Verwaltungsgerichtsbarkeit (Preußen)
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weise entzogen und auf den Oberpräsidenten von
Brandenburg und Berlin und auf andere Behör-
den verteilt (LV G # 45. G v. 13. 6. 00 und
verschiedene Ergänzungs--und Erweiterungsgesetze);
b) der Bergausschuß (Berg# # 192 a II, 5 194
in der Fassung der G v. 14. 7. 05, 18. 6. 07,
28. 7. 09, Gesch O v. 8. 12. 05, Min Bl Hand.
333) für Klagen gegen gewisse Entscheidungen
des Oberbergamts, Revisionsinstanz ist das
Oberverwaltungsgericht;
e) Die Beschlußbehörde für Groß-Berlin (Zw.
Verbandsgesetz für Groß-Berlin v. 19. 6. 11,
GS 123) 8 39. Diese entscheidet nach § 28 im
Disziplinarstrafverfahren, nach § 33 V in Ver-
bindung mit ProvO 5 98, 4 im Verwtreitver-
fahren (streitig, aber mir nicht zweifelhaft), im
übrigen anscheinend im Beschlußverfahren. Die
wichtigsten Bestimmungen, namentlich über die
obrigkeitliche Gewalt, sind recht unklar und un-
vollständig. [X Zweckverband.!)
d) nach der Novelle auch die Kammern für Abgaben-
sachen, welche wie die Bezirksausschüsse an die Regierung
angegliedert aber eine untere Instanz derselben für städtische
Abgabensachen und ähnliche Angelegenheiten bilden sollen.
Berufungsgericht ist der Bezirksausschuß, Revisionsgericht
das Oberverwaltungsgericht.
3. In der Provinzialinstanz der Oderstrom-
Ausschuß (G v. 12. 8. 05 & 3, 11 II), für
das Beschlußverfahren in gewissen Angelegen-
heiten.
4. In der höchsten Instanz des Verw-
Streitverfahrens das Bundesamt für das Hei-
matwesen in Berlin. Dieses ist ein VH für
Heimatstreitigkeiten, der für Streitigkeiten zwi-
schen verschiedenen Bundesstaaten kraft Reichs-
recht zuständig ist, UnterstützungswohnsitzE v.
7. 6. 08 (RGG# Bl 380) JIF 37 II, 41—51, für Strei-
tigkeiten zwischen preußischen Armenverbänden
aber auf Grund des AG v. 8. 3. 71 957 in Ver-
bindung mit § 52 des Reichsgesetzes.
5s 3. Zulässigkeit des Verfahrens. Die all-
gemeine Zuständigkeit der V0, die
Zulässigkeit des Verw treit= und Beschluß-
verfahrens beruht in Preußen nicht auf allge-
meinen Regeln, sondern nur auf besonderen
Bestimmungen, die grundsätzlich der analogen
Ausdehnung entzogen sind, aber der logischen
Auslegung wie jede andere Rechtsnorm unter-
liegen. Die Zulässigkeit des Verfahrens hat mit.-
der Unterscheidung zwischen öffentlichem und
privatem Recht, wenn überhaupt, nur einen
losen Zusammenhang. Es gibt öffentlich-rechtliche
Streitigkeiten vor den Zivilrichtern, und ebenso
privatrechtliche vor den Verwichtern (z. B.
Wildschaden). In gewissen, aber sehr seltenen
Fällen ist dem VG ausdrücklich die Entscheidung
über öffentlich-rechtliche Verpflichtungen über-
wiesen, wo aber diese Beschränkung nicht be-
steht, hat das V#G alle Rechtsbehelfe des Klägers
und des Beklagten zu prüfen, ohne Unterschied,
ob sie dem öffentlichen oder dem Privatrecht
angehören; die mehrfach wiederholte Vorschrift,
daß die Entscheidungen unbeschadet aller privat-
rechtlichen Verhältnisse ergehen (LBG #§& 7 1,
127 V, ZustG # 160 I1), hat nur eine ganz ge-
ringfügige Bedeutung.
