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Vogelschutz
doch die berechtigte Mahnung, über der Erwägung
von der Nützlichkeit oder Schädlichkeit nicht zu
vergessen, daß die Vögel der Schmuck und das
belebende Element der Natur sind, daher auch
seltene schädliche Vögel nicht bis zur Vernichtung
der Art ausgerottet werden sollten. Die gesetz-
lichen Maßnahmen zum V. liegen vorzugsweise
auf dem Gebiete der Reichsgesetzgebung. Neben
dem hauptsächlich in Betracht kommenden R-
v. 3. 6. 08 (vgl. unten) sind zu erwähnen 3# 368
Nr. 11 StGB (Ausnehmen von Eiern oder
Jungen von Singvögeln), § 35 GewdO in der
Fassung des G v. 29. 6. 08 (Handel mit lebenden
Vögeln), sowie das R v. 28. 5. 94, betr. den
Schutz der Brieftauben (unten # 5). J ferner
Jagd #D 2 (Band II, 463).
Wegen des V. in den Kolonien 7/ Jagd
8 & 3 (Band II, 471); Schutzgebiete §+ 17 (Band
III, 410). Dazu jetzt die Veröffentl. des Reichs-
kolonialamts „Jagd und Wildschutz in den deut-
schen Kolonien", 1913.
II. Die Strafbestimmung in ##6 des
V.G (Geldstrafe bis 150 Mk. oder Haft) richtet
sich auch gegen den Gewalthaber, der es unterläßt,
Kinder oder andere unter seiner Gewalt stehende
Personen, die seiner Aussicht untergeben sind und
zu seiner Hausgenossenschaft gehören, von der
Uebertretung dieser Vorschriften abzuhalten. Das
im Strafgesetzbuch nur für Verbrechen und Ver-
gehen vorgesehene „obiektive Strafverfahren“ (Ein-
ziehung der verbotswidrig in Besitz genommenen
Sachen und der Werkzeuge der Tat) ist durch
87 auch für die unter den Begriff der Uebertretung
fallende Zuwiderhandlung nach §# 6 eingeführt.
§ 2. Das Vogelschutzgesetz des Reiches.
I. Das R # v. 22. 3. 88 ist in Ausführung des
internationalen Abkommens von 1902 durch R
v. 30. 5. 08 mehrfach geändert und in der neuen
Fassung unter dem Titel „Bogelschutzge-
setz“ am 3. 6. 08 veröffentlicht (RGBl 317). Das
internationale Abkommen „zum Schutze der für
die Landwirtschaft nützlichen Vögel“ ist am 19. 3.02
zu Paris abgeschlossen und im Renl 1906 S 89
abgedruckt (nachträglich Ratifikation durch Portu-
gal, RGBl 1907 S 762). Italien und Aegypten,
die bei der Frage des V. besonders in Betracht
kommen, sind dem Abkommen nicht beigetreten.
Das V. Gesetz bestimmt nur das Mindestmaß des
zu gewährenden Schutzes, landesrechtliche Be-
stimmungen, die weitergehende Ver-
bote zum Schutze der Vögel enthalten, blei-
ben nach § 9 im wesentlichen unberührt. Keine
Anwendung findet das Gesetz nach § 8 auf das
in Privateigentum befindliche Federvieh, auf die
nach Maßgabe der Landesgesetze jagdbaren Vö-
gel [X Jagd #4, Band II, 464) und auf folgende
als schädlich betrachtete Vogelarten: 1. Tag-
raubvögel mit Ausnahme der Turmfalken, Schrei-
adler, Seeadler, Bussarde und Gabelweihen (rote
Milane), 2. Uhus, 3. Würger (Neuntöter),
4. Sperlinge (Haus= und Feldsperlinge), 5. Ra-
benartige Vögel (Rabenkrähen, Nebelkrähen,
Saatkrähen, Elstern, Eichelhäher), 6. Wildtauben
(Ringeltauben, Hohltauben, Turteltauben), 7.
