Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
Verwaltungsgerichtsbarkeit (Hessen) 
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Oeffentlichkeit (a 25, 26), Mündlichkeit (a 51 
ff), rechtliches Gehör (a 45, 51 Abs II), Unter- 
suchungsmaxime (a 55, 83), freie richterliche 
Beweiswürdigung (a 60). Eine Entscheidung 
ohne vorhergehende mündliche Verhandlung ist 
namentlich statthaft: a) wenn sich der erhobene 
Anspruch sofort als rechtlich unbegründet oder 
rechtlich unzulässig herausstellt (Entscheidung durch 
„Bescheid“ vorbehaltlich Anfechtung durch Be- 
rufung oder Antrag auf mündliche Verhandlung; 
a 44); b) wenn die Beteiligten ausdrücklich darauf 
antragen (a 46 Abs I);c) wenn von einem Be- 
teiligten die Einrede der Unzuständigkeit der Ver- 
waltungsgerichte vorgebracht worden ist (a 46 
Abs II). Vgl. auch a 83 Abs II Ziff. 1; a 99 Abs II. 
2. Als Beteiligte erscheinen einerseits die 
„Parteien"“, das sind die Personen oder Be- 
hörden, welche eine Angelegenheit vor die Verw 
gebracht haben oder gegen welche ein Anspruch 
vor den Verw# geltend gemacht wird, sowie 
sonstige, an dem Verw treitverfahren interessierte, 
auf Grund besonderer gesetzlicher Vorschriften als 
beteiligt anzuerkennende Personen; andererseits 
die „Beigeladenen“, das sind „Dritte, 
deren Interesse durch die zu erlassende Entschei- 
dung berührt wird“, und die daher vom Gericht 
auf Antrag oder von Amts wegen zur mündlichen 
Verhandlung beigeladen werden (a 47, 50). — 
3. Eine besondere Rolle spielt im Verw Streit- 
verfahren die Berücksichtigung des öffentlichen 
Interesses und die Vertretung des Staats- 
interesses. a) Die Wahrnehmung des 
„öffentlichen Interesses“ steht selbst- 
verständlich nicht jedem beliebigen Repräsentanten 
der bei irgendeiner Angelegenheit interessierten 
Allgemeinheit (z. B. der ganzen Einwohnerschaft 
einer Gemeinde), sondern nur demjenigen zu, der 
zu der Vertretung des öffentlichen Interesses ge- 
setzlich berufen ist, so z. B. der Stadtverordneten- 
versammlung. Zumeist wird das öffentliche In- 
teresse wohl schon durch die Zuziehung des Ver- 
treters dieser Interessen in der Eigenschaft als 
Beteiligter oder Beigeladener gewahrt. Im übri- 
gen ist es der Vorsitzende des Verw#, der zur 
Vertretung des öffentlichen Interesses berufen ist; 
er ist aus diesem Gesichtspunkt namentlich zur 
weiteren Verfolgung einer zurückgenommenen 
Klage (a 41) und zur Einlegung von Rechts- 
mitteln, sowie zur weiteren Verfolgung zurückge- 
nommener Rechtsmittel befugt (a 70, 72, 74, 77, 
78, 83; vgl. auch a 71 über das Recht des Kreis- 
rats zur Einlegung von Rechtsmitteln gegen das 
von dem Provinzialausschuß in der höheren In- 
stanz erlassene Urteil). Eine weitere Berücksich- 
tigung findet das öffentliche Interesse durch die 
Gebührenfreiheit des Berufungs= oder Revisions- 
verfahrens im Falle der Zurückweisung eines im 
öffentlichen Interesse eingelegten Rechtemittels 
(a 119); endlich in der Zulassung einstweiliger 
Anordnungen im Zwangsvollstreckungsverfahren, 
falls solche durch das öffentliche Interesse geboten 
erscheinen (a 126). — b) Eine besondere „Ver- 
tretung des Staatsinteresses“ ist 
nur für das Verfahren vor dem V3H vorgesehen. 
Sie erfolgt durch diesenigen Beamten, welche die 
zuständigen Ministerien „unbeschadet abweichen- 
der Anordnungen im Einzelfall, mit der Ver- 
tretung des Slaatsinteresses für ihren Geschäfts- 
kreis beauftragt haben“ und ist, unter der aus- 
v. Stengel-Fleischmann, Wörterbuch. 2. Aufl. 
