Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
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Verwaltungsgerichtsbarkeit (Preußen) 
  
Bestimmungen in den neuen Abgabegesetzen 
teils in Bezug genommen, teils durch eigene 
Vorschriften krfer werden, und nach AG z. BGB- 
à 8, 9. Innerhalb des Verfahrens gibt es Fristen 
für die Einreichung von Schriftsätzen, die vom 
Gericht bestimmt werden und verlängert werden 
können (LVe# # 65), und die Fristen zur Ein- 
legung und Rechtfertigung des Rechtsmittels 
(LVG# J 85, 95). Die gesetzten Fristen betragen 
regelmäßig 2 Wochen. 
Die Novelle zum LG will noch eine Reihe von Fristen, 
die länger oder kürzer sind, auf diese Normaldauer zurück- 
führen. 
Sie sind regelmäßig Ausschlußfristen, mit Zu- 
lassung der Wiedereinsetzung in den vorigen 
Stand (LVG F 112). Sie beginnen in der Regel 
mit der Zustellung (LVG 3 52) oder nach der 
Rechtsprechung des O# mit einer die Zu- 
stellung ersetzenden Kenntnis. 
Diese Theorie des O # soll in der Novelle näher abge- 
grenzt und auf die Fälle beschränkt werden, in denen keine 
Hustellung gesetzlich vorgeschrieben isl. 
Die Wahrung der Frist erfolgt durch Anbringen 
bei der zuständigen Behörde (nicht durch Zustellung 
an den Gegner). Eine einheitliche Ansicht darüber, 
wann eine Eingabe als angebracht gilt, hat sich 
noch nicht entwickelt, namentlich ist die Frage, 
ob etwa die Empfangstheorie des B#B auf diese 
Eingaben anzuwenden sei, noch nicht geprüft. 
Die einzige privatrechtliche Theorie, die in der 
Rechtsprechung berücksichtigt ist, ist die des Be- 
sitzerwerbs. Streitig und vielfach widerspruchs- 
voll entschieden ist namentlich, welche Beamten 
und Stellen innerhalb der zuständigen Behörde 
zur Entgegennahme befugt sind: Richter, Bureau, 
Gerichtsdiener, Kastellan, Briefkasten, oder das 
Postamt, bei dem die Behörde ihre Eingänge 
abzuholen pflegt. Vielfach werden den Par- 
teien mehrere Behörden zur Einreichung der 
Beschwerden zur Auswahl gestellt, und dieses 
Wahlrecht soll in der Novelle noch erweitert 
werden. 
Die Prüfung der Rechtzeitigkeit geschieht 
stets von Amts wegen, vielfach durch die an- 
gegriffene Behörde oder deren Vorsitzenden, in 
einem vereinfachten Verfahren. 
VII. Die Zustellungen geschehen in 
allen Fällen von Amts wegen. 
VIII. Verbindung und Trennung 
von Sachen, Aussetzung und Unter- 
brechung des Verfahrens sind im Gesetz 
nicht geregelt, werden in der Praxis im engsten 
Anschluß an die Zivilprozeßordnung gehand- 
habt, nur daß die entscheidenden Rechtshand- 
lungen nicht von den Parteien, sondern von der 
Behörde ausgehen. 
n §s 9. Der Gang des Verfahrens in erster In- 
anz. 
1. Das Verw Streitverfahren beginnt mit der 
Erhebung der Klage, für die im allge- 
meinen dieselben Formen gelten wie im Ziovil- 
prozeß, nur daß die Ladung des Gegners weg- 
fällt (LVe# § 63). Wenn dem Verfahren ein 
Beschlußverfahren vor einer Bebörde vorangeht, 
so genügt in vielen Fällen ein „Antrag auf münd- 
liche Verhandlung“", in dem alles das wegge- 
lassen werden kann, was sich aus den Vorver- 
handlungen bei der Behörde ergibt (&* 69). 
  
