Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
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Verwaltungsgerichtsbarkeit (Preußen) 
  
3. Das Urteil soll in der Regel vollstän- 
dig, endgültig und zur Hauptsache sein. Vorab- 
Entscheidungen über den Grund des Anspruches 
sind unzulässig, ebenso Teilurteile. Zwischen- 
urteile sind dem geltenden Rechte bekannt, näm- 
lich über die Zuständigkeit des Gerichts (LV# 
5 113 IV), über die Beteiligung des öffentlichen 
Interesses, wenn der Vorsitzende des Gerichts 
erster Instanz die Berufung eingelegt hat (LVG# 
91) und in Waldschutzsachen (G v. 6. 7. 75 
5 10). 
Die beiden ersterwähnten Zwischenurteile sollen durch 
die Novelle ausgehoben werden. Das Zwischenurteil aus 
dem Waldschutzgesetz bleibt aber unberührt. 
Das Urteil beruht auf freier aus dem ganzen 
Inbegriff der Verhandlungen und Beweise ge- 
schöpften Ueberzeugung des Gerichts. Es fällt 
unter die Sondervorschrift des BGB 839. 
Der zugrunde zu legende Zeitpunkt ist regelmäßig 
der der Urteilsfällung (Friedrichs, LVG + 79 
Anm. 16). 
Der Inhalt des Urteils ist ebenso vielgestaltig 
wie das Verw Recht selbst. Es gibt deklarative 
und konstitutorische Urteile, Leistungs= und Fest- 
stellungsurteile, die letzteren aber nur dann, 
wenn der Anspruch sich in der Feststellung er- 
schöpft. Dagegen gibt es keine alsbaldige Fest- 
stellung, die an Stelle einer noch nicht geltend 
zu machenden Leistung verlangt werden könnte. 
Wenn das Urteil über die Rechtmäßigkeit einer 
Behördenentscheidung erkennen soll, so hat es 
in der Regel in der Sache selbst zu erkennen und 
nicht etwa die Vorentscheidung aufzuheben und 
an die Behörde zurückzuverweisen. Nur wenn 
eine polizeiliche Verfügung [Nl angegriffen wird, 
beschränkt das Verw# sich darauf, die Verfügung 
aufzuheben. Das Gericht kann die Verfügung 
nicht abändern und nicht eine neue an die Stelle 
der alten setzen, auch nicht eine Erlaubnis ertei- 
len, vielmehr geht die Angelegenheit an die Po- 
lizeibehörde zurück, welche abermals über die 
Angelegenheit zu befinden hat. Die beantragte 
Erlaubnis kann wiederholt verweigert werden, 
namentlich wenn die Erlaubnis das erste Mal aus 
Rechtsgründen, das zweite Mal auf Grund 
einer technischen Prüfung des Antrages versagt 
wird (Friedrichs, LWG §# 61 Anm. 17; vgl. 
Rosin S 111 dieses Bandes). In Abgabesachen 
kann nur die Veranlagung aufgehoben und auf 
Verlangen auch auf Rückzahlung der beigetrie- 
benen Gelder erkannt werden, dagegen nicht, 
ob die Behörde die Forderung etwa aus einem 
anderen Grunde hätte geltend machen können. 
Das Gericht kann nicht über den im Einspruch 
gestellten Antrag hinausgehen, auch ergeht eine 
Entscheidung immer nur über die einzelne Jah- 
resleistung, nic über das Stenerrecht selbst 
(Friedrichs, LVG F§ 61 Anm. 15). In Wahl- 
streitigkeiten kann nur über die Gültigkeit der 
verkündeten Wahl entschieden, aber nicht der 
Kandidat der Minderheit als gewählt bezeichnet 
werden. Die bisher übliche Beiladung des Ge- 
wählten soll nach der Novelle durch Mitklage 
gegen ihn ersetzt werden (Friedrichs, LVG ## 61 
Anm. 16). 
Das Urteil wird regelmäßig (bei Anwendbar- 
keit der § 20, 21 Gew O immer) verkündet, 
ausgefertigt und von Amts wegen zugestellt. 
Die äußere Gestalt unterscheidet sich nicht von 
  
