Verwaltungsgerichtsbarkeit (Preußen)
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rechtfertigen, daß die 8P# , obwohl sie keine
Quelle für das Verwtreitverfahren bildet,
doch dem Verwichter als Anhalt für die sach-
gemäße Entscheidung der Fragen dienen kann,
deren Beantwortung das Gesetz seinem Ermessen
überlassen hat, sofern ihre Vorschriften nicht mit
den Grundsätzen des Verwötreitverfahrens im
Widerspruch stehen.
E. Loening, 821; O. Mayer, 1, 173 Anm. 23;
Friedrichs im Verwrch 6, 374; LVG 61 Anm. 3.
Aehnlich v. Bismearck, VBerwötr. Verf. 79, 80; Auff.
in Pr VerwBl 10, 597; O### 1, 406; 5, 469; 24, 150;
weiter, und z. T. zu weit gehen in der Zulassung der Ana-
logie oder gar der direkten Anwendung Bo#. 16, 175;
32, 138; in Pr VerwBl 5, 184 r; 22, 380 1 und auch O###
24, S 150, 278; in Pr Verw#l 8, 1421; 14, 439.
Schultzenstein (Verwüärch 7, 268) weist auf die
Aehnlichkeit zwischen dem Verfahren in freiwilli-
ger Gerichtsbarkeit und dem Verwtreitverfah-
ren hin. Die Aehnlichkeit besteht zwar, aber sie
ist noch größer zwischen der freiwilligen Gerichts-
barkeit und dem Beschlußverfahren, die sich etwa
zueinander verhalten wie der Zivilprozeß zum
Verwaltungsstreitverfahren.
Wo aber das LVG einen Stoff erschöpfend
regelt, ist für die Ergänzung durch die 8 PO kein
Raum, sondern nur für die Auslegung, soweit
beide mit einander übereinstimmen. Und wo
das LV0 sich die Aufstellung besonderer Regeln
versagt, um dem Ermessen des Gerichts einen
Spielraum zu lassen, darf dieser Spielraum nicht
durch Heranziehung anderer Gesetze eingeengt
werden. Wo das LV einen Grundsatz nur
andeutet, kann der weitere Ausbau mit Hilfe
der 8 PO geschehen. Wo aber eine grundsätzliche
Verschiedenheit besteht, ist jede Ergänzung aus-
geschlossen.
II. Die allgemeinste Maxime des Verfahrens,
die nicht im Gesetz, auch nicht in der Novelle,
ausgesprochen ist, aber die ganze VerwGbk be-
herrscht, ist vom OV# in die Worte gefaßt, daß
keine Partei auf einer Grund-
lage verurteilt werden darf, zu
deren Anfechtung sie keine Ge-
legenheit gehabt hat.
Aus diesem Grundsatz folgt namentlich, daß
die Parteien von allen vom Gegner oder vom
Gericht in den Prozeß eingeführten Tatsachen
unterrichtet werden, daß sie zu allen Terminen
rechtzeitig geladen, auch zu allen Beweisauf-
nahmen hinzugezogen und mit ihrer Kritik des
Beweisergebnisses gehört werden, und daß ihnen
Einsicht der Akten und gegebenenfalls Abschrift
nicht verweigert werden darf.
