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Verwaltungsgerichtsbarkeit (Preußen)
Bestimmungen in den neuen Abgabegesetzen
teils in Bezug genommen, teils durch eigene
Vorschriften krfer werden, und nach AG z. BGB-
à 8, 9. Innerhalb des Verfahrens gibt es Fristen
für die Einreichung von Schriftsätzen, die vom
Gericht bestimmt werden und verlängert werden
können (LVe# # 65), und die Fristen zur Ein-
legung und Rechtfertigung des Rechtsmittels
(LVG# J 85, 95). Die gesetzten Fristen betragen
regelmäßig 2 Wochen.
Die Novelle zum LG will noch eine Reihe von Fristen,
die länger oder kürzer sind, auf diese Normaldauer zurück-
führen.
Sie sind regelmäßig Ausschlußfristen, mit Zu-
lassung der Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand (LVG F 112). Sie beginnen in der Regel
mit der Zustellung (LVG 3 52) oder nach der
Rechtsprechung des O# mit einer die Zu-
stellung ersetzenden Kenntnis.
Diese Theorie des O # soll in der Novelle näher abge-
grenzt und auf die Fälle beschränkt werden, in denen keine
Hustellung gesetzlich vorgeschrieben isl.
Die Wahrung der Frist erfolgt durch Anbringen
bei der zuständigen Behörde (nicht durch Zustellung
an den Gegner). Eine einheitliche Ansicht darüber,
wann eine Eingabe als angebracht gilt, hat sich
noch nicht entwickelt, namentlich ist die Frage,
ob etwa die Empfangstheorie des B#B auf diese
Eingaben anzuwenden sei, noch nicht geprüft.
Die einzige privatrechtliche Theorie, die in der
Rechtsprechung berücksichtigt ist, ist die des Be-
sitzerwerbs. Streitig und vielfach widerspruchs-
voll entschieden ist namentlich, welche Beamten
und Stellen innerhalb der zuständigen Behörde
zur Entgegennahme befugt sind: Richter, Bureau,
Gerichtsdiener, Kastellan, Briefkasten, oder das
Postamt, bei dem die Behörde ihre Eingänge
abzuholen pflegt. Vielfach werden den Par-
teien mehrere Behörden zur Einreichung der
Beschwerden zur Auswahl gestellt, und dieses
Wahlrecht soll in der Novelle noch erweitert
werden.
Die Prüfung der Rechtzeitigkeit geschieht
stets von Amts wegen, vielfach durch die an-
gegriffene Behörde oder deren Vorsitzenden, in
einem vereinfachten Verfahren.
VII. Die Zustellungen geschehen in
allen Fällen von Amts wegen.
VIII. Verbindung und Trennung
von Sachen, Aussetzung und Unter-
brechung des Verfahrens sind im Gesetz
nicht geregelt, werden in der Praxis im engsten
Anschluß an die Zivilprozeßordnung gehand-
habt, nur daß die entscheidenden Rechtshand-
lungen nicht von den Parteien, sondern von der
Behörde ausgehen.
n §s 9. Der Gang des Verfahrens in erster In-
anz.
1. Das Verw Streitverfahren beginnt mit der
Erhebung der Klage, für die im allge-
meinen dieselben Formen gelten wie im Ziovil-
prozeß, nur daß die Ladung des Gegners weg-
fällt (LVe# § 63). Wenn dem Verfahren ein
Beschlußverfahren vor einer Bebörde vorangeht,
so genügt in vielen Fällen ein „Antrag auf münd-
liche Verhandlung“", in dem alles das wegge-
lassen werden kann, was sich aus den Vorver-
handlungen bei der Behörde ergibt (&* 69).
Die Novelle zum Landesverwaltungsgesetz will ben „An-
trag auf mündliche Verhandlung" als besondere Form weg-
fallen lassen, dagegen die Klage noch mehr vereinfachen.
Namentlich der Sachantrag als sormelles Erfordernis der
Klage soll wegsallen und dafür der Borsitzende des Gerichts
verpflichtet sein, bei Eingang der Klage und sodann in jeder
Lage des Verfahrens dahin zu wirken, daß nicht nur der
Sachverhalt vollständig aufgeklärt, sondern auch die sachdien-
lichen Anträge von den Parteien gestellt werden.
Die Bezeichnung des Gegners kann schon unter
der geltenden Gesetzgebung nach der herrschen-
den Praxis in weitgehendem Maße richtiggestellt
werden. Die Novelle will auch dieses gesetzlich
regeln, eher im Sinne einer Einschränkung als
einer Erweiterung. *t
II. Die Klage kann sofort nach Einreichung
durch einen Bescheid erledigt wer-
den. Durch den Bescheid kann die Klage abge-
wiesen werden, wenn der erhobene Anspruch
sich als rechtlich unzulässig oder als unbegründet
herausstellt, und ebenso kann dem Beklagten die
Klaglosstellung des Klägers durch Bescheid auf-
gegeben werden, wenn der erhobene Anspruch
als rechtlich begründet erscheint (LVG § 64).
Dieser Bescheid, der beim Kreisausschuß und
Bezirksausschuß ohne Mitwirkung der gewählten
Richter erlassen werden kann, heißt in der Praxis
„Vorbescheid“, im Gegensatz zu dem „Bescheid“,
ber nach Vernehmlassung des Beklagten von
dem ganzen Kollegium erlassen werden kann
(LVG # 69).
Die Novelle will diese beiden Arten des Bescheides ver-
binden und, von jeder weiteren gesetzlichen Boraussetzung
unabhängig, dem freien Ermessen des Gerichts überlassen,
aber nur solange noch keine mündliche Verhandlung statt-
gesunden hat.
Gegen den Bescheid ist ein doppelter Rechts-
behelf zulässig, nämlich nach Wahl des Betroffe-
nen das Rechtsmittel, das gegen ein Urteil glei-
chen Inhalts zulässig sein würde, und der Antrag
auf mündliche Verhandlung (in der Praxis
„Einspruch“ genannt). Für beide Rechtsbehelfe
ist dieselbe Frist von 2 Wochen vorgesehen. Der
Bescheid muß eine ausdrückliche Rechtsmittel-
belehrung enthalten, was im allgemeinen für die
Urteile nicht vorgesehen ist. Die Unterlassung
der belehrung macht nicht den Bescheid, sondern
nur die Zustellung unwirksam, so daß zwar keine
Frist zu laufen beginnt, aber das Rechtsmittel
doch wirksam eingelegt werden kann. Durch den
Einspruch soll der Bescheid aufgehoben werden,
p wenn er sir erlssen worden wäre, eine Auf-
assung, die sich aber in der Praxis nie
führen läßt. Prari cht durch-
III. Wenn kein Bescheid erlassen wird, so wird
die Klage dem Beklagten zur Erklä-
rung mit einer bestimmten Frist zuge-
fertigt. Die Einholung von weiteren Schrift-
sätzen ist nicht gesetzlich vorgesehen, doch ist die
freiwillige Einreichung weiterer Schriftsätze aus-
drücklich gestattet (LVG § 68 1II). Die Eventual-
maxime gilt nicht, das Vorbringen kann ergänzt
und berichtigt werden (LVG 8' 71), eine Klage-
änderung ist aber nur gestattet, insofern dadurch
nach dem Ermessen des Gerichts weder die Ver-
teidigung der Gegenpartei geschmälert, noch das
Verfahren erheblich verzögert wird. In der Be-
rufung ist sie unzulässig (LVG# §F 92), was die
Novelle ändern will. Das neue Vorbringen kann