r 
der des Zivilprozesses, auch eine Rechtsmittel- 
belehrung wird nur ausnahmsweise (bei Be- 
scheiden), aber nicht regelmäßig vorgeschrieben 
(Friedrichs, LVG § 81 Anm. 6). Der Tatbestand 
hat keine besondere beweisende Kraft. Daher 
Lit es keine Berichtigung des Tatbestandes. 
ie Berichtigung von anderen Irrtümern ist im- 
mer zugelassen worden und wird in der Novelle 
gesetzlich geregelt. 
Ein übergangener Teilanspruch gilt nicht als 
aberkannt. Nach der herrschenden, aber nicht 
einmütigen Rechtsprechung ist das Urteil durch 
Nachtragsurteil zu ergänzen. Eine neue Ver- 
handlung ist nicht nötig, wenn über den Streit- 
punkt schon verhandelt ist (Friedrichs, WLG 5 79 
Anm. 8; Verwürch 6, 507). 
Nach der Begründung zur Novelle soll die Unvollständig- 
keit des Urteils regelmäßig durch das Rechtsmittel gerügt 
werden und die Parteien einen Antrag auf Ergänzung 
nur dann stellen dürfen, wenn sie kein Rechtsmittel haben. 
Dagegen soll eine Ergänzung von Amts wegen jederzeit 
stattfinden können. 
z 10. Rechtsmittel und Wiederaufnahme des 
Verfahrens. Zwangsvbollstreckung. 
I. Das Rechtsmittel--System be- 
ruht auf dem Grundsatz der 3 Instanzen und 
der Einheit der Zentralinstanz, aber beide Grund- 
sätze sind nur teilweise verwirklicht. Ueberall 
dort, wo der Bezirksausschuß die erste Instanz 
ist, gibt es nach dem bestehenden Recht nur noch 
eine zweite Instanz, die bald die Berufung, bald 
die Revision ist. 
Die Novelle will das für die slädtischen Abgaben- und 
verwandte Sachen ändern, indem sie unter den Bezirks- 
ausschuß eine Kammer für Abgabesachen stellt, dafür aber 
die Revision an das O#c- an den Streitwert knüpft. 
In anderen Fällen, in denen der Kreisaus- 
schuß in erster Instanz zuständig ist, ist der 
Bezirksausschuß für die letzte Instanz erklärt 
worden, so daß neben der dritten Instanz auch 
die Einheit der Oberinstanz fehlt. Das gilt na- 
mentlich für die wichtigen Entscheidungen über 
Schankkonzessionen, in denen sich allmählich 
eine Praxis herausgebildet hat, die mit dem 
Sinn und dem Wortlaut der Gewerbeordnung 
nicht zu vereinigen ist. 
Die Rechtsmittel sind Berufung und 
Revision. Die Berufung gleicht durchaus 
der des Zivilprozesses, die Revision in der Haupt- 
sache auch. Sie kann nur darauf gestützt werden, 
daß die angefochtene Entscheidung auf der Nicht- 
anwendung oder unrichtigen Anwendung des 
bestehenden Rechts, insbesondere auch der von 
den Behörden innerhalb ihrer Zuständigkeit er- 
lassenen Verordnungen beruht, oder daß das 
Verfahren an wesentlichen Mängeln leidet, und 
selbstverständlich auch darauf, daß eine von der 
Behörde unter Ueberschreitung der Zuständigkeit 
erlassene Verordnung unrichtigerweise angewandt 
sei. Das Revisionsgericht hat aber in allen Fällen 
in der Sache selbst zu entscheiden, wenn diese 
spruchreif erscheint und nicht nur in den in ZP 
565 III vorgesehenen Fällen. 
Das Rechtsmittel kann nicht nur von den 
Parteien, sondern auch von dem Vor- 
sitzenden des erkennenden Gerichts im öffent- 
lichen Interesse eingelegt werden (LVG s## 82, 
83, 93). Diese Vorschrift wird künftig wegfallen, 
ebenso wie das Rechtsmittel durch den Beige-
	        
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