III. Im übrigen ist den Parteien die Ver-
fügung über den Gang des Ver-
jo hrens nur in geringem Umfange zugestan-
en. Sie können selbst durch Vereinbarung das
Gericht nicht zu Handlungen oder Unterlassungen
bindend verpflichten, namentlich nicht durch
Vereinbarung über Aufhebung von Terminen oder
Ruhen des Verfahrens, Verlängerung oder Ab-
kürzung von Fristen. Die Aufnahme eines unter-
brochenen Verfahrens (die auch im Verwtreit-
verfahren vorkommen kann, wenn auch das Gesetz
darüber schweigt), geschieht nicht durch Hand-
lungen der Partei, sondern durch eine Bitte an
das VerwG# usw. Auch gibt es keine Genehmi-
gung von Verletzungen der Verfahrensgesetze
* ausdrücklichen oder stillschweigenden Ver-
1
Ebensowenig können die Parteien eine Tat-
sache bindend zugestehen, auf Beweismittel, Be-
eidigung von Zeugen oder Sachverständigen
verzichten, auch ist das Gericht formell befugt,
von Amts wegen neue Tatsachen und Beweis-
mittel heranzuziehen, und, selbstverständlich nach
gehöriger Anhörung der Parteien, zu berück-
sichtigen, und natürlich ist das Gericht auch nicht
an die rechtliche Auffassung der Parteien ge-
bunden. Soweit hiernach den Parteien eine
Verfügung übrig gelassen ist, seht sie nicht nur
den materiellen Parteien zu, die ein subjektives
Recht verfolgen, sondern auch den nur formellen
Parteien (Behörden kraft Amtspflicht und Kom-
aässar für das öffentliche Interesse) in gleicher
eise.
IV. Die Verfügung über den
Streitgegenstand selbst steht immer nur
den materiellen Parteien, nicht den formellen
zu, nicht den Beigeladenen, sondern nur den
eigentlichen Parteien. Ob eine solche Verfügung
zulässig ist, ist nicht den Vorschriften über das
Verfahren zu entnehmen, sondern dem mate-
riellen Recht. Man wird im allgemeinen an-
nehmen können, daß die Verfügungsmacht bei
vermögensrechtlichen Streitigkeiten besteht, bei
anderen im Zweifel nicht. Dieses gilt namentlich
für Anerkenntnis, Verzicht und Vergleich. Die
Zulässigkeit des Vergleichs im allgemeinen ist
unbedenklich anzunehmen. Im einzelnen Falle
hängt die Wirksamkeit davon ab, ob beide Par-
teien darüber verfügen können. Dabei ist zu
bemerken, daß durch Verzicht, Anerkenntnis oder
Vergleich das Verfahren noch nicht beendet wird,
vielmehr ist noch ein Urteil nötig, in dessen Grün-
den geprüft wird, ob eine Verfügung getroffen
ist, und ob die Parteien dazu befugt waren, und
in dessen Tenor dann entsprechend dieser Ver-
fügung erkannt wird. Dieses Urteil ist nur dann
zu entbehren, wenn durch die prozessualen Er-
klärungen (Zurücknahme eines Einspruchs, der
Klage, der Einschätzung, der polizeilichen Ver-
fügung) ein Recht unmittelbar verwirklicht wird.
In der Praxis ergeht aber ein solches Urteil
nur selten.
V. Die Anträge des Klägers sind insofern
bindend für das Verw, als dieses ihm nicht
mehr zuerkennen kann, als er beantragt hat.
Auch kann der Kläger nicht verurteilt werden,
ohne daß der Beklagte in zulässiger Weise Wi-
derklage erhoben hat. Dasselbe gilt in den
höheren Instanzen. Der Rechtsmittelkläger kann
nicht ungünstiger gestellt werden, als er durch
das angefochtene Urteil gestellt war, wenn nicht
der Gegner ein Anschluß-Rechtsmittel eingelegt
hat, was freilich auch nach Ablauf der Frist zu-
gelassen wird.
VI. Die Fristen haben im Verwötreit-
verfahren eine andere Bedeutung als im Zivil-
prozeß. In den meisten der Fälle, namentlich
dann, wenn der Klage eine Behördenentschei-
dung vorangegangen ist, besteht schon eine Frist
für die Erhebung der Klage; wo eine solche nicht
gegeben ist, besteht die Verjährungsfrist (XI nach
einer Reihe von Gesetzen des öffentlichen Rechts,
namentlich dem G v. 18. 6. 40 über die Ver-
jährungsfrist bei öffentlichen Abgaben, dessen.