852
Wahlrecht (Klassenwahl)
Deutschland außer bei den Wahlen zum deutschen
Reichstag vor allem im deutschen Süden: Bayern,
Satemkern Baden, Elsaß-Lothringen, Koburg-
Gotha.
Alle übrigen Bundesstaaten haben ungleiche
Wahlrechte.
III. Pluralwahlrecht besteht im Kö-
nigreich Sachsen, Hessen, Oldenburg und Reuß
j. L. (hier gemischt mit Klassenwahlsystem). Am
einfachsten gestaltet ist das Pluralwahlrecht in
Hessen und Oldenburg. In Hessen hat jeder Wäh-
ler 1 Stimme; wer das 50. Lebensjahr zurück-
elegt hat, darf 2 Stimmen abgeben; in Olden-
urg hat ebenfalls jeder Wähler 1 Stimme;
2 Stimmen hat, wer zur Zeit der Wahl das 40.
Lebensjahr vollendet hat. Komplizierter gestaltet
ist das Pluralwahlrecht im Königreich Sachsen
und in Reuß j. L.
Im Königreich Sachsen hat jeder Wähler eine
Stimme, sofern ihm nicht ausdrücklich mehrere Stimmen
zuerkannt sind. 2 Stimmen haben die Wahlberechtigten
mit einem Einkommen von über 1600 Mk. (schon bei einem
Einkommen von 1400 Mk. bezw. 1250 Mk. bezw. einer
gewissen Besitzgröße haben 2 Stimmen öffentliche Beamte,
private Angestellte, selbständige Gewerbetreibende, kleine
Landwirte), dann Personen, die die Borbedingungen für
den einjährig-freiwilligen Dienst erfüllen. 3 Stimmen haben
die Wahlberechtigten mit einem Einkommen über 2200 Mk.
(wiederum bei einem geringeren Einkommen haben 3 Stim-
men Beamte, Angestellte, Angehörige der freien Berufe,
selbständige Gewerbetreibende und Landwirte). 4 Stimmen
haben die Wahlberechtigten mit einem Einkommen über
2800 Mk. (wiederum bei einem geringeren Einkommen
haben 4 Stimmen Beamte, Angestellte, Angehdrige der
freien Berufe, selbständige Gewerbetreibende und Land-
wirte). Vollendetes 50. Lebensjahr bei Abschluß der Wähler-
liste gibt eine Zusatzstimme; doch darf niemand mehr als
4 Stimmen abgeben. In Reuß f. L. werden von 21
Abgeordneten 20 gewählt (3 von den Hoöchstbesteuerten,
17 von den übrigen Wählern nach Pluralwahlrecht ähnlich
wie in Sachsen).
§s# 6. Klassenwahlrechte.
Steuer- und Einkommensklassen-
wahlrechte weisen auf: Preußen, Braun-
schweig (hier gemischt mit Berufsklassenwahlrecht),
Anhalt (hier gemischt mit Berufsklassenwahlrecht),
Sachsen-Meiningen, Sachsen-Altenburg, Schwarz-=
burg-Sondershausen, Schwarzburg-Rudolstadt,
Lippe-Detmold, Waldeck, Hamburg (hier gemischt
mit Berufsklassenwahlrecht) und Lübeck. Vom
Braunschweiger Wecht soll hier nur die Technik
der Dreiklassenwahl dargestellt werden; das an-
haltische und das hamburgische WRecht sollen im
Zusammenhang unten beim Berufsklassenwahl-
recht behandelt werden.
1. Steuerklassen wahlrecht.
a) In Preußengilt das sog. Dreiklassen-
wahlrecht. Hier zerfällt das ganze Land in
WBezirke und die WBeNzirke zerfallen wieder in Ur-
wahlbezirke von je 750—1749 Seelen. In jedem
Urwahlbezirk wählen die Urwähler 3—6 WMänner
und die W Männer wählen zusammen die Abgeord-
neten. Die Klasseneinteilung besteht darin, daß
die Urwähler nach Maßgabe der von ihnen zu
entrichtenden direkten Staats= und Gemeinde-
steuern — wobei Wherechtigte ohne direkte
Staatssteuerleistung so angesehen werden, als
wenn sie 3 Mk. Staatssteuer entrichteten — in 3
Abteilungen geteilt sind und daß auf jede Abtei-
lung ½ der Gesamtsumme der Steuerbeträge
aller Urwähler fällt. Diese Gesamtsumme wird
urwahlbezirksweise berechnet. Die 1. Abteilung
besteht aus den Urwählern, die die höchsten
Steuerbeträge bis zum Belaufe von ½ der Ge-
samtsteuer bezahlen. Die 2. Abteilung besteht aus
den Urwählern, auf die die nächst niedrigeren
Steuerbeträge bis zur Grenze des 2. Drittels
fallen. Die 3. Abteilung besteht aus den übrigen
Urwählern (also auch denen, die keine Steuern
zahlen). Jede Abteilung wählt ½° der W#äänner,
hat also gleichen Einfluß auf das WErgebnis.
