß. VerwBeamten, 1868; G. Meyer, Das 
Studium des öff. R., 1875. v. Stein, Gegenwart und 
Zukunft der Rechts= und Staatswissenschaft, 1875; G. 
Cohn, Nationalökonomische Studien, 1886, S 39 ff (wo- 
selbst weitere Literatur); v. Schwerin, Die Befähigung 
zum höheren B (mit Lit.) 1908; Stier-Somio, 
Ausbild. d. höh. Verwbeamten, 1906. 
Zum Teil wird die Frage über die Borbildung zum 
Verw Dienst auch berührt in der so überreichen Literatur 
über die juristische Ausbildung. Man findet diese ziemlich 
vollständig aufgeführt in Kirchenheims Reformation 
des Rechteunterrichte (Sonderabdruck, Leipzig 1887) S 44 ff
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.