  
drücklichen Voraussetzung, daß „an dem Ver- 
fahren eine Staatsbehörde beteiligt“ ist (a 89 
Abs 1), für folgende Fälle vorgeschrieben: a#) für 
das Revisionsverfahren (a 89 Abs 1); ß) für das 
Berufungsverfahren (a 83 Abs II Ziff. 6); 7) für 
das Kompetenzkonfliktsverfahren (a 109 Abs II); 
5) für das Vorentscheidungsverfahren (a 112); 
ae#) für das Disziplinar-Berufungsverfahren (a 113); 
d)für das vor dem VG0 als Disziplinarhof erster 
und einziger Instanz stattfindende Disziplinar- 
strafverfahren nach a 16 ff des oben genannten 
Gv. 21. 4. 80, hier aber mit der Besonderheit, 
daß an Stelle des Vertreters des Staatsinteresses 
der mit der Wahrnehmung der „Verrichtungen der 
Staatsanwaltschaft“" beauftragte Beamte tritt; 
s. a 17 a. a. O. — Wann eine „Beteiligung“ 
einer Staatsbehörde im Sinne des a 89 Abs I 
VBRG als gegeben anzusehen ist, spricht das Ge- 
setz selbst nicht aus; auch die Entstehungsgeschichte 
des Gesetzes gibt darüber keine Auskunft. Die 
Gegenüberstellung der a 89, 90 und 91, welche 
in einer bestimmten Richtung, nämlich hinsichtlich 
der Frage der Gewährung der Akteneinsicht aus- 
drücklich getrennte Vorschriften einerseits für die 
„Beteiligten“ im regulären Sinn (vgl. z. B. 
a 44, 46, 47), andererseits für die „beteiligte 
Staatsbehörde“" (bezw. den Vertreter des Staats- 
interesses) aufstellen, läßt aber jedenfalls soviel 
als Willen des Gesetzgebers erkennen, daß die 
Auslegung des Begriffs der „Beteiligung“ in 
Ansehung der Staatsbehörden nicht an die gleichen 
eng bemessenen Grenzen gebunden ist, wie dies 
bezüglich der Abgrenzung des Kreises der übrigen 
Beteiligten in dem oben erörterten Sinne gilt. 
Man wird demnach dem Standpunkt des V#H 
beipflichten können, der die Zuziehung des Ver- 
treters des Staatsinteresses in der Rechtsmittel- 
instanz grundsätzlich für zulässig erklärt, „wenn 
der Gegenstand des Verw Streitverfahrens in das 
Geschäftsbereich eines Min einschlägt.“ — Daß 
die Zuziehung eines Vertreters des Staatsinteres- 
ses im Verfahren 1. Instanz ausgeschlossen ist, 
kann keinem Zweifel unterliegen. 
4. Den Abschluß des Verfahrens bildet, wenn 
die Sache zur Endentscheidung reif ist, nach näherer 
Vorschrift des Gesetzes der Erlaß eines Urteils. 
Mit der Entscheidung in der Hauptsache ist stets 
auch die Entscheidung über die Kosten des Ver- 
fahrens zu verbinden; nötigenfalls ist das Urteil 
nachträglich zu ergänzen (a 60—66). Das rechts- 
kräftige Urteil bindet für den Streitgegenstand 
sowohl die Verw# als auch die VerwBehörden; 
hinsichtlich der Wirkung des Urteils für und gegen 
die Beteiligten sowie dritte Personen finden die 
Vorschriften der 3PO entsprechende Anwendung 
(a 67). Besondere Grundsätze gelten bezüglich 
der Gerichtsbeschlüsse und der Be- 
schlüsse und Verfügungen des Vor- 
sinenden oder eines beauftragten oder ersuchten 
Richters; erscheint zur Abwendung wesentlicher 
Nachteile oder aus anderen Gründen die Rege- 
lung eines einstweiligen Zustandes erforderlich, 
so kann der Vorsitzende eine einst weilige 
Verfügung erlassen (a 68, 69). 
5s# 6. Rechtoemittel und Wiederaufnahme. 
1. Rechtsmittel. 
1. Die Berufung. Sie ist dasjenige Rechits- 
mittel, welches den Beteiligten Gelegenheit gibt, 
eine Streitsache in tatsächlicher und rechtlicher Be- 
III. 50
	        
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