Die Novelle zum Landesverwaltungsgesetz will ben „An- 
trag auf mündliche Verhandlung" als besondere Form weg- 
fallen lassen, dagegen die Klage noch mehr vereinfachen. 
Namentlich der Sachantrag als sormelles Erfordernis der 
Klage soll wegsallen und dafür der Borsitzende des Gerichts 
verpflichtet sein, bei Eingang der Klage und sodann in jeder 
Lage des Verfahrens dahin zu wirken, daß nicht nur der 
Sachverhalt vollständig aufgeklärt, sondern auch die sachdien- 
lichen Anträge von den Parteien gestellt werden. 
Die Bezeichnung des Gegners kann schon unter 
der geltenden Gesetzgebung nach der herrschen- 
den Praxis in weitgehendem Maße richtiggestellt 
werden. Die Novelle will auch dieses gesetzlich 
regeln, eher im Sinne einer Einschränkung als 
einer Erweiterung. *t 
II. Die Klage kann sofort nach Einreichung 
durch einen Bescheid erledigt wer- 
den. Durch den Bescheid kann die Klage abge- 
wiesen werden, wenn der erhobene Anspruch 
sich als rechtlich unzulässig oder als unbegründet 
herausstellt, und ebenso kann dem Beklagten die 
Klaglosstellung des Klägers durch Bescheid auf- 
gegeben werden, wenn der erhobene Anspruch 
als rechtlich begründet erscheint (LVG § 64). 
Dieser Bescheid, der beim Kreisausschuß und 
Bezirksausschuß ohne Mitwirkung der gewählten 
Richter erlassen werden kann, heißt in der Praxis 
„Vorbescheid“, im Gegensatz zu dem „Bescheid“, 
ber nach Vernehmlassung des Beklagten von 
dem ganzen Kollegium erlassen werden kann 
(LVG # 69). 
Die Novelle will diese beiden Arten des Bescheides ver- 
binden und, von jeder weiteren gesetzlichen Boraussetzung 
unabhängig, dem freien Ermessen des Gerichts überlassen, 
aber nur solange noch keine mündliche Verhandlung statt- 
gesunden hat. 
Gegen den Bescheid ist ein doppelter Rechts- 
behelf zulässig, nämlich nach Wahl des Betroffe- 
nen das Rechtsmittel, das gegen ein Urteil glei- 
chen Inhalts zulässig sein würde, und der Antrag 
auf mündliche Verhandlung (in der Praxis 
„Einspruch“ genannt). Für beide Rechtsbehelfe 
ist dieselbe Frist von 2 Wochen vorgesehen. Der 
Bescheid muß eine ausdrückliche Rechtsmittel- 
belehrung enthalten, was im allgemeinen für die 
Urteile nicht vorgesehen ist. Die Unterlassung 
der belehrung macht nicht den Bescheid, sondern 
nur die Zustellung unwirksam, so daß zwar keine 
Frist zu laufen beginnt, aber das Rechtsmittel 
doch wirksam eingelegt werden kann. Durch den 
Einspruch soll der Bescheid aufgehoben werden, 
p wenn er sir erlssen worden wäre, eine Auf- 
assung, die sich aber in der Praxis nie 
führen läßt. Prari cht durch- 
III. Wenn kein Bescheid erlassen wird, so wird 
die Klage dem Beklagten zur Erklä- 
rung mit einer bestimmten Frist zuge- 
fertigt. Die Einholung von weiteren Schrift- 
sätzen ist nicht gesetzlich vorgesehen, doch ist die 
freiwillige Einreichung weiterer Schriftsätze aus- 
drücklich gestattet (LVG § 68 1II). Die Eventual- 
maxime gilt nicht, das Vorbringen kann ergänzt 
und berichtigt werden (LVG 8' 71), eine Klage- 
änderung ist aber nur gestattet, insofern dadurch 
nach dem Ermessen des Gerichts weder die Ver- 
teidigung der Gegenpartei geschmälert, noch das 
Verfahren erheblich verzögert wird. In der Be- 
rufung ist sie unzulässig (LVG# §F 92), was die 
Novelle ändern will. Das neue Vorbringen kann
	        
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