Wasserhühner (Rohr= und Bleßhühner), 8. Reiher
(eigentliche Reiher, Nachtreiher oder Rohrdom-
meln), 9. Säger (Sägetaucher, Tauchergänse),
10. alle nicht im Binnenlande brütenden Möven,
1I1. Kormorane, 12. Taucher (Eistaucher und
Haubentaucher). — Jedoch gilt für alle in 5 8 be-
zeichneten Vögel das Verbot des Fangens mit
Schlingen.
II. Die gesetzlichen Maßnahmen zum Schutz
der unter das Gesetz fallenden Vögel richten sich
auf drei Hauptpunkte:
A. Schutz der Nester und Jungen.
&1 untersagt das Zerstören und Ausheben von
Nestern und Brutstätten, das Zerstören und Aus-
nehmen von Eiern, das Ausnehmen und Töten
von Jungen. Verboten ist ferner der An= und
Verkauf, das Feilbieten, die Ein-, Aus- und Durch-
fuhr von Nestern, Eiern und Brut der in Europa
einheimischen Vogelarten. Die Eigentümer, Nut-
zungsberechtigten oder ihr Beauftragter dürfen
jedoch Nester zerstören, die in oder an Gebäuden
oder in Hofräumen angelegt sind. Auch findet
das Verbot keine Anwendung auf Eier von Möven
und Kiebitzen, soweit es nicht landesrechtlich auf
die Eier dieser Vögel für bestimmte Orte oder
Zeiten ausgedehnt wird. Wo, wie in Preußen,
Kiebitze und Möven jagdbar sind, steht auch das
Recht, die Eier dieser Vögel sich anzueignen, nur
dem Jagdberechtigten zu.
8B. Verbot von Fangarten, die
eine Massenerlegung ermöglichen.
Nach #§ 2 ist verboten a) jede Art des Fangens
von Vögeln, solange der Boden mit Schnee be-
deckt ist; bö) das Fangen von Vögeln mittels
Leimes und Schlingen; o) das Fangen und die
Erlegung von Vögeln zur Nachtzeit mit Netzen
oder Waffen; als Nachtzeit gilt die Zeit von einer
Stunde nach Sonnenuntergang bis eine Stunde
vor Sonnenaufgang; d) das Fangen von Vögeln
mit Anwendung von Körnern oder anderen Fut-
terstoffen, denen betäubende oder giftige Bestand-
teile beigemischt sind, oder unter Anwendung
geblendeter Lockvögel;e) das Fangen von Vögeln
mittels Fallkäfigen und Fallkästen, Reusen,
großer Schlag= und Zugnetze sowie mittels be-
weglicher und tragbarer, auf dem Boden oder
quer über das Feld, das Niederholz, das Rohr
oder den Weg gespannter Netze. — Der B ist
ermächtigt, auch bestimmte andere Arten des
Fangens mit Vorkehrungen, die eine Massenver-
tilgung von Vögeln ermöglichen, zu verbieten.
C. Schonzeit. In der Zeit vom 1. März
bis 1. Oktober ist untersagt das Fangen und
Erlegen von Vögeln sowie An- und Verkauf und
das Feilbieten, die Vermittlung eines hiernach
verbotenen An= und Verkaufs, die Ein-, Aus-
und Durchfuhr von lebenden und toten Vögeln
der in Europa heimischen Arten. Das Verbot
erstreckt sich für Meisen, Kleiber und Baum-
läufer auf das ganze Jahr; auch ist dem B eine
weitergehende Verbotsbefugnis beigelegt (§ 3 G).
Dem Fangen im Sinn des Gesetzes steht noch
4 das Nachstellen gleich, besonders das Aufstel-
len von Netzen und anderen Fangvorrichtungen.
#5 -3. Ausnahmevorschriften. Unberührt blei-
ben nach § 5 Abs 1 des G die landesgesetzlichen
Vorschriften, die im Interesse von Jagd I/I
und Fischerei (| das Töten von Vögeln
gestatten, z. B. § 45 des preuß. Fischerei G v.
30. 5. 74/30. 3. 80. Wenn Vögel in Wein-
bergen, Gärten, bestellten Feldern usw.
Schaden anrichten, können nach § 5 Abs 2 die
Landesbehörden das Abschießen in der Schon-
zeit gestatten. Ebenso können diese Behörden