Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
Waffengebrauch (Einschreiten der bewaffneten Macht) 
Reihe anderer deutscher Staaten durch die 
Militärkonventionen [] ausgesprochen worden. 
Eine Ausnahme erleidet derselbe nur bei Er- 
klärung des Kriegszustandes (X/ Belagerungszu- 
stand). Nach dem für das ganze Reich mit Aus- 
nahme Bayerns maßgebenden preußischen Gv. 
4. 6. 51 kann in diesem Falle a 36 der preuß. VU. 
außer Kraft gesetzt, d. h. also bestimmt werden, 
daß ein Einschreiten des Militärs auch ohne Auf- 
forderung der Zivilbehörden stattfinden kann (5 5). 
In Preußen hat auch, abgesehen von Verkündigung 
des Kriegszustandes, das Staatsministerium die 
Befugnis, bei Krieg, Aufruhr oder dringender Ge- 
fahr für die öffentliche Sicherheit a 36 Vl zeit- 
und distriktsweise außer Kraft zu setzen (/ 16). 
Weitere Ausnahmen soll, wie bei Gelegenheit des Za- 
berner Militärkonflikts (Nov.-Dez. 1913) behauptet worden 
ist, der Grundsatz des a 36 preuß. V U erleiden nach Maß- 
gabe einer (in spätere militärische Dienstinstruktionen, 
zuletzt in die Borschrift über den Wassengebrauch des Mi- 
litärs und seine Mitwirkung bei der Unterdrückung innerer 
Unruhen v. 23. 3. 99 übergegangenen) preußischen KabD 
v. 17. 10. 1820 1). Danach sollen die Militärbefehlshaber 
zur Unterdrückung innerer Unruhen und zur Ausführung 
der Gesetze auch ohne Anforderung der Zivilbehör- 
den selbständig einzuschreiten befugt und verpflichtet sein, 
wenn sie (die Militärbefehlshaber) finden, „daß die Zivil- 
behörden mit der Anforderung um militäritschen Beistand 
zu lange gezögert haben, indem ihre Kräfte nicht mehr 
zureichen, die Ruhe herzustellen". Diese Vorschrift ist in- 
dessen kein Gesetz, insbesondere nicht im Sinne des a 36, 
denn sie ist niemals als Gesetz publiziert worden. Sie ist 
demnach auch nicht imstande, Ausnahmen von dem durch 
a 36 festgelegten Prinzip zu begründen. In der Literatur 
ist die Kab O v. 17. 10. 1820 von Laband DJ3 10, 186 ff, 
sowie von W. Jellinek, Zabern, über das Verhaftungs- 
recht des Militärs (1914) verteidigt worden, val. dagegen 
v. Lisst in der Sitzung des RT v. 23. 1. 14 (St Ber 6744 ffh 
Wesentlich eingeschränkt wird die Kab O v. 1820 durch 
bie neuen, unter dem 19. 3. 14 erlassenen Dienstvorschriften 1) 
über den Wassengebrauch des Militärs und seine Mit- 
wirkung zur Unterdrückung innerer Unruhen (auch im 
Buchhandel erschienen). Danach ist das Militär zur Un- 
terdrückung innerer Unruhen und zur Ausführung der 
Gesetze auch ohne Anforderung der Zivilbehörden berech- 
tigt und verpflichtet, wenn in Fallen dringender Gefahr für 
die öffentliche Sicherheit die Zivilbehörde infolge äußerer 
Umstände außerstande ist, die Anforderung zu erlassen. 
2. Die Leitung der militärischen 
Aktion steht dem militärischen Oberbefehls- 
haber zu. Dieser hat auch allein darüber zu ent- 
scheiden, ob und in welcher Art zur Anwendung 
der Waffen geschritten werden soll. Die re- 
quirierende Zivilbehörde muß Gegenstand und 
Zweck, für den die militärische Hilfe verlangt 
wird, so genau bezeichnen, daß die Anordnungen 
seitens des Militärs mit Sicherheit getroffen 
werden können. 
1) Die Kabinettsordre von 1820 ist im vollständigen 
Wortlaute bei v. Helldorf, Dienstvorschriften der Kal preu- 
Hischen Armee' II. Teil 3. Abteil. 1874 S 74 abgedruckt. 
Für ihre Tragweite erscheint es mir, ganz abgesehen von 
der Einwirkung der Verfassung, beachtenswert, daß sie sich 
als eine Gelegenheitsverordnung zu erkennen gibt. 
Nach der Drucklegung erschien Romen und Riss- 
som, Waffengebrauch und Festnahmerecht des Militärs 
(Erläut. d. Dienstvorschr. v. 19. 3. 14 u. b. gesetzl. Bestim- 
mungen aller Bundesstaaten), 1914. (D. H.) 
  
