Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
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Volksschule (Schulaufsicht) 
  
worden. Man wird die Beteiligung der Ge- 
meinde besser mit „Pflege“ bezeichnen und von 
der Schulaufsicht trennen. 
Ferner leitet die (katholische) Kirche für sich 
Rechte an der Sch teils aus der geschichtlichen. 
Entwicklung, teils aus der Aufgabe der Sch ab. 
Der erste Hinweis ist bedeutungslos. Das öffent- 
liche Recht, also auch das Schulrecht, ist eine 
Ordnung des Staats, der vor Jahrhunderten an 
die Stelle der Kirche trat, indem er den Unter- 
richtszwang aus staatlichen, aber nicht aus reli- 
iösen Gründen einführte. Nur in einem Punkt 
pielenletztere eine Rolle:im Religionsunterricht!]##I. 
Wenn der Staat diesen in den Lehrplan der 
VSch aufnimmt, muß er dafür sorgen, daß den 
Kindern die Religion in einer Weise vorgetragen 
wird, die nicht mit der Lehre der Kirche in Wider- 
spruch steht. Zu diesem Zweck wird in manchen 
Staaten der Geistlichkeit überlassen den Religions- 
unterricht selbst zu erteilen, in anderen ihr die Be- 
fugnis eingeräumt, dem Unterricht der L beizu- 
wohnen. Hier kann von einer Aufsicht über den 
Religionsunterricht gesprochen werden. Dagegen 
hat kein deutscher Staat Geistliche als Vertreter 
ihrer Kirche zur Aufsicht über die VSch in irgend- 
einer andern Beziehung zugelassen. Ihrer Vor- 
bildung wegen sind die Geistlichen auf dem Lande 
meist mit größerer Sachkunde als andere Perso- 
nen ausgerüstet und werden deshalb gewöhnlich 
vom Staat mit der Orts- oder Kreisschulinspektion 
(widerruflich) beauftragt: aber sie sind in diesem 
Amt ausschließlich Staatsdiener (vogl. Preuß. 
Schulaufsichts G v. 11. 3. 72). 
Der Staat taber hat mit Einführung des 
Unterrichtszwanges die Verantwortung dafür 
übernommen, daß in den VSch und denjenigen 
Privat Sch, welche den VSchlnterricht dar- 
bieten, den Schulkindern das von ihm festgesetzte 
Mindestmaß der „für das bürgerliche Leben 
nötigen allgemeinen Kenntnisse und Fertig- 
keiten“ vermittelt und in ihnen „durch Unterricht, 
Uebung und Erziehung die Grundlage religiös- 
sittlicher und nationaler Bildung" gelegt wird 
(a 1 Hessisches VSchG). Das Preußische Recht 
(§ 1 II 12 ALRj sagt ausdrücklich: „Schulen sind 
Veranstaltungen des Staates“: aber der Gedanke 
beherrscht auch das Recht der andern Bundes- 
staaten. Dem Staate allein kommt daher die 
Schulaufsicht als ein staatliches Hoheitsrecht 
zu. Nur er hat zu bestimmen a) wer lehren darf 
und wer lernen soll, b) was gelehrt und gelernt 
werden soll, oc) wie das Ziel von der einzelnen 
Sch und dem einzelnen L zu verfolgen ist. Das 
sind die sog. „inneren Schulangelegenheiten“. 
Der Begriff der „äußeren Schulangelegen- 
heiten" umfaßt alles übrige. Der 1 26 des Entw des 
Preuß. Schuch wollte sie zusammenfassen mit den Worten 
„ Berwaltung derienigen Angelegenheiten der VSch, welche 
die Erfüllung der Berpflichtung zu ihrer Errichtung und 
Unterhaltung sowie das Vermögen betreffen". Man wird 
besser folgendes hineinnehmen: 
a) Begrenzung der Schulbezirke und Gestaltung von 
Schulverbänden, 
b) Sorge für stete Bereitschaft der Schuleinrichtung 
(Schulräume, LWohnungen, Lehr- und Lernmittel) und der 
Unterhaltsmittel, 
c) Durchführung des Schulzwangs und Schulkinder= 
pflege. 
  
