Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
Verwaltungsgerichtsbarkeit (Schutzgebiete — Preußen) 
753 
  
waltungsgerichtliche Instanzen zu schaffen sein 
oder auch nur Beschlußbehörden, wobei wenig- 
stens die erste Instanz in der Kolonie selbst liegen 
müßte. Als Zusammensetzung dürfte sich empfeh- 
len ein Kollegium unter dem Vorsitze des Be- 
zirksrichters und unter Zuziehung von Beamten 
und Laien, weiterhin entsprechend unter dem 
Vorsitze des Oberrichters. Bei der intensiven 
Berührung von privatem und öffentlichem Recht 
in der kolonialen Normsetzung erscheint dieser 
Zusammenhang mit den Kolonialgerichten sach- 
fördernd, die Zuziehung von Beamten in das 
Kollegium selbst die Autorität der kolonialen 
Regierung wahrend. Für die Behebung von 
Kompetenzkonflikten wären Vorschriften erfor- 
derlich. Der innige Zusammenhang des kolonialen. 
Rechts mit der Besonderheit kolonialer Wirtschaft 
und Kultur widerrät eine Zuteilung an das 
Reichs Verw, macht vielmehr die Uebertragung 
an das allgemeine Reichskolonialgericht wün- 
schenswert. 
Der Reichstag hat in einer Resolution v. 21.3. 14 
einen geordneten Rechtsgang gegenüber öffent- 
lichen Abgaben gefordert. Vgl. auch die Erklärung 
des Staatssekretärs des Reichs-Kolonialamts v. 
9. 3. 14. Die deutsche Kolonialgesellschaft hat sich 
in der Hauptversammlung zu Danzig (6. 6. 14) für 
einen stärkeren Rechtsschutz in der Verwaltung, 
namentlich bei Steuersachen, ausgesprochen. 
Bgl. Kolonialzeitung 1914, Nr. 24, S. 397; ferner 
Wunderlich, Die Notwendigkeit der Einführung einer 
B. in den deutschen Schutzgebieten, 1913. 
Literatur. Hänel, StK8K S 756, 763; Fleiner, 
Institutionen des Verwr.“, 1913, 235; Friedrichs, 
Verwürch 6, 1898, S 546—552; vor allem die Gutachten 
für den Juristentag von Schultzenstein (29. DJIrT 
1908, 11 3—36), Thoma, Anschütz, Bierhaus, 
Lukas (30. DJr 1910 151—111; 489—512; II 300—330; 
330—342); dazu Fleischmann, DIJg3 1908 Sp. 957; 
Laband, DJ3 1910 Sp. 009; 
VerwB!l 31 (1910) S711, Verw Arch 19, 1911 S538—544— 
Rathenau, Sol dergerichtshöfe für gewerblichen Rechts- 
schuß (Gutachten für den Juristentag 1910 1 320 fl. 
Reischmann. 
III. verwaltungsgerichttdarkelt in den einzelnen 
aaten 
Behäörden (Tabelle) Band I, S 394/95 
A. Preußen 
5 1. Geschichte. 12. Die Behörden. 4 3. Zulässigkeit 
des Verfahrens. 7 4. Zuständigkeit. 1 5. Obrigkeitliche Ge- 
walt. #4 6. Die Parteien. 4 7. Bertreter. ## 8. Das Ver- 
sahren. Grundsätzliches. 1 9. Verfahren erster Instanz. 1 10. 
Rechtsmittel. Wiederaufnahme des Verfahrens. Zwangs- 
vollstreckung. 11. Besondere Arten der Verwaltungs- 
gerichtsbarkeit. 
Kl. Geschichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit. 
I. Geschichte des Verwaltungsstreit- 
verfahrens. In Preußen gibt es eine Verw- 
Gerichtsbarkeit seit dem 1. 7. 71. An diesem Tage 
trat das AG v. 8. 3. 71 zum Bundesgesetz über 
den Unterstützungswohnsitz in Kraft, in welchem 
vor einer besonderen Behörde (Deputation für das 
v. Stengel-Fleischmann, Wörterbuch. 2. Aufl. 
Schultzenstein, 
  
