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schichte des preußischen WRechts, 19008. — Für Einzelfragen
sind aus der unübersehbaren Literatur zu nennen: Jelli-
nek, Das Pluralwahlrecht und seine Wirkungen, 1006;
Petermann, Individualvertretung und Gruppenver-
tretung, 1906; Unold, Wie das WRecht war, wie es
ist und wie es, zumal in den deutschen Einzelstaaten werden
soll, 190; Rosin, WMinoritätenvertretung und Propor-
tionalW#, 1892; Cahn, Das Berhältniswahlsystem in
den modernen Kulturstaaten, 1909. Ernst Cahn.
wald
Forstwesen (1 815—841); Schutzgebiete & 19
(III 411)
Waldeck
Gürstentum)
Bundesrat 1 Stimme — Reichstag 1 Abg.
1120,06 qkm — 61 707 Einwohner (1910)
auf 1 qkm: 55 Einwohner.
Etat (1914): 1724 787 Mk.
* 1. Berfassungsentwicklung. # 2. Rechtsstellung des
Landesherrn. 1 3. Bolksvertretung. ## 4. Behördenorgani-
sation und Beamtenrecht. 3 5.-Einzelne Verwaltungszweige.
## 1. Verfassungsentwicklung. Die Fürsten-
tümer W. und Pyrmont wurden durch das
Staatsgrundgesetz vom 23. Mai 1849 zu einem
untrennbaren Staatsgebiet vereinigt. An Stelle
des Staatsgrundgesetzes trat die Verfassungs-
urkunde vom 17. August 1852, die im § 1
bestimmt, daß „die Fürstentümer Waldeck und
Pyrmont einen durch eine und dieselbe Ver-
fassung vereinigten deutschen Bundesstaat bil-
den“. Diese Verfassungsurkunde erfuhr wesent-
liche Einschränkungen durch das staatsrechtliche
Verhältnis, in welches das Fürstentum W. durch
den sogen. Akzessionsvertrag vom 18. Juli 1867
zu Preußen trat. Da W. zur Erfüllung der fi-
nanziellen Verpflichtungen seiner Zugehörigkeit
zum Norddeutschen Bunde und später zum
Deutschen Reiche außerstande war, so wurde
mit Preußen ein Staatsvertrag abgeschlossen,
der mit einigen Veränderungen i. J. 1877 auf
10 Jahre erneuert und am 2. 3. 87 auf unbe-
stimmte Zeit verlängert wurde. Auf Grund dieses
Akzessionsvertrages ist die innere Ver-
waltung in W.-Pyrmont auf Preußen über-
gegangen. Der König von Preußen übt bezüg-
lich der inneren Verwaltung die volle Staats-
gewalt aus, wie sie dem Fürsten verfassungs-
mäßig zusteht. Preußen bezieht die gesamten
Landeseinnahmen und bestreitet die gesamten
Landesausgaben, mit Ausschluß der Ausgaben
für das Konsistorium in seiner Eigenschaft als
Oberlirchenbehörde. Zu den Landesausgaben
leistet Preußen einen Bedürfniszuschuß, welcher
seit dem Jahre 1899 jährlich 530 000 Mk. beträgt.
Dem Fürsten ist die kirchliche Verw, die Verw des
Domanialvermögens geblieben, ebenso das Begna-
digungsrecht und die Vertretung des Staates
nach außen; demgemäß ernennt und instruiert der
Fürst auch den Vertreter W. im Bundesrat.
Ferner ist dem Fürsten das Recht der Zustim-
Waldeck (Fürstentum)
mung zu Verf Aenderungen und Gesetzen vor-
behalten, soweit sie nicht die Organisation der
Verw= und Justizbehörden betreffen. Eine Kün-
digung des Akzessionsvertrages ist vorgesehen,
ae muß jedoch mindestens 2 Jahre vor der beab-
ichtigten Auflösung des Vertrages erklärt werden.
## 2. Rechtsstellung des Laudesherrn.
I. Nach der Verfassung ist die Regierung
erblich im Mannesstamm des waldeckschen Für-
stenhauses, einschließlich dessen gräflicher Linie,
nach dem Rechte der Erstgeburt und der agna-
tischen Linealfolge. Erlischt der Mannesstamm,
so geht die Regierungsfolge auf die weibliche
Linie über. Der Fürst wird mit Vollendung des
21. Lebensjahres volljährig und regierungsfähig.
In dem Fürsten vereinigt sich die gesamte Staats-
gewalt, bei deren Ausübung er an die Verf-
Urkunde, an die Gesetze und die Mitwirkung der
Landesvertretung gebunden ist.
II. Die Ausübung der gesetzggebenden Ge-
walt ist von der Zustimmung des Landtags ab-
hängig; Gesetze können nur mit Zustimmung des.
Landtags #erlassen, aufgehoben, geändert oder au-
thentisch interpretiert werden. Wenn der Land-
tag nicht versammelt ist, können in dringenden,
keinen Aufschub duldenden Fällen unter Ver-
antwortlichkeit der Staatsregierung Verordnun-
gen, welche eine Abänderung der Verfassung
oder des Wahlgesetzes nicht enthalten, auch nicht
Steuerverhältnisse betreffen, mit Gesetzeskraft
erlassen werden. Dieselben sind dem: nächsten
Landtage zur Zustimmung vorzulegen und, f alls
eine Einigung nicht erfolgt, sofoct aufzuheben
oder einem innerhalb dreier Monate zu ver-
sammelnden neuen Landtage zu unterbreiten:
verweigert auch dieser seine Zustimmung, so
erfolgt die Aufhebung der Verordnungen. Dem
Fürsten steht das Recht zu, den Landta zu be-
rufen, zu vertagen, zu schließen und an zulösen.
Die vollziehende Gewalt steht nach der
Verfassung allein dem Fürsten zu.
.Während der Dauer des Akzessionsvertrages
liegt die gesetzgebende und vollziehende Gewalt
soweit sie nach der Verfassung dem Fürsten zu-
steht, in der Hand des Königs von Preußen
Bei der Ausübung der gesetzgebenden Gewalt
is an die W#ustimmung de- Fürsten und des
andtags gebunden; die Eingangsfo
girer *7• ; gangsformel der
„Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden i
von Preußen, verordnen auf Grund des zw onig
Preußen und W.--Pyrmont geschlossenen Ver-
trages vom 2. 3. 87 mit Zustimmung Seiner
Durchlaucht des Fürsten zu W. und Pyrmont
sowie des Landtags der Fürstentümer, was. folgt.“
III. Der Landesherr ist oberster Landesbischof
und Träger des Kirchenregiments, mitl
dessen Führung das W. sche Konsistorium betraut
ist; er beruft und schließt die Landessynode von
deren Mitgliedern er zwei zu ernennen“ hat
An diesen Rechten des Fürsten ist durch den Lt.
ss nichts geändert.
Die finanziellen Rechte des
werden durch die Rechtsverhältnisse Fürsten
manialvermögens wesentlich beeinflußt. Zwi-
schen der früheren fürstlichen Regierung und
dem Landtage war am 16. 7. 53 ein Rezeß ver-
einbart worden, der die Eigentumsverhältnisse
unentschieden ließ, aber den Bestand des Do-