Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
Verwaltungsgerichtsbarkeit (Reich) 
  
dung eines Ministeriums nie von den Verw 
nachgeprüft werden, in den vor sie gelangenden. 
Fällen ist die Sache vielmehr schon früher vom 
gewöhnlichen VerwWeg abgezweigt: Prinzip 
der Trennung der „laufenden“ (d. i. im wesent- 
lichen der freien) Verwaltung von der rechtlich 
gebundenen in den obersten Instanzen — so vor 
allem in Preußen, auch in Bayern und Baden. 
Dabei ist jedoch in Baden und Bayern in solchen 
Sachen nur der VGH zuständig und die Mehr- 
heit der Instanzen kommt auch dort im großen 
und ganzen nur für materielle Parteistreitig- 
keiten in Betracht, in Preußen dagegen ist der 
Unterschied zwischen diesen beiden vollständig 
verwischt, für beide gilt ganz dasselbe Verfahren, 
bei beiden können zwei oder auch drei verwal- 
tungsgerichtliche Instanzen in Betracht kommen. 
III. Für das Verfahren ergeben sich auch 
im übrigen im Zusammenhang mit den verschie- 
denen Grundprinzipien, auf denen die V. in 
den verschiedenen Staaten aufgebaut ist, so 
große Mannigfaltigkeiten, so daß sich nur ganz 
wenige allgemeine Grundsätze über dasselbe auf- 
stellen lassen. 
Parteiprinzip und Verhandlungsmaxime gel- 
ten nirgends so ausgesprochen wie im Ziodil- 
prozeß, aber der Grad ihrer Abschwächung ist 
sehr verschieden; bei Parteistreitigkeiten, da wo 
solche besonders behandelt werden, ist er ge- 
ringer, bei Anfechtung staatlicher Verfügungen 
in diesen Gesetzen stärker (das Verfahren in diesen 
Fällen ist überhaupt zuweilen dem Verwe- 
schwerdeverfahren angeglichen). Preußen hat 
für fast alle Arten von V. ein einheitliches, stark 
parteimäßig ausgestaltetes Verfahren (nur die 
Rechtsprechung in Staatssteuersachen steht be- 
sonders), wenn auch die Konstruktion und Stel- 
lung der Partei in manchen Fällen große Schwie- 
rigkeiten macht. 
Auch über die äußeren Formen des Verfahrens 
läßt sich kaum etwas allgemeines sagen; nicht 
einmal die öffentlich-mündliche Verhandlung ist 
etwas für die V. unbedingt und überall wesent- 
liches; es kann nicht nur im Einverständnis der 
Partei in der obersten Instanz fast überall von 
ihr abgesehen werden (und dies geschieht in der 
Mehrzahl der Fälle), sondern zuweilen können 
die Parteien sie gar nicht verlangen (vgl. preuß. 
EinkStG #5 51), auch ist fast überall die Möglich- 
keit des Erlasses eines Bescheids oder Vorbe- 
scheids ohne mündliche Verhandlung vorgesehen. 
Auch wo eine mündliche Verhandlung stattfindet, 
hat ihre Versäumung im allgemeinen keine nach- 
teiligen Folgen, insbesondere gibt es keine Ver- 
säumnisurteile. Im übrigen ist die Zivilprozeß- 
ordnung vielfach (in Preußen allerdings nicht) 
ausdrücklich als subsidiär anwendbar erklärt oder 
es sind ihre Bestimmungen mit geringen Modifi- 
kationen (meist im Sinn einer Vereinfachung) 
in die Verw Gesetze ausgenommen (pvgl. die fol- 
genden Artikel). 
Literatur: O. Mayer u1:, 1914, 1# 13—17; 
Meyer-Anschütz 655 ff: Reyer- Dochow, Verw- 
Recht", 1914, ##9—16; Fleiner, Institut. ?7 1913, 
1# 15—16; Anschütz, Justiz und Verwaltung, Kultur 
der Gegenwart II 8: 1914, 381—120: Sarwey, Das 
öffentliche Recht und die VRPfl, 1880; O. Mueller, 
Die Begrisse der VN Pfl und des Verw Streitverfahrens 
  
749 
nach preuß. Recht, 1895; v. Lehmayer, Apolog. 