Die oberste Schulbehörde hat in Preußen „die 
allgemeinen Vorschriften zu erteilen, die Gesetze 
vorzubereiten und darüber zu wachen, daß sie 
Üüberall befolgt werden“ (V v. 27. 10. 1810 und 
13. 5. 67, GS. 667). Unter allgemeinen Vor- 
schriften sind solche zu verstehen, „die das Gesetz 
nicht ändern oder nicht eine geebliche Deklaration 
enthalten“ (Kab O v. 4. 7. 32). Außerdem ent- 
scheidet sie in letzter Instanz über sog. Aufsichts- 
beschwerden und wirkt bei der Vorbereitung des 
Staatshaushaltsgesetzes mit, der Schulverwal- 
tung die Bereitstellung der Staatsmittel sichernd. 
Sie beaufsichtigt die nachgeordneten Behörden. 
Die eigentlichen Aufsichtsbehörden sind die 
Regierungen, deren Befugnisse 8 18 Reg Inst 
v. 23. 10. 1817 in so allgemeinen Wendungen 
bestimmt, daß darin die ganze Fülle staatlicher 
Befugnisse im Sinne der vormärzlichen Zeit um- 
schrieben ist. Diese Zuständigkeit ist ihnen ver- 
blieben, soweit nicht durch Gesetz andere Behör- 
den (die Beschlußbehörden und Verw Gerichte) 
berufen wurden. Sie beaufsichtigen auch die 
Kreis= und Ortsschulbehörden. 
Z Die Kreisschulinspektoren sind als Aufsichts- 
instanz mit den inneren Schulangelegenheiten 
befaßt, sollen aber, da sie am häufigsten an Ort 
und Stelle erscheinen, auch für die Verbesserung 
der äußeren Angelegenheiten Anregungen geben. 
Den Ortsschulbehörden fehlt für innere An- 
gelegenheiten jede Verfügungsgewalt, in denen 
der äußeren haben sie zu verwalten, nicht Auf- 
sicht führen- b 
. Bei den anderen Bundesstaag 
bestehen dieselben Grundsätze. st ten 
Quelten: Preußen: im Text. — Bavern: 
II. Beilage Bu 1 38, Anh. I a V Ubl 4, Anhang II 33 6, 
11 u. 14; Allerh. B v. 22. 3. 1821; Formations B v. 9. und 
17. 12. 1825; Allerh. B v. 27. 2. 47, 381. 12. 64; Pol St 
v. 26. 12. 71 # 68; Verw Gerichts G v. S. S. 78; Allerb. B 
v. ö. 11. 80, 26. 4. 82, 26. S. 83, 2. 9. 86; Schulbedarfs G 
v. 28. 7. 02; Allerh. B v. 4. 6. 03, 10. 5. 05, 13. 8. 05, 26. 
12.08. — Sachsen: Bch G v. 26. 4. 73 5# 1—6, 8—188, 
15, 24—37; B v. 3. 4. 73, 22. s. 74, 26. S. 74; Instr v. 
G. 11. 74, 4. 8. 75; Bek v. 27. 11. 76, 5. 10. 78; Bv. 2. 1. 79 
6. 11. 82, 10. 5. 86, 11. 7. 92, S. 1. 94, 11. 1. 97. 20. 1. D5“ry. 
18. 12. 97, 5. 2. 98, 1. 7. 98, 23. u. 27. 8. 98;: Gv. 10. 7. 00 
2, 73; B. S. 3. 00, S. 1. ol, ö. 11. ol, 19. 12. o1, 17. 
6. 02, 30. 8. 02, 6. 12. 02, 3. 1. 03, 8. u. 12. 5. o3, 22. 8. oO3 
28. 10. 03, 22. 4. 05, 30. 6. 05, 14. u. 27. 2. 08. — Wür * 
temberg: BSch in d. Fassung v. 17. 8. oo a 1—9 
54.—-00 und die bei Schlh-Oepp angezogenen Min Erlasse.— 
Baden: Sch Gv. 7. 7. 10 Tit. 1—8, 6 Abschn. 2, 6 u. 9. 
Lh B v. 12. sS. 62; Min B v. v. 7. 79; Unterr Pläne v. 12. 3. si 
u. 13. 8. 88; Min B v. 19. 1. 93 u. 26. 2. 94; Schul O v 
27. 2. 94 nebst Novelle v. 30. 9. 02; B v. 3. u. 5. 3. "%: 
Bet v. 14. 12. o4, 8. v. 97; Min v. 14. 11. 08; Ber u 
17. 2. oo; C v. 11. S. os nebst Volls.B v. v. c. O4 u. Min- 
Bek v. 18. 6. 07; Bek v. 14. 4. 05; B v. 12. 12. 05; Min B 
v. 31. 7. 06; Unterr Plan v. 18. 8. o6; ChBv. 8. 8. 10.— 
Hessen: G betr. Böch Wesen v. 16. 6. 74 Abschn. 1 
2 4 Betv. 10.4. u. 4. 6. 0e— Elsaß.- Lothring: #: 
Bv. 18. 4. 71; Go. 30. 12. 71; B v. 2. 2. 72; Gv. 12. 2. 78: 
Regl v. 4. 1. 74; B v. 22. ö. 74, 31. 7. 75; Bek v. S. 7. 76; 
Ev. 109. ö. 79, 4. 7. 79; V v. 4. 12. 80; Bestimmung * 
17. 6. 81; B v. 21. 4. 82; Bfg v. 20. 8. 84; Instr v. 15. 
6. 36; Big v. 22. 12. 03; B v. 12. 6. os; G v. 24. 2. os 
nebst Ausf. Bestimmung v. 2. u. 3. 3. 08; Lehrplan v. 6 
1. 10. "6
	        
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