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3. Die Voraussetzungen, unter wel- 
chen das Militär von seinen Waffen Ge- 
br auch zu machen berechtigt ist, sind gesetzlich 
geregelt. 
a) Maßgebend in dieser Beziehung ist für das 
Reich (mit Ausnahme von Bayern) das preuß. 
G über den Waffengebrauch des Militärs v. 
20. 3. 37. Dasselbe gilt als preußisches Gesetz 
im ganzen Verbande des preußischen Kontingents. 
In Sachsen und Württemberg hat die Einführung 
desselben durch besondere Verordnungen statt- 
gefunden (sächs. V v. 18. 5. 72 und 14. 6. 81; 
württ. V v. 27. 5. 78). Für Elsaß-Lothringen ist 
am 28. 3. 72 ein mit dem preußischen überein- 
stimmendes besonderes Gesetz erlassen worden. 
Auf Grund der Bestimmungen des preußischen 
Gesetzes steht dem Militär die Befugnis, von 
seinen Waffen Gebrauch zu machen, unter fol- 
genden Voraussetzungen zu: 1. das Militär muß 
sich im Dienste zur Aufrechterhaltung der öffent- 
lichen Ordnung, Ruhe und Sicherheit auf Wa- 
chen und Posten, bei Patrouillen, Transporten 
oder sonstigen Kommandos befinden. 2. Der 
Waffengebrauch darf nur zur Erreichung folgen- 
der Zwecke stattfinden: a) zur Abwehr von An- 
griffen oder zur Ueberwältigung von Widerstand, 
wenn das Militär angegriffen oder mit einem 
Angriff gefährlich bedroht wird oder wenn der 
Widerstand tätlich oder mit gefährlicher Drohung 
geleistet wird; b) zur Erzwingung des Gehorsams, 
wenn das Militär zur Ablegung der Waffen oder 
anderer zum Widerstand geeigneter gefährlicher 
Werkzeuge auffordert und dieser Aufforderung 
nicht sofort Folge geleistet wird, oder wenn die 
abgelegten Waffen oder Werkzeuge wieder auf- 
enommen werden; o) zur Vereitelung der 
lucht von Verhafteten und Gefangenen bei 
Arrestationen, Gefangentransporten und in Ge- 
fängnissen; d) zum Schutz der militärischer Be- 
wachung anvertrauter Personen oder Sachen. 
Das Militär soll von seinen Waffen nur insoweit 
Gebrauch machen, als es zur Erreichung der 
angegebenen Zwecke erforderlich ist. Der Ge- 
brauch der Schußwaffe tritt nur dann ein, wenn 
entweder ein besonderer Befehl dazu erteilt 
worden ist oder wenn die anderen Waffen unzu- 
reichend erscheinen. Der Zeitpunkt, wann der 
Waffengebrauch eintreten soll, und die Art und 
Weise seiner Anwendung muß von dem handeln- 
den Militär jedesmal selbst erwogen werden. Es 
besteht eine gesetzliche Vermutung dafür, daß das 
Militär beim Gebrauch der Waffen innerhalb 
der Schranken seiner Befugnisse gehandelt hat. 
Das Gegenteil muß erwiesen werden. Die An- 
gaben derjenigen Personen, welche irgendeiner 
eilnahme an den Ereignissen oder Handlungen 
die das Einschreiten der Militärgewalt herbei- 
geführt haben, schuldig oder verdächtig sind, geben 
für sich allein keinen zur Anwendung einer Strafe 
hinreichenden Beweis für den Mißbrauch der 
Waffengewalt. *)* 
b) Bei Aufläufen und Tumulten kom- 
men außer den Bestimmungen des G v. 20. 3. 37 
noch die besonderen Vorschriften der V v. 17. 8. 35 
(GS 170) zur Anwendung. Darnach muß der 
die Mannschaft kommandierende Offizier oder 
Unteroffizier die versammelte Menge auffordern, 
auseinanderzugehen. Zum Gebrauch der Waffen 
ist er erst dann berechtigt, wenn auf die zweite 
  
 
	        
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