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Verwaltungsgerichtsbarkeit (Baden)
keiten übertragen, bei denen der Staat oder
Staatsanstalten den Einzelnen gegenüberstehen,
wie über die Schuldigkeit zu Staatsabgaben, über
den Ersatz der durch staatspolizeiliche Maßnahmen
verursachten Kosten.
Das Verfahren vor den VerwG wurde auf
Grund gesetzlicher Ermächtigung zunächst durch
Reg Verordnung geregelt. —
11. Nachdem sich die Einrichtung der VR Pfl im
ganzen bewährt hatte, ist sie unter Verwertung der
in Preußen und anderen deutschen Staaten inzwi-
schen stattgehabten Regelung durch spätere Gesetze
fester gegründet und breiter ausgestaltet worden.
Insbesondere wurde mit G v. 24. 2. 80 (GVBl 29)
den Mitgliedern des V5, welche bis dahin die
Eigenschaft von versetzbaren VerwBeamten ge-
habt hatten, die gleiche Unabhängigkeit und Un-
versetzbarkeit wie den Mitgliedern des OLG zu-
erkannt. Ferner wurde durch Gv. 14. 6. 84
(GVBl 195, Vollz. Vv. 5. 8. 84 S 369), die VRPfl
betr., die Zuständigkeit der VerwG wesentlich
erweitert und das verwaltungsgerichtliche Ver-
fahren ausführlich geregelt. Zahlreiche Zuständig-
leiten der VerwG sind dann in der Folge — teils
durch Novellen zum G v. 1884, teils durch be-
sondere (Reichs= und Landes-)Gesetze — noch
weiter eröffnet worden; da die neuen Zuständig-
keitsbestimmungen nur zum Teil auch sormell in
das G v. 1884 eingefügt wurden, ist der Rechts-
zustand in bezug auf die verwaltungsgerichtliche
Wirkungssphäre nunmehr ein recht wenig über-
sichtlicher. Durch die Reichsversicherungsordnung
ist der Verwaltungsgerichtshof von den ihm bis-
her überwiesenen Streitigkeiten über Krankenver-
sicherung entlastet worden. IJ Versicherungsbe-
hörden.)
#5#2. Organisation und Zuständigkeit der Ver-
waltungögerichte im allgemeinen.
1. Das Gericht. Mit der Ausübung der
Verw Gbk ist in zweiter Instanz und für eine An-
zahl besonders bezeichneter Sachen in einziger
Instanz der VGH, mit fünf gelehrten Richtern
besetzt, betraut. Im übrigen ist zur verwaltungs-
gerichtlichen Entscheidung erster Instanz das Be-
zirksratskollegium N Bezirk] zuständig. Hin-
sichtlich der Ausschließung und Ablehnung der Ge-
richtspersonen gelten im wesentlichen die Bestim-
mungen der Zivilprozeßordnung.
2. Die Parteien. Die Tätigkeit des
Verw# ist dadurch bedingt, daß eine Person oder
eine Behörde, deren rechtliches Interesse an der
Entscheidung einer Sache beteiligt ist, im Streit-
falle eine Klage beim Verw erhebt; auch Fest-
stellungsklagen sind zulässig. Während vor dem
Bezirkorate die Partei die Sache in eigener Per-
son führen darf, besteht vor dem V.# An-
walts zwang. Bei den zur ausschließlichen
Zuständigkeit des VG#H gehörigen Klagen gegen
Behörden wird die Behörde durch einen Mini-
sterialbevollmächtigten (Vertreter des öffentlichen
Interesses) vertreten.
3. Oertliche Zuständigkeit.
ständig ist a) das VerwG der belegenen Sache,
wenn Ansprüche in bezug auf ein Grundstück gel-
tend gemacht werden; b) das Verwe des Ver-
bandssitzes, bei Streitigkeiten von öffentlich-recht-
lichen Verbänden mit ihren Angehörigen oder der
Verbandsangehörigen untereinander; c) in allen
übrigen Fällen das Verws, in dessen Bezirk der
Zu-
Beklagte wohnt bezw. die beklagte Behörde ihren
Sitz hat; d) ev. wird das zuständige Gesetz durch
den V# bestimmt. Die Bestimmungen über
die örtliche Zuständigkeit haben absolute Geltung,
so daß davon abweichende Vereinbarungen der
Parteien ohne rechtliche Wirkung sind.