Studien zur B., Grünhuts.8 1895, 395—488; Zorn, 
Zum Problem der B., Verwäürch 2, 1895, 74—144 und 
Festgabe für Krüger, 1911, 513—538; Tezner, die 
deutschen Theorien der VR Pfl, Berwürch 8 und 9; Jahrb- 
Oefs# V, 1911,67f; Thoma, Rechtsstaatsidee und Verw- 
Rechtswissenschaft, ebenda IV, 1910, 196 ff; Schön, 
Verwzecht in v. Holtzendorff-Kohlers Enzykl. ' 4, 1914, 
291 f; W. Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung und 
Zweckmäßigkeitserwägung, 1913; Bühler, Die sub- 
jektiven öffentlichen Rechte und ihr Schutz in der deutschen 
VerwfRechtsprechung, 1914; Gutachten für die DJIage 
v. 1910 und 1911; vgl. 29. DJIT 2, 3 ff (Schultzenstein), 
30. DJI 1, 51 ff (Thoma), 1, 4809 (Anschütz). 
Zu 12 insbesondere: Weizel, Das bad. Gesetz über 
die Organisation der inneren Verwaltung, 1864; Mohl, 
Enzykl. der Staatswissenschaften 1859, 269 f; Bühler, 
Zuständigkeit der Zivilgerichte gegenüber der Verwaltung 
im württ. Recht und ihre Entwicklung seit Anfang des 
19. Jahrh., 1911; Löning, Gerichte und VerwBehör. 
den in Brandenburg-Preußen, 1914. Traub, Der Rechts- 
weg in Bremer Berwaltungssachen 1914. Bühler. 
II. Reichsverwaltungsgerichtsbarkeit 
* 1. Allgemeines. 1 2. Einwirkung auf die Berwal- 
tungsrechtspflege der Einzelstaaten. # 3. Berwaltungs- 
gerichtliche Instanzen des Reiches. # 4. Reformfragen. 
55. Konsulargerichtsbezirke und Schutzgebiete. 
§s 1. Allgemeines. Das Reich hat der V. 
war bestimmende Anregungen gegeben, hat sie 
selon aber auch jetzt nur in lose zusammenhängen- 
den Bruchstücken durchgeführt. Das gilt für das 
Reichsgebiet im Sinne der Reichsverfassung; 
in stärkerem Maße noch für die Außenbezirke der 
Kolonien und der konsularen Gerichtsgebiete. 
Die Anknüpfungen aus der Gründungszeit des 
Norddeutschen Bundes machen dies erklärlich. Der 
theoretische Ruf nach besonderen Verw# war noch 
nicht durchgedrungen; geradezu entgegen stand 
ihm das Mißtrauen aus der Reichsverfassung des 
Jahres 1849 (5 182): „Die Verwaltungsrechts- 
pflege hört auf; über alle Rechtsverletzungen ent- 
scheiden die Gerichte.“ Auf der andern Seite 
widerrieten die politischen Grundlagen bei der 
Schaffung der neuen Einheit einem vorschnellen 
Eingreifen in die verfassungsmäßige Selbständig- 
keit der Einzelstaaten, wie es im Plane der RV 
von 1849 mit dem „Reichsgerichte“ gelegen 
hatte (5 126), dessen Zuständigkeit, abgesehen 
von den Ansprüchen gegen den Fiskus, sowohl 
die Verletzung reichsverfassungsmäßiger Rechte 
deutscher Staatsbürger umfaßte als Verfassungs- 
streitigkeiten innerhalb des Reichsorganismus, 
unter den Einzelstaaten, letztlich auch innerhalb 
der Einzelstaaten (ein Anklang hieran heut beim 
österreichischen Reichsgericht). 
Nur ein spärlicher Teil dieser Befugnisse, im 
wesentlichen verfassungsrechtlichen Belanges, ward 
dem Bundesrate zugewiesen (a 76, 77 RBV) — 
einem Organe, das nach seinem Wesen für die 
unabhängige Entscheidung von Rechtsfragen kaum 
geeignet erscheint. Eine Erstreckung auf die gericht- 
liche Kontrolle der Verwaltung ist im Reichs- 
gebiete mißlungen (Reg Vorlage für das Unter- 
stützungswohnsitzgesetz 1870) und, wo sie erfolgt
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.