Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
74 Pfarrer 
Verleihung von Pfarreien Anzeige an den Ober- 
präsidenten gefordert, welcher wegen Mangels 
der gesetzlichen Erfordernisse, sowie aus Gründen, 
hafterweise über ein Jahr verzögert; b) durch 
Abschluß einer Ehe; c) durch Annahme eines ande- 
ren mit dem bekleideten Pfarramt unvereinbaren 
welche dem bürgerlichen oder staatsbürgerlichen Amtes, insbesondere eines anderen Pfarramtes, 
Gebiete angehören, Einspruch erheben kann, über 
welchen auf Berufung des Bischofs der Kultus- 
minister endgültig entscheidet. Eine der bayeri- 
schen analoge Gesetzgebung besteht in Weimar, 
Oldenburg, Braunschweig, Elsaß-Lothringen, Meck- 
lenburg-Schwerin, Rudolstadt; eine der preußi- 
schen analoge in Württemberg, Baden, Hessen, 
Sachsen, Oesterreich (s. Friedberg 360). Eine 
gegen staatlichen Einspruch erfolgte Verleihung 
ist nichtig, in Preußen, Baden, Hessen überdies 
kriminell strafbar (Friedberg 360). 
4. Eine außerordentliche Form der Verleihung 
kennt das kath. Kirchenrecht jure devolutionis und 
unter der Bezeichnung erxtraordinaria provisio 
durch den Papst; letztere, einst übermäßig weit 
ausgedehnt (Johann XXII), dürfte im gelten- 
den Recht so gut wie unpraktisch sein. Auch das 
Devolutionsrecht hat praktische Bedeutung wohl 
nur mehr bei Patronatpfarreien, ist übrigens 
für das landesherrliche Patronat in Bayern aus- 
geschlossen. 
5. In der evangelischen K werden als 
Voraussetzungen für Bekleidung eines 
Pfarramtes gefordert (X Geistliche § 9): unbe- 
fleckter Ruf, das gesetzliche Alter (in Preußen 25., 
Oesterreich 24., Sachsen 21. Lebensjahr), Gesund- 
heit und Mangel störender Leibesgebrechen, Reichs- 
bezw. Staatsangehörigkeit, Unentgeltlichkeit der 
Verleihung, genügende wissenschaftliche Vorbil- 
dung, in den meisten Landeskirchen auch je nach 
Klassifikation der Pfarreien ein bestimmtes Dienst- 
alter. Die Frage der Staatsgenehmigung ist für 
die ev. K zurzeit so gut wie gegenstandslos. 
Bezüglich der Reichs= und Staatsangehörigkeit 
gelten die gleichen Vorschriften wie für die kath. 
K. Die Frage des Dienstalters ist in den meisten 
Staaten, so Preußen, Baden, Hessen, genau durch 
Spezialgesetze geordnet (preuß. K v. 15. 8. 98, 
vgl. Friedberg, Verfassungsrecht 227 ff). Die 
wissenschaftliche Vorbildung wird allenthalben 
durch Prüfungen, welche den für den Staats- 
dienst bestehenden nachgebildet sind, festgestellt; 
in der Regel wird das Bestehen von zwei Prü- 
sungen gefordert, deren erste pro caudidatura 
sive pro licentia concionandi, die zweite pro mu- 
nere sive pro ministerio erfolgt. Das theologische 
Studium wird allenthalben auf Staatsuniversi- 
täten absolviert und beträgt drei oder vier Jahre; 
die Professoren der theologischen Fakultäten sind 
in mehr oder minder weitem Umfange an der 
Abnahme der Prüfungen beteiligt; die hierüber 
in Deutschland geltenden Vorschriften sind höchst 
mannigfaltig (in Allg. Kirchenblatt für das ev. 
Deutschland, dazu auch Friedberg, Verfassungs- 
recht S. 213 ff). Neben den theologischen Fakul- 
täten bestehen fast überall zur praktischen Ausbil- 
dung der Kandidaten noch Predigerseminare. 
Durch die neuere Gesetzgebung sind mehrfach auch 
Vertreter synodaler Körperschaften in die Prü- 
fungskommissionen berufen worden. 