4. Sachliche Zuständigkeit. Die
Verw Ghaben nur über solche Sachen zu entscheiden,
welche sich nach ihrem Tatbestande als Strei-
tigkeiten des öffentlichen Rechts dar-
stellen. Die einzelnen ihrer Zuständigkeit über-
wiesenen Sachen sind durch Gesetz genau bezeich-
net. Durch Verordnung kann nicht mehr, wie nach
dem Gesetz von 1863, die Zuständigkeit der
Verw## ausgedehnt, sondern nur noch, wo durch
Reichsgesetz das Verwtreitverfahren für
anwendbar erklärt wird, im Anschluß an das G v.
1884 geregelt werden. Die Entscheidung der
Verw G ergeht unbeschadet aller privatrechtlichen
Verhältnisse.
Die VerwG haben nicht etwa bloß darüber zu
befinden, ob die bestehenden Rechtsnormen auf
einen anderweitig, insbesondere durch die Be-
hörden der inneren und Finanzverwaltung, fest-
gestellten Tatbestand richtig angewendet worden
sind, sondern sie haben einerseits das tatsächliche
Verhältnis. nötigenfalls durch Beweisaufnahme
und Erhebung von Gutachten, zu ermitteln, an-
derseits unter Anwendung der dafür maßgeben-
den Rechtsnormen, mögen sie im Gewohnheits-
rechte, in Gesetz, Verordnung oder statutarischer
Vorschrift ihre Quelle haben, ein Urteil über den
Streitpunkt zu geben. Dabei ist es nicht ausge-
schlossen, daß das VerwE zum Zwecke der Ent-
scheidung, soweit es nach der Natur des Streit-
punkts und den dafür maßgebenden Rechtsnor-
men geboten ist, auch ein freieres Ermessen der
tatsächlichen Verhältnisse oder eine Abschätzung
eintreten läßt; z. B. wenn das Verw über die
ungewisse Grenze zweier Gemeindemarkungen
ein Urteil gibt oder über die nach dem Verhält-
nisse des Nutzens und der Leistungsfähigkeit zu
bemessenden Gemeindebeiträge für den Neubau-
aufwand einer Landstraße entscheidet.
Soweit aber nicht nach der Natur der im vollen
Umfange dem Verw überwiesenen Streitsache
auch die Lösung der Ermessens- und Abschät-
zungsfragen auf den verwaltungsgerichtlichen We
geleitet ist, hat das Verw G bei seinem Urteile sch
darauf zu beschränken, die Rechtsnormen auf den
von ihm festgestellten Tatbestand anzuwenden.
Inebesondere ist durch § 4 Gv. 1884 für diejenigen
Fälle, wo der VGH in einziger Instanz über
Klagen gegen polizeiliche Verfügungen (JI, gegen
Eingriffe in die kommunale Selbstverwaltung u.
dgl. zu entscheiden hat, ausdrücklich bestimmt,
daß die Klage insoweit nicht stattfinde, als die
Behörden innerhalb der Grenzen ihrer Zustän-
digkeit nach Ermessen zu verfügen berechtigt sind.
Die Klage kann in solchen Fällen nur darauf ge-
gründet werden, daß die Behörde zu der ange-
sochtenen Verfügung nicht berechtigt war, weil
diese entweder auf einer Verletzung des Gesetzes
beruhte oder weil die tatsächlichen Verhältnisse jede
Berechtigung zu der angefochtenen Verfügung aus-
schlossen.
l 3. Zuständigkeit des Bezirk#rat insbeson-
dere. Der Bezirksrat ist nur zur Entscheidung der
iihm ausdrücklich durch Gesetz überwiesenen öffent-