die Zahl der W Männer nicht durch 3 teilbar (sind
es also 4 oder 5), so fallen der 3. Wählerklasse,
evtl. auch der 1. Wählerklasse 2 WMänner zu.
d) In Braunschweig werden 30 von 48 Abgeord--
neten im Wege der Dreiklassenwahl gewählt. Dabei ist der
Aufbau im ganzen wie in Preußen gestaltet. Jedoch geschieht
die Drittelung anders als in Preußen, nur nach der Gemeinde-
steuer; besonders bestimmt ist ferner, daß die Steuerdritte-
lung gemeindeweise, nicht urwahlbezirksweise stattfindet und
daß die Zahl der Urwähler in der 1. Steuerklasse mindestens
5% in der 2. Steuerklasse mindestens 20% betragen muß.
c) In Waldeck herrscht ebenfalls ein Dreiklassenwahl-
system ähnlich wie in Preußen; nur wählt dort jede der
3 Abteilungen der Gemeindebürger, die in der Gemein-
deordnung vorgesehen sind, ½ der WMänner, und
die W Männer der verschiedenen Abteilungen wählen ihrer
seits wieder zusammen die Abgeordneten. Doch geschieht
auch hier die Drittelung wie in Braunschweig nach ver
Gemeindesteuer und gemeindeweise.
d) Anders gestaltet ist das Dreiklassenwahlrecht in Sa ch-
sen Altenburg. Dort werden von 32 Abgeordneten
9 von den Höchstbesteuerten (auf je 500 Seelen in den ein-
delnen WBezirken kommt 1 Wähler der Höchstbesteuerten)
und 23 von den übrigen Wählern (11 Abgeorbnete der
Städte, 12 Abgeordnete des platten Landes) gewählr. Für
die W der letzteren 23 Abgeordneten werden die Wähler
in jedem WBezirk nach Ausscheidung der Höôchstbesteuerten
in 3 Abteilungen nach Maßgabe ihrer direkten Staatssteuer
derart geteilt, daß jede Abteilung # der Steuern, die von
den WBerechtigten im WBezirk gezahlt werden, umfaßt
und in der 1. Klaste wählen die Wähler, die vie höchsten
Steuerbeträge zahlen, in der 2. Klasse die Wähler, die die
nächstniedrigen Steuerbeträge zahlen und in der 3. Klasse
die Wähler, die die niedrigsten Steuern entrichten. Im
Gegensad zu Preußen aber wählen die Wähler jeder Klasse
(im direkten W Verfahren) ihre eigenen Abgeordneten
Eine gewisse Aehnlichkeit damit weist das Dreiklassenwahl-
spstem in Lippe-Detmold auf. Auch dort bestehen
3 Abteilungen. In der 1. Abteilung der Hôchstbesteuerten
werden 5 Abgeordnete von den Wnerechtigten, die jährlich
mindestens 90 Mk. Grundsteuer, und 2 Abgeordnete von
den Wwerechtigten, die jährlich mindestens 180 Mk. Ein-
kommensteuer zahlen, gewählt; in der 2. Abteilung werden
7 Abgeordnete von den W erechtigten gewählt, die nicht
zur 1. Abteilung gehören und an Grund- und Einkommen-
steuer jährlich mindestens 36 Mk. zur Staatskasse zablen:
in der 3. Abteilung endlich werden 7 Abgeordnete von ven
übrigen WBerechtigten gewählt.
he) In Sachsen-Meiningen, Schwarzbu *“
Sondershausen und Schwarzburag Rubol.
stadt neten zu den aus allgemeinen 28 hervorgehenden
Abgeordneten noch solche, die von den Oöchstbesteuerten
gewählt werden. In Sachsen -Meiningen werden
von den 24 Abgeordneten 4 gewählt von den höchstbesteuerten
Großgrundbesitern (mit einer jährlichen Steuerleistung aa
Grund und Gebäudesteuer von mindestens 20 Talern)
4 von den WVerechtigten, die die höchsten Personalsteuern