Heimatwesen) ein Parteienstreit über öffentlich- 
rechtliche Angelegenheiten in einem gesetzlich gere- 
gelten und geordneten Verfahren eingeführt wurde. 
Dieses Verfahren hat bis zum 1. 4. 90 noch 
in Posen bestanden, wo es durch Gv. 19. 5. 89 
aufgehoben wurde. Ein letzter Rest (5 49) be- 
steht noch. [J Armenwesen I 204.) 
Inzwischen kam aber auf anderer Grundlage 
ein Lerw treikverfahren für andere, allgemei- 
nere Zwecke auf. Seit der Einführung der Ver- 
fassung und der damit zusammenhängenden Bil- 
ung der politischen Parteien hatte sich nament- 
lich in den letzten Jahren der Regierung Friedrich 
Wilhelms IV. (nach dem Zeugnis Gneists) der 
Mißbrauch herausgebildet, daß die ganze Verwal- 
tung, selbst zuletzt die Bestätigung der Gemeinde- 
beamten, die Genehmigung von Gast= und 
Schankwirtschaften, die Erteilung von Pässen und 
Bauscheinen usw. von der politischen Stellung 
der Beteiligten abhängig gemacht wurde. 
Dieser Mißbrauch wurde zuletzt nirgends tiefer 
empfunden als in der preußischen Zentralregie- 
rung selbst, und war einer der wesentlichsten Be- 
weggründe für die Umgestaltung der inneren 
Verwaltung, die mit dem Gesetzesentwurf vom 
8. 10. 69 begann. Die Reform beruht (nach 
Gneist) auf der eigensten Entschließung Bis- 
marcks, der alsbald nach Beendigung des Kon- 
flikts mit dem Abgeordnetenhaus die Umgestal- 
tung mit allen Kräften in Angriff nahm und die 
Selbstverwaltung und die damit zusammen- 
hängende Verwerichtsbarkeit als das geeignete 
Mittel erkannte, nachdem ein früheres Mittel, 
die Erweiterung des Rechtsweges (N1, sich nicht 
als geeignet erwiesen hatte. Zwei Entwürfe einer 
Kreisordnung (/N)j| scheiterten, der zweite an dem 
Widerstand des Herrenhauses, ein dritter wurde 
erst mit Hilfe eines Pairsschubes durchgebracht. 
Am 1. 1. 74 trat die Verw Gerichtsbarkeit in einer 
Anzahl von Provinzen ins Leben. 
Die Kr O v. 13. 12. 72 kannte zunächst nur 2 
Instanzen, den Kreisausschuß und das VG, dem 
zugleich die Befugnis der Deputation für das 
Heimatwesen übertragen wurde. Das Verfahren 
und die Zuständigkeit beider Instanzen wurde in 
der KrO §§ 135, 140—166, 187—198 geregelt. 
Es folgte das VGG v. 3. 7. 75, das zunächst die 
dritte und Oberinstanz in der Form des OVG 
schuf, die Verfassung und das Verfahren der 3 
Instanzen und unter Aufhebung der Bestimmun- 
gen der Kreisordnung neu regelte. Von dort aus 
wurden diese Bestimmungen möglichst unver- 
ändert in das zur Zeit noch geltende LV v. 
30. 7. 83 übernommen, das schrittweise auf die 
einzelnen westlichen Provinzen übertragen und 
in Posen eingeführt wurde. Die Vorschriften 
über die Zuständigkeit erlitten noch verschiedene 
Umgestaltungen und wurden zuletzt im Zust G 
v. 1. 8. 83 zusammengefaßt, sind aber seitdem 
durch eine große Reihe von Sondergesetzen und 
Verordnungen im ständigen Fluß geändert 
worden, im Zusammenhang mit der Aenderung 
und Entwicklung des materiellen Rechts, aber im 
übrigen ziemlich grundsatzlos, da die Vorschriften 
des Zuständigkeitsgesetzes bald in die neuen ma- 
teriellen Gesetze übernommen und dadurch ersetzt 
und aufgehoben, bald aber ausdrücklich in bezug 
genommen und dadurch aufrecht erhalten wurden 
(so werden selbst in dem sorgfältig gearbeiteten 
III. 48
	        
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