Denn im allgemeinen und grundsätzlich ist der
Rechtsweg wegen der Ansprüche, die im Verw-
Streitverfahren geltend gemacht werden können,
ausgeschlossen (LVG 5P 13, ZustG §## 160). Wenn
hinter einem Verw Streitverfahren eine Klage
im ordentlichen Rechtsweg [/I folgen kann, so
kann sie niemals denselben Anspruch betreffen,
sondern einen anderen, wenn auch wirtschaftlich
mit ihm zusammenhängenden.
Wenn z. B. das Verwc entschieden hat, daß der Eigen-
tümer und nicht der Pächter nach öffentlichem Recht einen
Weg zu bauen, einen Graben zu räumen oder eine Schule
zu unterhalten hat, so kann hinterher im Rechtswege geprüft
werden, ob der Pächter etwa vertragsmäßig unternommen
hat, dem Verpächter diese Last von der Hand zu halten.
Wenn das Verwc# eine Gemeindesteuerveranlagung als
zu Recht bestehend aufrecht erhalten hat, so kann im Rechts-
wege darüber entschieden werden, ob die Gemeinde sich
vertragsmäßig verpflichtet hat, den Untemehmer von Folgen
des Besteuerungsrechts freizuhalten.
Ferner läßt das Reichsgericht die actio
judicati und ähnliche Klagen vor den
ordentlichen Gerichten zu, indem es ausführt,
daß zwischen der Feststellung und der Befriedi-
gung eines Anspruchs noch ein Ereignis ein-
treten kann, welches eine Entscheidung erforder-
lich macht: Verzug des Schuldners, Zahlung
an einen Unberechtigten oder an einen falschen
Vertreter, Berücksichtigung einer unzulässigen
oder Nichtberücksichtigung einer zulässigen Pfän-
dung. Wenn die V zur Entscheidung dieser
Streitigkeiten nicht mehr zuständig sind, und
ihre Aufgabe mit der Rechtskraft ihres Urteils
erschöpft ist, muß der ordentliche Rechtsweg ein-
geschlagen werden, so weit seine Zulässigkeit aus
s 13 GBV oder einem besonderen Gesetze ge-
folgert werden kann, Ro# 3# 19, 69—73; Fried-
richs, LVG 8 7 Anm. 15.
Die Zulässigkeit des Verwtreitverfahrens
hängt auch nicht davon ab, ob der Streit sich um
Rechts= oder Ermessensfragen dreht. Die nament-
lich von süddeutschen Juristen aufgestellte Lehre,
wonach Ermessensfragen in der Beschwerde-
instanz, Rechtsfragen im Verwstreitverfahren
zu entscheiden seien, ist bis zu einem gewissen
Grade bei der Anfechtung polizeilicher Verfü-
gungen [V] (LV G SF 127—129) zum Ausdruck
gebracht, aber gerade dieses wird als „preußische
Original-Erfindung“, als „eine der unglücklichsten
Schöpfungen der modernen Gesetzgebung“" be-
zeichnet (Friedrichs, LVG N+ 128 Anm. 1) und
soll durch die Novelle zum LV zum Ver-
schwinden gebracht werden. Dagegen hat das
O# vielfach den Grundsatz aufgestellt, daß die
VGBehörden die Prüfung der Rechts= und Er-
messensfragen in demselben Umfange haben,
wie die nach der früheren Gesetzgebung zuständi-
gen Behörden, an deren Stelle sie getreten sind.
Danach ist dann in der Regel zu beurteilen, ob
das „kann“ von dem V0 auszuüben sei, oder
ob das Ermessen von der Behörde anzuwenden
sei, die im Verfahren als Partei auftritt (Be-
fugnis, eine gewerbliche Erlaubnis zu entziehen,
oder Jemand von der Steuer aus besonderen
Gründen freizustellen.)
Zuweilen kann derselbe Tatbestand von der-
selben Behörde wahlweise auf mehrfache Art zur
Entscheidung gebracht werden; so hat der Ge-
meindevorstand gegenüber einer Wahl zum Ge-
meindeverordneten die Wahl zwischen der Klage
nach ZustE § 11, 28 und der Anfechtung nach
Zust G 3 15, 20 (OG 54, 46).
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