§ 3. Erledigung des Pfarramts. 
1. Die Erledigung eines Pfarramts tritt nach 
katholischem Kirchenrecht in folgenden Fäl- 
len ein: a) wenn der Ernannte die Priester- 
weihe noch nicht besitzt und den Erwerb schuld- 
  
sowie durch Konsekration zum Bischof, wogegen 
die Ehrenkanonikate des preußischen Rechts ge- 
mäß der Bulle De salute animarum mit Pfarr- 
stellen verbunden sind; d) durch Konfessionswechsel, 
welcher nach kanonischem Recht als Verbrechen der 
Häresie sich qualifiziert;e) durch Absetzung; 
zuständig hierzu sind nur konfirmierte Bischöfe 
oder Prälaten mit quasibischöflicher Gewalt, bei 
Sedisvakanz der Kapitularvikar, außerdem der 
Generalvikar kraft Spezialmandates; das ka- 
nonische Recht unterscheidet verschiedene Grade 
der Absetzung (privatio benekicii, depositio, de- 
gradatio), alle bewirken juristisch die Erledigung 
des Amtes; von Staats wegen wird in den meisten 
deutschen Staaten eine Kontrolle über diese Maß- 
regeln der Kirchenzucht ] gefordert, indem teils 
ein geordnetes prozessualisches Verfahren vor- 
geschrieben, teils die Gewährung des brachium 
saeculare von einer staatlichen Vollstreckbarkeits- 
erklärung abhängig gemacht ist; beides gilt in 
Preußen auch jetzt noch, wogegen die sehr viel 
weiter reichenden Vorschriften des G v. 12. 5. 73 
über staatliche Kontrolle der K Disziplin gegen 
Kleriker jetzt aufgehoben sind; auch beansprucht 
der Staat nicht mehr wie früher das Recht, K Die- 
ner abzusetzen, sondern behält sich lediglich vor, 
solchen aus zwingenden Gründen der öffentlichen 
Ordnung die weitere Ausübung des Amtes zu ver- 
bieten; k) durch Verurteilung zu Zuchthaus, 
Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechie oder 
der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter 
wird (im einzelnen in verschiedener Art und ver- 
schiedenem Umfang) nach badischem, hessischem, 
preußischem Recht Unfähigkeit zur weiteren Aus- 
übung des Amts und Verlust des Amtseinkom- 
mens bewirkt; g) durch Eintritt in einen geistlichen 
Orden [“]; h) durch Aufhebung des Amtes selbst; 
i) durch Amtsenthebung im Verw Wege 
zum Zweck der Versetzung oder Pensionierung; 
eine solche ist nach dem Dekret Maxima cura vom 
20. 8. 10 aus folgenden Gründen zulässig: Geistes- 
krankheit, Unerfahrenheit und Unwissenheit, Taub- 
heit, Blindheit oder irgend ein anderes Gebrechen 
der Seele oder des Körpers, Haß seitens der Ge- 
meinde, Verlust des guten Rufes, noch nicht 
offenkundig gewordenes Verbrechen, sträfliche 
Vermögens Verw, Vernachlässigung der pfarr- 
amtlichen Pflichten, Ungehorsam gegen die Befehle 
des Bischofs; die Amtsenthebung geschieht nach 
Manßgabe eines genau geregelten Verfahrens 
durch den Bischof (das nähere bei Hilling, 
Die Amtsenthebung der Pfarrer im Verwssege, 
1911); k) Tausch ist statthaft mit Genehmigung 
des Bischofs, in Bayern auch des Slaates; es 
müssen hierbei die über Besetzung von Pfarreien 
geltenden staategesetzlichen Vorschriften beobach= 
tet werden; 1) endlich kann jeder Pfarrer mit Ge- 
nehmigung des Bischofs auf seine Stellc verzich- 
ten, jedoch nur bedingungeslos, also nicht salro 
regressu oder in favorem tertüj die früher zuge- 
lassene und häufige resignatio cum reserratione 
pensionis wird heute meist durch Aufnahme alter 
oder kranker P. in die bischöflichen Eremitenhäu- 
ser, welche in allen Diözesen vorhanden sein 
sollen, ersetzt.
	        
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